Leben wir in einer Diktatur der Konzerne?

Das Vimentis-Politpodium rief mit der Wahl des Diskussionsthemas zum kollektiven Rotsehen auf: Zur Thematik «Steckt die Sozialdemokratie in der Krise?» kreuzten linke und (mitte-)rechte Politexponenten die Klingen.

Eine Wirtschaft, die im Dienst der Menschen steht. Eine Wirtschaft, die allen nützt und nicht nur ein paar wenigen. Eine demokratisierte Wirtschaft, welche die herrschenden Machtverhältnisse aufzubrechen vermag. Das ist die Vision Wirtschaftsdemokratie, welche von Barbara Gysi (Vizepräsidentin SP und Nationalrätin) vorgestellt wurde. Ein wahrhaftiger Paukenschlag zum Auftakt der im Audimax einer Wirtschaftsuni steigenden Podiumsdiskussion, an der des weiteren Tamara Funiciello (Präsidentin Juso und Berner Stadträtin), Andri Silberschmidt (Präsident Jungfreisinnige) sowie Claudio Zanetti (Nationalrat SVP) mit von der Partie waren.

Andri Silberschmidt holte sogleich zum Gegenschlag aus: «Der Begriff Wirtschaftsdemokratie ist sehr beschönigend, um dem Anliegen Privateigentum abzuschaffen Ausdruck zu verleihen.» Mit der Frage, ob wir Eigentum demokratisch denken, ja Eigentum gar verstaatlichen sollen, brachte Moderatorin Olivia Kühni daraufhin Tamara Funiciello ins Spiel. «Heute gewinnt man Macht daraus, dass man etwas besitzt. Die Herren auf dem Podium sagen, dass wir genauso weitermachen können, wie es heute läuft», gab Funiciello zur Antwort. Gemäss der Juso-Präsidentin macht die Demokratie zurzeit aber an den Toren der Fabriken und Läden halt. Im Gegenzug unterstrich Claudio Zanetti, dass der Staat den einzelnen Unternehmen nicht reinreden darf.

Privateigentum vs. Staatseigentum

Silberschmidt entpuppte sich wiederum als hartnäckiger Gegenspieler der Sozialdemokratie: «Die Idee der Sozialdemokratie ist doch old-fashioned.» Staatseigentum anstelle von Privateigentum führe zu Ineffizienz. Mit dem Statement, dass die gesündeste Regulierung doch der Wettbewerb wäre, outete sich der 23-Jährige als Freisinniger par excellence. Funiciello konterte wie aus der Kanone geschossen: «Der Trend zur Privatisierung hat dazu geführt, dass die Polkappen schmelzen und wir uns in einer gewaltigen Ökologiekrise befinden. Wir leben in einer Diktatur der Konzerne, in der die Möglichkeit der Menschen zu entscheiden immer kleiner wird.»

Dies dementierte SVP-Nationalrat Claudio Zanetti: Die Schweiz wäre längst EU-Mitglied, wenn wir von Konzernen regiert würden. Tatsächlich sei das Gegenteil der Fall: «Wir haben ein massgeschneidertes System für unsere Volkswirtschaft.» Dass man für die Gesamtheit arbeiten würde, sei illusorisch. Dem fügte er hinzu, dass es dank dem Kapitalismus auf der ganzen Welt noch nie so wenig Hunger gab.

Das konnte Barbara Gysi so nicht auf sich sitzen lassen: «Es ist zynisch zu sagen, dass der Kapitalismus zu wenig Hunger geführt hat.» Die Lebensmittel seien falsch verteilt, sowie auch die anderen Güter. Das führe zu Hunger, Kriege und Migration. Somit sei der Kapitalismus bei weitem nicht so segenbringend und führe vielmehr dazu, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht. Andri Silberschmidt machte sich in diesem Zusammenhang für mehr Freihandel stark. Tamara Funiciello hingegen ist entschieden gegen solche Vorhaben: «Freihandelsabkommen zwingen die Menschen dazu, keine Schutzzölle zu errichten.» Sowieso sieht sie gar keine Krise der Sozialdemokratie: «Dort, wo sich Parteien links positionieren, sind sie erfolgreich. Sie sollen sich keinesfalls dem Kapitalismus unterwerfen.»

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Soziales Netz Marke «Hängematte»

Andri Silberschmidt brachte anschliessend vor, dass wir grundsätzlich auf Eigenverantwortung leben sollten. Diesem Grundsatz laufe das zur Hängematte mutierende soziale Netz zuwider: «Ich plädiere auf eine Reduktion der sozialen Ausgaben.» Darauf entgegnete Funiciello, dass wir uns sehr wohl in der Hängematte zurücklehnen können. Doch dann kommen Leute wie Trump an die Macht. «Wenn es so weitergeht, werden nur noch die Extremen wie Claudio Zanetti oder aber ich gewählt.»

Nun sah sich Zanetti zu einer Replik gezwungen: «Ich bin kein Extremer. Ich bin nur bezüglich Freiheit extrem. Wenn Sie Arbeitsplätze zerstören wollen, müssen wir Mindestlöhne einführen.» Darauf antwortete Funiciello mit einem nur sehr schwer zu überhörenden Hohn in der Stimme, dass sie in Zanettis «Bubble» leben möchte, da diese extrem schön sein muss.

Die Juso-Präsidentin äusserte sich weiter als grosse Freundin der Digitalisierung. Je weniger wir arbeiten müssen, desto besser: «Ich setze mich für eine 25-Stunden-Woche ein.» Dem hielt Silberschmidt entgegen, dass Arbeit per se doch gar nichts Schlimmes ist. Hingegen sollte man damit aufhören, Branchen künstlich am Leben zu erhalten. Mit dieser Vorgehensweise gaukle man den Arbeitern eine Zukunft vor, die sie nicht haben werden.

Claudio Zanetti lenkte die Diskussion schliesslich in Richtung des Lohnes. «Die besten Löhne sind dort zu finden, wo es keine Gewerkschaften gibt.» Funiciello erwiderte, dass sich die gesteigerte Produktivität nicht in den Löhnen, sondern vielmehr in Dividenden niedergeschlagen haben.

Rechtes Lob für die SP

Moderatorin Olivia Kühni vermochte während des Abends mit breitem politischem Fachwissen aufzutrumpfen. Doch mit ihren etwas trägen Moderationskünsten konnte sie das Publikum nur vereinzelt von den begrenzt bequemen Audimax-Hockern reissen. Immerhin brachte sie mit ihrer Schlussfrage Nationalrat Zanetti zum Eingeständnis, dass der Volksentscheid zur Unternehmenssteuerreform III wohl richtig war. «Bei dieser Vorlage hat man es wahrscheinlich übertrieben.» In solchen Fällen schätze er die als Korrektiv wirkende SP. Andri Silberschmidt hingegen findet Gefallen am Demokratischen an der Sozialdemokratie: «Wir können miteinander diskutieren.»

Die politisch linksstehende Seite des Podiums durfte sich zum Abschluss der Debatte in Selbstreflexion versuchen. Barbara Gysi gab sich mit dem Kurs der SP Schweiz sehr zufrieden. Allerdings sollte ihrer Meinung nach der Fokus stärker auf andere Länder gesetzt werden. Dem pflichtete Funiciello bei und äusserte darüber hinaus den Wunsch, die Zusammenarbeit innerhalb der Sozialdemokratie auszubauen. Schliesslich wünschte sie sich, öfter zu gewinnen.

Mit diesem – je nach politischer Ausrichtung – zuversichtlich stimmenden oder aber angsteinflössenden Schlusswort nahm das mehr oder weniger atemberaubende Katz-und-Maus-Spiel ein Ende. Man darf gespannt sein, ob die Sozialdemokratie zukünftig die rote Karte gezeigt, oder aber rote Rosen geschenkt bekommt.


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