Der Junkie, der sich im Restaurant Drogen spritzt

Mittlerweile fast Volkskrankheit, betrifft die «Zuckerkrankheit» viele
Menschen. Doch für die Betroffenen gestaltet sich ein «normales» Leben schwierig.

Als ich vor kurzem im Restaurant sass, sah ich einen jungen Mann, der nach dem Essen sein Polohemd hochzog und den Bauch etwas freimachte. Ganz schnell ging es und er verabreichte sich eine durchsichtige Flüssigkeit. «Drogen!», denkt man sich auf den ersten Blick. Wenn man jedoch genau darauf achtet, dann sieht man ein solches Verhalten des Öfteren in Restaurants. Auch in meinem nahen Umfeld gibt es Personen, welche die «Droge» namens Insulin einnehmen müssen. Kein Spass und kein Rausch sind damit verbunden. 

Wer krank wird, ist selbst schuld
Wie Mama schon immer sagte: «Zu viel Süsses macht krank!» Nun, wer nicht hören will, muss fühlen; man wird dick und bekommt Diabetes – ein logischer Zusammenhang und doch ein Vorurteil.
«Zum Glück sagen meine Kollegen, was man Essen soll und was nicht. Ohne diese kleinen Erinnerungen hätte ich meinen Blutzucker nicht unter Kontrolle», beklagte sich ein Bekannter mit ironischem Unterton. «Ich weiss zum Glück selbst, wie mein Körper auf die verschiedenen Nahrungsmittel reagiert», führte er aus. 

In der Schweiz leben rund 500 000 Diabetiker; das sind sechs Prozent der Bevölkerung. Grob gerechnet sind das 42 Studierende im Audimax. Man unterscheidet beim Diabetes Mellitus Typ 1 und Typ 2. Letzterer, welcher umgangssprachlich Altersdiabetes genannt wird, ist um einiges weiter verbreitet als der Typ 1. In der Schweiz leiden ca. 460 000 Personen an dieser Ausprägung von Diabetes. Der markanteste Unterschied: Diabetes Mellitus Typ 1 ist eine Autoimmunkrankheit, die jede Person betreffen kann. Dabei produziert die Bauchspeicheldrüse kein Insulin mehr. Erkranken kann grundsätzlicher jeder; meistens sind es jedoch Kinder oder junge Erwachsene. Auch existiert noch kein Heilmittel auf dem Markt.

Der Typ zwei betrifft vor allem ältere und übergewichtige Menschen, wobei auch die vererbten Gene eine Rolle spielen. Bei Altersdiabetes ist das Problem eine Störung in der Insulinproduktion oder der Insulinaufnahme. Die Bauchspeicheldrüse kann noch Insulin produzieren, jedoch reicht dies nicht aus, um den Blutzucker zu senken. Oder das vorhandene Insulin kann im Körper nicht gut genug verteilt werden. Dies kann durch eine ausgewogene Ernährung und viel Sport gänzlich behoben werden.

Süsses Blut
Blut spielt eine wichtige Rolle im Leben eines Diabetikers. Denn im Blut wird der Zucker und das Insulin transportiert. Mittels kleiner Blutproben vom Finger kann man ganz einfach den Blutzucker messen, welcher massgebend für die Insulinabgabe ist. Obwohl die Finger wie die Arme eines Heroinsüchtigen verstochen sind, bleibt diese Messung eine der einfachsten und zuverlässigsten. 

Mit dem Körper spielen
Dadurch, dass man selbst den Blutzucker bestimmen kann, kann man bis zu einem gewissen Grad auch seinen Körper leistungsfähiger machen. So spritzt sich ein Bekannter vor dem Lernen ein bisschen weniger Insulin, damit mehr Kohlenhydrate in seinem Blut sind und er weniger schnell müde wird. Genauso schaut er beim Sport, dass sein Blutzucker höher ist, damit er länger durchhalten kann. Wir «normalen» Menschen müssen für den gleichen Effekt Energieriegel essen. 

Hat man die Krankheit im Griff, dann schränkt sie den Alltag kaum ein. Ist die Insulindosierung gut eingestellt, kann man ein ganz normales Leben führen. Doch wie oben beschrieben, gibt es immer wieder Klischees und verschiedene Einschränkungen: So dürfen Diabetiker nicht ins Militär und eine Krankenversicherung zu wechseln gestaltet sich als unmöglich, obwohl die Krankenkasse nicht einmal alle Kosten übernimmt. Und am Flughafen wird man erst noch stärker kontrolliert und muss mit Dokumenten beweisen, dass das Insulin lebensnotwendig ist.

In diesem Sinne sollten wir das nächste Mal, wenn wir einen «Junkie» im Restaurant beobachten, weder über Heroin spekulieren, noch denken, dass alle Diabetiker selbst schuld sind.


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