Nudging – wenn der Staat für dich entscheidet

Medien nutzen unsere Schwächen aus, um uns zu beeinflussen. Davor soll uns der Staat schützen. Doch was geschieht, wenn er sich plötzlich selbst für solche Methoden interessiert?

Hast du dir schon einmal vorgenommen, regelmässiger Sport zu machen oder dich gesünder zu ernähren und dich dann bereits nach kurzer Zeit nicht mehr an die guten Vorsätze gehalten? Mit solchen Erfahrungen bist du nicht alleine. Im Gegensatz zum theoretischen homo oeconomicus handeln wir nicht immer rational und treffen auch nicht immer die für uns besten Entscheidungen.

Verhaltensökonomen haben festgestellt, dass solche Abweichungen von der Rationalität das menschliche Handeln systematisch prägen. So neigen Menschen beispielsweise dazu, am Status quo festzuhalten, Risiken von Ereignissen mit hoher medialer Aufmerksamkeit deutlich zu hoch einzustufen, oder sie lassen das Framing (manipulatives Hervorheben) von Informationen ihre Entscheidungen beeinflussen.

Diese Erkenntnisse können gemäss Cass Sunstein und Richard Thaler dazu genutzt werden, uns mit einem Nudge sanft in die «richtige» Richtung zu stossen. Ein Beispiel für einen solchen Nudge ist die Platzierung von gesundem Essen auf Augenhöhe in der Kantine. Dies führt dazu, dass sich Menschen vermehrt für dieses anstatt für die ungesundere Variante entscheiden. Besonders wichtig am Konzept des Nudging ist, dass keine Optionen verboten werden. Es wird lediglich der Entscheidungskontext so verändert, dass die Menschen eher die gewünschte oder vorgegebene Entscheidung treffen.

Nudging in der Energiepolitik
In jüngerer Zeit hat dieses Vorgehen auch in der Politik vermehrt Aufmerksamkeit erfahren. Besonders im Bereich Umwelt und Energie wurden grosse Potenziale lokalisiert. Es sind verschiedene Möglichkeiten denkbar, wie beispielsweise energiesparende Standardeinstellungen bei Elektrogeräten, Gratis-Parkplätze für Elektroautos oder Strom aus erneuerbaren Energien als Grundversorgung. In Bezug auf Letzteres gibt es auch einige Beispiele in der Schweiz. So hat das Elektrizitätswerk in Zürich (EWZ) bereits im Jahr 2006 den Strom aus vermehrt erneuerbaren Energien zum Standard gemacht. 

Auch in St. Gallen wurde dieser Nudge eingeführt. Es ist nicht verboten, dennoch den günstigeren Kernstrom zu beziehen, jedoch muss man sich aktiv dafür entscheiden. Dieses Vorgehen zeigt eindeutig Wirkung. So bezogen im Jahr 2016 gemäss einer Studie 70 Prozent der St. Galler Bevölkerung das vorgegebene Stromprodukt «Basis» und zusätzliche 20 Prozent einen Mix aus rein erneuerbaren Energien.

Das Konzept des Nudging mag sehr überzeugend und sinnvoll klingen. Kritiker wenden jedoch ein, dass Nudging in Wirklichkeit nicht so liberal ist, wie Sunstein und Thaler behaupten und dass dadurch die Entscheidungsfreiheit des Einzelnen untergraben wird. In der Tat stellen sich in Bezug auf Nudging verschiedene ethische sowie rechtliche Fragen. Weiss der Staat wirklich immer, was das Beste für uns ist und möchte er tatsächlich auch immer das Beste für sein Bürger? Wo liegen die rechtlichen Grenzen der Beeinflussung durch den Staat? Wird das staatliche Handeln durch Nudging intransparent?

Fest steht, dass Nudging sicherlich einige positive Aspekte aufweist, jedoch muss diesem Konzept mit Sorgfalt begegnet werden und es ist zentral, dass derartige Massnahmen demokratisch legitimiert sind.


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