“Während der Krise hatten wir keine Freunde.”

Studierende, Dozierende und andere Interessierte wurden vom Verein der Liechtensteiner an der HSG eingeladen, mehr über die „Veränderungen auf dem  Finanzplatz Liechtenstein“ zu erfahren. Im Zentrum der Podiumsdiskussion stand die Frage, wie Liechtenstein und insbesondere der einheimische Finanzplatz in ein oder zwei Jahrzehnten aussehen soll. Unter der Leitung von Professor Martin Kolmar unterhielten sich gleich drei Absolventen der Universität St. Gallen überraschend offen über dieses Thema: Regierungschef Klaus Tschütscher, Thomas Nigg, der Vizepräsident der Treuhändervereinigung, sowie Urs Müller von der Geschäftsleitung der Liechtensteinischen Landesbank.

Bevor es mit der Podiumsdiskussion losging, hielt Regierungschef Dr. Klaus Tschütscher ein kurzes Inputreferat über Herausforderungen, Chancen und mögliche neue Geschäftsfelder für Liechtenstein. Er betonte, dass auch das kleine Nachbarsland der Schweiz sich grossen Problemen gegenüber sehe und diese nur dann meistern könne, wenn es sich wieder auf seine Stärken rückbesinne. Das durch Erfahrung angesammelte Know-how, sowie die kurzen Entscheidungswege sieht Tschütscher als die Stärken Liechtensteins. Auch traditionelle Stärken wie Fleiss und Kreativität ermöglichen Liechtenstein grosse Chancen für die Zukunft.

„Während der Krise hatten wir keine Freunde“ und besonders nach der Zumwinkel-Affäre im Februar 2008 ging vor allem Deutschland nicht gerade zimperlich mit dem kleinen Land um, offenbarte Klaus Tschütscher den zahlreich erschienenen Zuhörern. In den vergangen drei Jahren hatte das Fürstentum vermehrt mit schweren Zeiten zu kämpfen. Flexibles Handeln im Wandel der Zeit sei mitunter der Grund dafür gewesen, dass Krisen bewältigt werden konnten. Für die Zukunft bräuchte es neben Planungs- und Rechtssicherheit vor allem auch Strategiesicherheit. „Ein Staat muss berechenbar sein“, meinte Klaus Tschütscher hierzu.

Martin Kolmar eröffnete die Diskussionsrunde mit der Frage, wo sich Liechtenstein im Jahre 2020 sehe. Als oberstes Ziel betonte Klaus Tschütscher, dass der diversifizierte Platz gehalten werden sollte. Als grösste Herausforderung sehe er hier die Sanierung des Staatshaushaltes. Thomas Nigg meinte auf die Frage, was seine Vision für Liechtenstein sein, dass es in der Treuhandbranche nach wie vor grosses Wertschöpfungspotenzial gebe, aber: „Der Paradigmenwechsel, der damit verbunden sein wird, ist in Bevölkerung und Politik noch nicht angekommen.“

Richtig spannend wurde es, als Urs Müller und Thomas Nigg auf die Frage, wie sich der Finanzplatz abgrenzen müsse, mit gegensätzlichen Meinungen antworteten. Müller ist der Überzeugung, dass nachhaltiger Erfolg auf dem Finanzplatz nur dann möglich sein wird, wenn man einen Kopierschutz entwickle. Innovation wäre ein grosses Thema und die Finanzbranche müsse diesen Trend annehmen und sich nicht wie bisher bloss an sich selbst messen. Die Antithese von Nigg meint, dass hyperaktive und hyperinnovative Banken schlussendlich immer gerettet werden mussten. Liechtensteins Unique Selling Position liege im Gegenteil von innovativen Produkten. Der Finanzplatz müsse weiterhin durch Stabilität und Kontinuität den Kunden vor allem eins bieten: Sicherheit. „In der Sicherheit kann man auch innovativ sein“ entgegnete Müller. Man müsse schliesslich den Bedürfnissen zukünftiger Generationen gerecht werden. Klaus Tschütscher betonte diesbezüglich, dass man sich in Zukunft vor allem Frage stellen müsse, worauf der Fokus gelegt werden soll. Wenn weiterhin die reine Geldvermehrung im Zentrum stehe, dann würde es auch wieder Krisen geben.

Zum Abschluss der Podiumsdiskussion stellte Kolmar den Gästen die Frage, was auf ihrer Wunschliste für die Sicherung des Standortes Liechtenstein steht. Müller hofft, dass künftige Regulation mit Vorsicht und Augenmass gesetzt werden. Man dürfe sich keinesfalls hinter Formalismen verstecken, sondern auch weiterhin durch Kontinuität und Kompetenz überzeugen, fordert Thomas Nigg für die Zukunft der Finanzbranche. Regierunschef Klaus Tschütscher wünscht sich ganz klassisch für einen Politiker, mehr politisches Engagement.

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