„Ich bin ein Präsident des Friedens“

Gestern Abend legte der ukrainische Staatspräsident Petro Poroschenko an der Universität Zürich einen Zwischenstopp auf seinem Weg in Richtung WEF ein. Der Ukrainer folgte dabei der Einladung des Europainstituts im Rahmen einer ‘Special Churchill Lecture’. Der Politiker beschwor in seiner Rede viel Idealismus, sagte wenig Konkretes und wurde dazwischen als Kindermörder bezeichnet.

Dass es sich hier nicht um ein gewöhnliches Politpodium handelte, war bereits vor dem Auftritt von Poroschenko unschwer an der Szenerie zu erkennen: Vor dem altehrwürdigen Jugendstilgebäude des Zentrums der Universität Zürich fanden sich zahlreiche Hochsicherheitskräfte mit ernsten Gesichtern. Ein kleines Grüppchen von Demonstranten stand den Besuchern im Weg, allesamt hielten sie separatistische Flaggen der osteuropäischen Provinzen Donezk und Luhansk in die Luft. Auf den Transparenten war Freiheit, Demokratie und Unabhängigkeit für Donbass! zu lesen.

Viele Leute kamen zur Veranstaltung. So viele, dass neben dem eigentlichen Vorlesungssaal noch fünf zusätzliche Übertragungssäle bis zu den Grenzen ihrer Kapazitäten gefüllt wurden. Poroschenko wurde vor dem Hintergrund der erneuten Eskalation des Ukraine-Konflikts rund um den Flughafen von Donezk mit Spannung erwartet. Unter das Publikum mischten sich Stadtzürcher Persönlichkeiten. FDP Nationalrat Felix Gutzwiler blickte in der ersten Reihe gespannt zurück in den Saal, auch die Bildungsdirektorin Regine Aeppli war vor Ort und Bundesrat Didier Burkhalter sollte die Eröffnungsrede halten. Den Grossteil des Publikums schienen jedoch ausgewanderte Osteuropäer auszumachen, einige von ihnen mit ukrainischen Flaggen umhüllt.

Poroschenko selbst liess indes fast eine Stunde auf sich warten. Als er dann endlich den Saal betrat, brach Jubel und Applaus aus, man wähnte sich beinahe in einem Wahlkampf. Die Eröffnung der Veranstaltung übernahm dann der Leiter des Europainstituts in gebrochenem, aber charmantem Denglisch. Danach übernahm Bundesrat Didier Burkhalter, der unlängst zum Schweizer des Jahres gekürt wurde, das Rednerpult. Der Westschweizer sprach zu Beginn seiner Rede denn auch seinen Dank für diese ehrenvolle Auszeichnung aus. Den ukrainischen Staatspräsidenten begrüsste er mit einem „warm welcome“. Danach resümierte der Chef des EDA über den letztjährigen Vorsitz der Schweiz in der OSZE und den Ukraine-Konflikt allgemein. Die Krise im Osten des Landes sei besonders für die Zivilbevölkerung „eine Tragödie“ so Burkhalter. Er rufe alle Konfliktparteien zu äusserster Zurückhaltung auf, um eine weitere militärische Eskalation zu verhindern und diplomatische Lösungen zu finden. Des Weiteren sicherte der Bundesrat der Ukraine anhaltende Unterstützung in mehreren Bereichen zu. Sowohl finanziell wie auch mit humanitärer Hilfe würden Anstrengungen unternommen, um die Situation des Landes zu verbessern. Mit den Worten „die Schweiz bleibt engagiert“ beendete der ehemalige Präsident der OSZE seinen Auftritt und räumte die rhetorische Bühne für den eigentlichen Stargast des Abends.

Als Poroschenko vor das Publikum tritt, bricht erneut Jubel aus aber auch vereinzelte Buh-Rufe sind zu hören. Das ukrainische Staatsoberhaupt spricht während mehr als 40 Minuten. Die Rede ist geprägt von viel Pathos und der lauten Stimme des Osteuropäers. Inhaltlich erinnert der Grossteil an etwas, dass man so, oder so ähnlich bereits einmal in den Nachrichten vernommen hat. Poroschenko nimmt Bezug auf den Ort der Rede und dessen Bedeutung. Vor über 70 Jahren hielt in diesem Gebäude nämlich der britische Premierminister Winston Churchill seine berühmte Nachkriegsrede, in der sich der Aristokrat für ein vereintes Europa stark machte – ein Europa frei von Konflikten und Kriegen. Poroschenko münzte dieses Ideal eines vereinten Kontinents auf die heutige Situation um. Er fühle sich geehrt an diesem historischen Ort zu sprechen und wie damals sei auch heute ein vereintes Europa von Nöten, um den globalen Terrorismus zu besiegen. So handle es sich bei den Personen rund um den Anschlag auf das Satiremagazin Charlie Hebdo um dieselbe Art von Terroristen, wie im Osten der Ukraine. Das Land gehöre zu Europa und dessen Werten und werde auch für diese kämpfen. „Together we will win this battle“ so die Kampfparole Poroschenkos. Auf diesen etwas wackeligen Brückenschlag zwischen den ISIS-Terroristen und den Separatisten in der Ostukraine folgten Anschuldigungen gegenüber Russland und den Separatisten im Osten. Die gegnerische Seite habe trotz stetiger Bemühungen Kiews keinen einzigen Schritt hin zu einer friedlichen Beilegung des Konflikts unternommen. So würden die Terroristen mit äusserster Brutalität vorgehen, Morde und der Abschuss des Passagierflugzeugs MH17 seien nur einige Beispiele. Dabei würden die Kämpfer permanent  von Russland und dessen Waffenlieferungen und militärischen Trupps unterstützt. Er hingegen sei ein Präsident des Friedens und nicht ein Präsident des Konflikts. So befürworte er die Einhaltung der Minsker Verträge und eine sofortige Waffenruhe. Allerdings erwarte er auch einen Rückzug der Truppen aus dem Osten des Landes, sowie freie und faire Wahlen. Dann sei er auch bereit politische Verhandlungen zu führen.

Mitten in der Rede stand eine Frau auf und schrie, dass sie keinem Mann zuhöre, der Kinder ermorde. Augenblicklich buhten andere Zuhörer die Protestierende nieder. Während die Frau mit nachdrücklicher Höflichkeit aus dem Saal geführt wurde, entgegnete der Präsident mit einem Lachen: „In Russland wäre solch eine freie Meinungsäusserung niemals möglich.“ Applaus und Gelächter. Poroschenko fuhr nun mit seinen ehrgeizigen ökonomischen Plänen für die Ukraine fort. Bis 2020 seien die notwendigen Bedingungen für einen EU-Beitritt der Ukraine zu erreichen. Die Energieunabhängigkeit von Russland sei gar innert vier Jahren möglich. Mittels umfassenden wirtschaftlichen Reformen wolle er das Land von Korruption befreien und mit unternehmensfreundlichen Massnahmen fit für den internationalen Wettbewerb machen.

Zum Schluss kam Poroschenko nochmals auf das Ideal eines vereinten Europas zurück: „Churchills Traum ist nun Wirklichkeit geworden“. Mit siegessicherer Entschlossenheit fügte er hinzu: „Slava Ukraini“-„Heil Ukraine“.


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