Wenn die Farbe der Krawatte polarisiert

SRF-Mann Urs Wiedmer äusserte sich vor Beginn der Elefantenrunde im prisma-Interview zu brennenden Themen wie Überalterung in der Politik, Sensationsjournalismus und Parteienfinanzierung. Auch wenn es von Parteien aller Seiten schon Angebote gab, schliesst der Berner – zumindest vorläufig – einen Rollenwechsel vom Journalisten zum Politiker aus.

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Urs Wiedmer (Mitte) an der Elefantenrunde. (Foto: Livia Eichenberger)

Urs Wiedmer, wie vorhersehbar ist eine Diskussion wie beispielsweise die Elefantenrunde an der HSG?
Ich führe vielmals Vorgespräche und kenne die Positionen und Argumente der jeweiligen Politiker ziemlich genau. Allerdings gibt es in jeder Diskussion auch überraschende Momente. Diese zu meistern, ist nicht immer einfach.

Verfolgen Sie als Moderator in Diskussionen von einem Veranstalter vorgegebene Ziele?
Vor der Annahme der Moderation einer Vorstellung muss klargestellt sein, dass ich journalistisch frei sein darf. Häufig unterhalte ich mich im Voraus mit den jeweiligen Veranstaltern – so auch hier an der HSG. Man bespricht, in welche Richtung die Diskussion gehen soll. Innerhalb eines bestimmten Themenblocks bin ich aber komplett frei, wie ich die Fragen schlussendlich stelle.

Hat sich die Diskussionskultur in den letzten Jahren verändert?
Gross verändert hat sich die Diskussionskultur in den letzten Jahren nicht. Es hängt vielmehr vom Rahmen der Diskussion ab. In der Arena ist eine Art Showkampf gefragt, um die Zuschauer am späten Freitagabend wach zu halten. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Momente, in denen ruhige und sachliche Diskussionen gefragt sind.

Wie schwer fällt es Ihnen, Politiker zu unterbrechen?
Es gibt Situationen, in denen man sich gezwungen sieht, Politiker zu unterbrechen, um in einer Diskussion die vorgegebene Linie beibehalten zu können. Ich kann problemlos Leute unterbrechen, wahnsinnig schwierig ist das nicht. Man fällt ins Wort und spricht so lange weiter, bis der andere schweigt.

Die heutige Berichterstattung zielt immer mehr auf den sogenannten „Sensationsjournalismus“ ab – Realität oder Mythos?
Mit dem Internet ist zwar alles viel schneller geworden, aber grundsätzlich nur wenig boulevardesker. Viele Medien wollen schnell informieren und verzichten dabei bewusst auf Tiefgang. Aber es gibt auch nach wie vor Medien, die Stories sehr hintergründig ausleuchten.

Mit welchen Unterschieden in Ihrer Arbeit als Bundeshaus-Korrespondent sind Sie kurz vor den Wahlen konfrontiert?
Wir als SRF stellen uns ständig die Frage, ob wir einem Politiker die Plattform geben wollen, um sich profilieren zu können oder nicht. Grundsätzlich agieren wir sehr zurückhaltend in dieser heissen Phase.

 Sind Sie für eine Offenlegung der Finanzierung der einzelnen Parteien?
Transparenz wäre meiner Meinung nach gut und eigentlich auch nötig. Man sieht im aktuellen Wahlkampf, dass der Einfluss von Geld nicht weniger wird. Die aktuellen Videos und der Kauf der 20-Minuten-Frontseite fallen durchaus auf. Es würde mir als Wähler eindeutig helfen, zu wissen, wer welche Partei oder welchen Kopf in welcher Form unterstützt.

Online-Wahlhilfen sind populär wie nie zuvor. Welchen Einfluss sehen Sie in diesem Hilfsmittel?

Parteimitglieder wählen grundsätzlich ihre Partei. Diejenigen, die noch nicht verankert sind, machen sich vielleicht ein Bild über eine Plattform. Wir Journalisten schauen uns die Profile der Politiker häufig an. Für persönliche Zwecke habe ich aber noch nie eine benutzt.

Einzelnen Parteien wird im Wahlkampf «Themenbewirtschaftung» vorgeworfen.
Einzigartig ist im aktuellen Wahlkampf, dass lediglich ein einziges Thema – die Flüchtlingskrise – im Mittelpunkt steht. Zu Beginn sprach nur die SVP von diesem Thema. Die restlichen Parteien verweigerten sich vorerst, über dieses Thema zu diskutieren. Aber schon bald sahen sich die Parteien durch die Aktualität gezwungen, Statements zu den aktuellen Geschehnissen abzugeben.

Gibt es eine Amerikanisierung des Wahlkampfs zu beobachten?
Es wird beobachtet, wie andernorts Aufmerksamkeit generiert wird und ahmt gewisse Dinge nach. Die vielen Videos und Songs und vor allem deren hohen Beachtung zeigen, dass der Stellenwert dieser Elemente steigt. Von einer Amerikanisierung würde ich allerdings nicht reden. Es gibt keine Parteien oder Politiker, die mit einem Car durch die Schweiz reisen, um die Leute zu mobilisieren. Wenn es nur noch um die Form des Wahlkampfs und nicht mehr um die Inhalte geht, wird es gefährlich. Als Partei muss man sich überlegen, ob man nur noch Köpfe, oder eben auch Inhalt verkaufen will.

Wie stehen Sie zu einer Professionalisierung der Schweizer Politik?
Die Geschäfte, über die in der heutigen Zeit bestimmt werden muss, sind extrem komplex. Ein Thema wie die aufgegleiste Energiestrategie ist viel komplexer als beispielsweise die Frage, ob man Schneekanonen will, oder nicht. Um fundierte Meinungen zu haben, muss man sich in der Materie sehr gut auskennen. Und dies braucht wahnsinnig viel Zeit. Dieser Aspekt spricht für ein Berufsparlament. Aber: Es ist gut, wenn das Volk, und vor allem auch die Politiker selbst wissen, woher sie kommen und nicht abgehoben sind.

Sämtliche Wahlbarometer sagen der neuen Mitte (BDP/GLP) herbe Verluste voraus. Wieso haben kleine Parteien in der Schweizer Politlandschaft einen solch schweren Stand?
Es ist attraktiver, aussen an den Polen zu politisieren. Mit dem Konsens zwischen den Polen macht man kaum Schlagzeilen. Eine nicht zersplitterte Mitte wäre ein schwergewichtiger Block. Wer weiss, eventuell wird sich die Mitte um BDP und CVP – gerade auf die Bundesratswahl hin – wiederfinden.

Ist die Überalterung in der Politik ein ernsthaftes Problem?
In diesem Parlament sollen sämtliche Altersschichten vertreten sein, und zu diesen gehören auch ältere Leute. Ich würde nicht soweit gehen und über 70-Jährigen den Sitz im Parlament verwehren. Sowohl jung als auch alt soll die Freiheit haben, in der Schweiz politisieren zu können. 

Filippo Leutenegger und Matthias Aebischer sind nur zwei Beispiele – haben Sie persönlich noch nie mit einer politischen Karriere geliebäugelt?
Ich habe meine Karriere grundsätzlich nie geplant. Als ich die Arena vor fünf Jahren übernahm, habe ich gesagt, dass ich die Seite nie wechseln werde. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Ich berichte lieber über die Politik und versuche so, Themen zum Gespräch zu machen.

Hat es schon Angebote von Parteien gegeben?
Ja, diese hat es natürlich schon gegeben – erfreulicherweise von allen Seiten. (lacht)

Zu polarisierenden politischen Themen werden auch Sie eine klare Meinung haben. Neutral zu bleiben fällt Ihnen nie schwer?
Das ist für mich ein Ausdruck der Professionalität. Grösstenteils erhalte ich bezüglich meiner Neutralität positives Feedback. Zwar werde ich nicht selten mittels der Farbe meiner Krawatte einer bestimmten politischen Ecke zugeordnet. (lacht) Solange ich in sämtliche Ecken verortet werde, weiss ich, dass ich auf dem richtigen Weg bin.

Welche Aufgabe werden Sie am Wahlsonntag innehaben?
Ich werde mich im Bundeshaus befinden. Als sogenannter Flyer werde ich hinter die Kulissen des Bundeshauses blicken. Das kommt für mich einem „Zückerchen“, das die ganze Parlamentswahl noch versüssen wird, gleich…


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