«Fressen Sie mich!» – Studententheater St. Gallen

Wenn auf der Bühne unter dem Gelächter der Zuschauer Kasatschok getanzt wird, führt das Studententheater St.Gallen eine Vorstellung auf und begeistert das Publikum mit viel Leidenschaft.

Das Studententheater St. Gallen feierte am Montag die Premiere mit dem Stück «Onkel Wanja» von Anton Tschechow. Ein eitler, an seinem Alter verzweifelnder, teilweise wahnsinnig erscheinender Professor, offenkundig ein Fabulant und dennoch ein heller Stern am Himmel der Akademikerszene, hält sich eine junge Frau und verdammt seine Tochter und seinen Schwager Wanja zur Plackerei auf dem Landgut. So finanziert sich der jammernde Intellektuelle seinen Lebensstil.

Tschechow zeigt im Stück die Aussichtslosigkeit des eigenen Daseins. Die snobistischen Stadtmenschen leiden unter einer unkurierbaren Langeweile und laborieren an sich eingebildeten Krankheitsbildern. Wie bei Tschechow vielmals üblich, ist die Liebe aussichtslos, wird lächerlich gemacht und hat keinen Platz im Warten auf das eigene Ende.

Sollte das nicht ein Drama sein?

Mit russischen Theaterstücken ist das immer so eine Sache: Aussichtslos, dramatisch und theatralisch werfen sie den Zuschauer in einen tiefen Abgrund. In unseren Breitengraden verliert man schnell den Überblick über die ganzen nicht aussprechbaren Namen der zum Glück nur wenigen Protagonisten und ständig wird Wodka gesoffen, sich fast schon zur Bewusstlosigkeit gegurgelt. Auch in der Inszenierung des Studententheaters St. Gallen wird getrunken – Wasser versteht sich – und so tanzen in einer Szene der Arzt Michaíl Lwówitsch Ástrow und Iljá Iljítsch Telégin in einem trunkenen Wahnsinn den russischen Tanz Kasatschok auf der Bühne. Eine Tschechow-Inszenierung ohne Wodka-Flaschen, in der alle nüchtern sind? Das wäre zweifellos undenkbar.

Trotz der allen Protagonisten gemeinsamen Hoffnungslosigkeit und dem doch düsteren Thema des Dramas, versetzen genau solche pointierten Darstellungen der Schauspieler mit den teilweise fast schon komödiantisch erscheinenden Einlagen das Publikum in oftmaliges Gelächter. Ob das wohl gewollt war? Dies unter anderem auch mit Sätzen wie «Bin eingeschlafen und habe geträumt, mein linkes Bein sei ein anderes.» oder dem Ausruf des Arztes «Fressen Sie mich!», worauf er sich anschliessend auf den Boden wirft und die Arme nach der Frau des Professors, Jeléna Andréjewna, ausstreckt. Dennoch haben gewisse Schauspieler etwas zu viel der Theatralik in die Darstellung ihrer Rollen gelegt und so hat das gelegentliche Lachen manchmal einen anderen Herkunftsgrund.

Die Monologe der Hauptdarsteller, als charakteristisches Element für das Drama, wissen zu überzeugen. Vor allem die Darstellung des Onkel Wanja begeistert und es gelingt, dem Zuschauer tiefe Einblicke in die Gedankenwelt und Gefühle der Figur zu gewähren. Eine wunderbare, glaubwürdige Darbietung, die Respekt verdient.

Grosse Erwartungen an die Zukunft

Wieder konnte das Studententheater die Zuschauer mit den schauspielerischen Leistungen für sich gewinnen. Das letzte Mal schon mit der düsteren Darstellung von Max Frischs Graf Öderland und dieses Mal erneut mit der „Komödie“ Onkel Wanja von Anton Tschechow. Vergleichen kann man die beiden Aufführungen schon aufgrund der Unterschiedlichkeit der Handlung nicht, aber das ist auch gar nicht nötig. Beide bleiben für sich einzigartig und vor allem gelungen. Jenen, die sich die Aufführung noch nicht angesehen haben, bietet sich Dienstag bis Donnerstag, 10. bis 12. Mai 2016, jeweils um 20.00 Uhr im Figurentheater die Gelegenheit.

Bilder Alexander Wolfensberger


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