Ego und Sport – ein perfect Match?

Steroiden-vollgepumpt, selbstverliebt, seelenlos! Oder doch nicht? Wir begaben uns auf die Suche nach verschiedenen Unisporttrainern, um herauszufinden, ob das Klischee vom grossen Sportler-Ego zutrifft.

Alle sagen, Sport sei gesund, sorge für ein gutes Körpergefühl und sichere guten Schlaf. Doch was passiert auf psychischer Ebene? Was geht in einem vor, wenn man Sport macht? Und wie wirkt man auf andere? Sport wirke sich sehr individuell auf den Einzelnen aus, würden viele meinen, und trotzdem fanden wir viele Gemeinsamkeiten in den Aussagen der Befragten. Uns interessiert vor allem, wie sich Sportler selbst wahrnehmen und welchen Einfluss auf ihr Ego sie aufgrund der sportlichen Tätigkeit bei sich selbst beobachten.

Training frisst Zeit

Wer eine Sportart intensiv ausübt, muss dementsprechend häufig trainieren. Zusätzlich zum Studium regelmässig Sport zu treiben, erfordert viel Disziplin, einen strikten Zeitplan und klare Prioritätensetzung. Training frisst Zeit. Sicherlich kommt es vor, dass man mal mehr und mal weniger zu tun hat, nicht immer ist es stressig. Doch wenn nicht Studieren oder Arbeiten auf der Tagesplanung stehen, dann kommen Freunde und Familie, die spontan etwas mit einem unternehmen möchten. Man wird zu einem Nachtessen eingeladen oder alle anderen gehen in den Ausgang, nur man selbst nicht. Denn als Sportler hat man auch an den ominösen Mittwochabenden Training, genauso wie an fast allen anderen Tagen. Und am Morgen sollte man kurz laufen gehen, die Ausdauer kommt nicht von alleine. Sportler leben für ihre Sportart, ohne Disziplin und Ehrgeiz geht es nicht.

Mächtig und energiegeladen

«Kraftsport, vor allem wenn man ihn schon eine Weile ausübt, macht selbstsicher, diszipliniert und zielorientiert. All dies wirkt sich auch im Alltag positiv aus.» Stanislav, Unisporttrainer Fitnesstraining

Manche würden diese Einstellung als asozial und egoistisch beschreiben, wahrscheinlich aus Unverständnis und Enttäuschung. Soziale Kontakte sind anscheinend nicht so wichtig wie das Training, nie hat der Sportverrückte Zeit. Und doch trainiert man Tag für Tag weiter, das Gefühl Sport gemacht zu haben macht süchtig, Hormonen sei Dank. Adrenalin und Cortisol schenken genügend Power, sie geben einem diesen Kick während des Trainings, man fühlt sich mächtig und energiegeladen. Endorphin und Dopamin sorgen für ein Glücksgefühl während und vor allem nach dem Training. Man liebt das Gefühl der körperlichen Erschöpfung und der seelischen Freiheit. Nichts und niemand kann einem mehr was anhaben.
Diejenigen, denen man wirklich wichtig ist, werden diese Leidenschaft verstehen und im besten Fall sogar teilen. Das Letzte, was man mit einem vollgepackten Stundenplan brauchen kann, sind stundenlange Predigten vom sozialen Umfeld.

Durch dick und dünn

«Es macht so viel Spass und
gleichzeitig kann ich trainieren.
Mein Körper wird gefordert,
ich fühle mich fit. Doch es
ist nicht nur körperlich, auch
seelisch. Immer wenn ich Zumba
unterrichte, bin ich wahnsinnig
glücklich.» Edu,
Unisporttrainerin Zumba

Jede Art und Weise seinen Körper zu bewegen macht glücklich, jede Sportart verändert einen im Geist. Einzelsportarten machen stärker als Person, man wird disziplinierter, entwickelt Kampfgeist und lernt sich von einer neuen Seite kennen. Wenn man – so wie die Befragten – Unisporttrainer ist, steht man oft vor Leuten, wodurch man selbstsicherer wird. Als Teamsportler lernt man mit Konkurrenz umzugehen, findet seine Position in einer Gruppe und lernt sich durchzusetzen. Teamkollegen können zu Freunden fürs Leben werden, man geht zusammen durch dick und dünn und lernt, Probleme zusammen zu bewältigen. All dies sind Qualitäten, die einen nicht nur im Sport, sondern auch im alltäglichen Leben auszeichnen und weiterbringen.
Wenn man am Sporttreiben ist, hat man Zeit, sich voll auf sich selbst zu konzentrieren, die Aussenwelt abzuschalten und in jedem einzelnen Moment zu leben, ohne sich 1000 andere Gedanken machen zu müssen. Manchmal verschläft man vielleicht am Morgen, vergisst das Mittagessen zu Hause und quält sich anschliessend noch durch diese ellenlange Mathevorlesung, die man einfach nicht versteht. Doch dann geht man zum Sport und kann all diese Probleme für einen Moment hinter sich lassen.

Egoisten in einem Team

Natürlich stellt sich dann noch die Frage, ob Teamsportler weniger egoistisch sind als Einzelsportler. Nein, war die vorherrschende Antwort unter den Befragten, denn man arbeitet als Teamsportler genauso an sich selbst wie jeder Einzelsportler. Zwar hat man noch ein Team um sich, das einen aufbauen kann, wenn es mal nicht so läuft, jedoch ist das gesamte Team nur so stark wie das schwächste Glied. Man hat demnach nicht nur sich selbst gegenüber eine Verpflichtung, sondern dem ganzen Team gegenüber. Das motiviert zu noch härterer Arbeit. Jeder Sportler muss eine gewisse Portion Egoismus mitbringen, denn ohne Egoismus erreicht man seine Ziele nicht. Schlussendlich treibt man immer noch für sich Sport, weil es einem Spass macht und einem ein gutes Gefühl gibt.

Übung macht den Meister

Je länger und intensiver man eine Sportart ausübt, desto mehr kristallisieren sich die positiven Eigenschaften vom Sporttreiben heraus. Diese sind natürlich auch von der Sportart abhängig. Bei Kampfsportarten braucht es etwas länger, bis man ein Niveau erreicht hat, auf dem es wirklich Spass macht und man etwas beherrscht. Bei Badminton hingegen hat man auch als Anfänger in jedem Training Spiel und Spass. Niederlagen und schwierige Phasen gehören aber zu jedem Sport dazu. Genau diese Situationen machen einen stärker, ganz nach dem Motto: «What doesn’t kill you makes you stronger.» Daraus formen sich Stärken und ein gesundes Ego. Erfolgsmomente sind nur die Krönung des Ganzen, die Belohnung für die harte Arbeit und eine Motivationsquelle für kommende Tiefpunkte.

Positivere Selbstwahrnehmung

«Man sagt ja gesunder Geist,
gesunder Körper. Wer Sport
macht, ist viel ausgeglichener
und das überträgt sich automatisch
auf den Alltag.» Marcandrea, Unisporttrainer
Flag Football

Sieht man Ego als Selbstverliebtheit an, dann hat das sicher nichts mit Sport zu tun und darf auch nicht damit in Verbindung gebracht werden. Es handelt sich dabei um eine Charaktereigenschaft, nicht um eine Nebenwirkung von Sport. Ist mit Ego die Vernachlässigung anderer Personen und Tätigkeiten gemeint, so muss man bemerken, dass Profisport dies natürlich mit sich bringt. Jedoch ist dies nicht nur im Sport so, sondern bei jeder Art von Hobby, die man auf höherem Niveau ausführt.
Interpretiert man Ego als Zeit, die man für sich nimmt, um sich etwas Gutes zu tun, oder als positivere Selbstwahrnehmung, dann sind sich alle Sportler und Sportlerinnen einig: Sport bringt ein grösseres Ego mit sich.


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