Präsenzprüfungen: Aufruhr in Zürich, Verständnis in St.Gallen

Während die Präsenzprüfungen in Pandemiezeiten an gewissen Fakultäten der UZH und ETH auf massiven Gegenwind stossen, sind diese an der HSG bei vielen Studierenden mehr als willkommen. Woran liegt das?

Ein Anblick, den die HSG-Studierenden anscheinend schätzen: Die Aula im Prüfungsmodus (Bild: Universität St.Gallen)

«Asozial». Das ist das eindeutige Fazit eines UZH-Studenten, welcher sich aufgrund von Präsenzprüfungen der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät zwei Wochen im Voraus isolieren soll. Im Dezember häuften sich die Berichte von «20 Minuten», «Tages-Anzeiger» und der «ZS» über aufgewühlte Zürcher Studierende, welche mit den Präsenzprüfungen nicht einverstanden sind. Obwohl die meisten Fakultäten der UZH und ETH seit Beginn der Pandemie auf Online-Prüfungen setzen, entschieden sich gewisse Fakultäten aus «Fairness» für Präsenzprüfungen.

Damit sind sie nicht alleine, denn die HSG setzt fast ausschliesslich auf Präsenzprüfungen, ebenfalls «um die Fairness und die Qualität der Prüfungen zu gewährleisten». Der Unterschied: Beschwerden gibt es kaum – ganz im Gegenteil. Schon im Frühling sprachen sich 87% der Mitglieder des Studentenparlaments für Präsenzprüfungen trotz der Pandemie aus und auch bei einer Umfrage des «prisma» im November befürworteten 73% der Studierenden die Entscheidung des Rektorats, weiterhin auf Prüfungen vor Ort zu setzen. Doch wieso dieser massive Zuspruch?

Wer nicht schummelt, ist im Nachteil

Wenn man von einer Verschiebung absieht, wären Online-Prüfungen wohl die einzige Alternative zu den Präsenzprüfungen. Die ZHAW, quasi die Hochschul-Nachbarin der HSG, vertraute schon im vergangenen Sommer auf Online-Prüfungen. Sie setzte dabei auf ungooglebare Fragen, Fallbeispiele und Zeitdruck, doch genützt hat es alles nichts. Fast 150 Studierende sollen laut einem Bericht des «Tages-Anzeigers» geschummelt haben, die meisten davon sind geständig. Faire Prüfungen sehen anders aus.

Eine ähnliche Situation wäre jedoch an der HSG ebenfalls zu erwarten. Besonders mit dem Konkurrenzdruck im Assessmentjahr liegt die Vermutung nahe, dass die einen oder anderen Studierenden ihr Glück mit der Mogelei versuchen würden. Wer jedoch im Umkehrschluss darauf verzichten würde, wäre im Nachteil. Eine Zwickmühle, auf welche viele HSG-Studierenden wohl am liebsten von Anfang an verzichten, indem sie ihre Prüfungen wie gehabt vor Ort auf dem Campus absolvieren.

Es gibt immer einen Plan B – zumindest an der HSG

Doch was, wenn man eine Präsenzprüfung aufgrund eines positiven Coronatests, Symptomen oder Quarantäne nicht antreten kann? Für diesen Fall hat die HSG im Vergleich zu anderen Universitäten äusserst faire Massnahmen erlassen, die für die anstehende Prüfungsphase gelten. Denn betroffene Studierende haben die Möglichkeit, mit den entsprechenden Dozierenden einen individuellen Prüfungszeitpunkt bis zu vier Wochen nach dem ursprünglichen Termin zu vereinbaren. So kann eine Verzögerung des Studiums verhindert werden.

Auch Studierende, die aus anderen Gründen auf die Präsenzprüfungen verzichten wollen, können sich ohne Angabe des Grunds bis zum Prüfungsbeginn abmelden und die Prüfung im kommenden Sommer nachschreiben. Somit sind die Präsenzprüfungen in diesem Winter nicht zwingend obligatorisch, auch wenn natürlich eine Pflichtprüfung früher oder später absolviert werden muss.

Das Schutzkonzept hat sich (fast) bewährt

Für die Studierenden, die ihre Prüfungen nicht «schieben» sondern tatsächlich absolvieren, gilt das Schutzkonzept der HSG, welches sich schon im Sommer bewiesen hat. Zwar hatten sich damals laut der Kommunikationsstelle der HSG sieben Prüfungsaufsichten mit Corona infiziert, es gab aber keinen einzigen bestätigten Fall eines Prüflings. Nichtdestotrotz wurde das Schutzkonzept weiter überarbeitet und verbessert. So gilt an den Prüfungen nun eine Maskenpflicht, es gibt keine Wartezonen mehr und die deutschen und englischen Assessmentprüfungen finden getrennt statt.

Es bleibt somit zu hoffen, dass das angepasste Schutzkonzept auch in diesem Winter funktionieren wird. Denn während sich im Sommer die täglichen Infektionen im zweistelligen Bereich befanden, liegen diese inzwischen wieder bei weit über tausend. Zudem ist auch nicht klar, ob das Schutzkonzept der mutierten Variante des Coronavirus standhält. Die Durchführung der Präsenzprüfungen ist somit aktuell mit einem deutlich höheren Infektionsrisiko verbunden als noch im Sommer.

Die HSG kennt dieses Risiko und nimmt es für die Durchführung der Prüfungen in Präsenz bewusst in Kauf. Die Studierenden schenken ihr jedoch bei dieser Entscheidung scheinbar das Vertrauen, was offensichtlich nicht jede Universität von sich behaupten kann.


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