Die berühmteste Ostschweizerin: Ohne Senf!

Keine andere Wurst polarisiert mehr als die Olma-Bratwurst. «Ohne Senf!», sagen die St. Galler, «Mit Senf!», schreien Grillfans aus den restlichen Teilen der Schweiz. prisma ist dem Geheimnis, warum es eine Schande wäre, sie mit Senf zu geniessen, auf den Grund gegangen.

In der St. Galler Metzgerei Schmid wird die Olma-Bratwurst täglich mit viel Handarbeit hergestellt – Guido Sonderer zeigt, welche Zutaten es braucht und welche Schritte nötig sind, bis die Bratwurst an der Fleischtheke zum Verkauf bereit liegt.

1. Das Brät

Grundlage für eine traditionelle Olma Bratwurst ist Kalbfleisch. 27 Kilogramm davon werden mit 16 Kilogramm Hals- und Nackenspeck, 20 Kilogramm Milch und 2 Kilogramm Gewürzen zu einer cremigen Masse verarbeitet. Damit das sogenannte Brät nicht scheidet, wird der Masse auch Eis beigemischt. «Ist die Temperatur zu hoch, ist die Wurst später nicht mehr geniessbar», sagt Guido Sonderer, der seit über 27 Jahren bei der Metzgerei Schmid für die Produktion der Olma-Bratwurst zuständig ist. Was ist so speziell an diesen Zutaten? «Es gibt kein Geheimrezept für unsere Bratwurst», sagt Sonderer. Die beigemischten Gewürze seien lediglich Kochsalz, Zwiebeln, Milchpulver, Pfeffer, Mazis (der Samenmantel der Muskatnuss) und Streuwürz. «Frisches Rohmaterial und sauberes Arbeiten sind das Geheimnis unserer Wurst», erklärt er. Rund 15 Minuten braucht die Maschine, um aus den obigen Zutaten 65 Kilogramm Masse herzustellen.

2. Das Stossen

Die Fleischmasse wird nun zur Portionierungsanlage gebracht – hier wird sie zur Wurst. Das braucht ganz schön viel Hydraulik und Technik – das Brät wird nämlich maschinell in die gewünschte Form gefüllt (Bild 5). Zuerst muss der Darm aufgespult werden. Diesen Vorgang kann man sich etwa so vorstellen, wie das Aufwickeln eines Fadens auf die Spule der Nähmaschine. Dann wird das Ende des Darmes geknotet und es kann losgehen: In unglaublichem Tempo spuckt die Maschine eine Bratwurst nach der anderen aus – zwei Mitarbeiter der Metzgerei Schmid sind voll darauf konzentriert, dass der Darm keine Löcher hat und binden das Ende des Darmes mit Faden zu, damit auch die letzte Wurst nicht auseinanderplatzt (Bild 6). Innerhalb von weiteren läppischen 15 Minuten sind die 65 Kilogramm Brät in 375 Olma Bratwürste «gestossen», wie es der Fachmann nennt.

3. Das Kochen

Es folgt der zeitaufwändigste Schritt der Bratwurstproduktion. Nun werden die Würste nämlich gekocht, und zwar bei exakt 74 °C für rund 40 Minuten. Durchatmen können Guido Sonderer und seine Arbeitskollegen jetzt aber nicht, es wartet nämlich schon die nächste Ladung Fleisch, die zu Brät verarbeitet und zu Würsten gestossen werden muss. «Wir beginnen um 4 Uhr morgens und verarbeiten je nach Wetter und Jahreszeit rund sechs Ladungen», sagt Sonderer. Das sind insgesamt 2’250 Olma-Bratwürste pro Tag.

4. Auskühlen und Verkauf

Nach dem Wasserbad sind die Würste schon fast bereit zum Verkauf. Sie werden zuvor aber noch während 30 Minuten im Kühlraum gelagert. Danach geht’s vom Keller die Treppe hoch in den Laden, wo die Bratwürste in den Einkaufstüten der Kunden und später auf dem Grill landen. Vor allem in den Sommermonaten ist der Absatz riesig. «Wir sind in der glücklichen Lage, sechs Mal pro Woche Bratwürste produzieren und den Kunden jeden Tag frische Produkte anbieten zu können», so Sonderer. Aus dem Brät stellt die Metzgerei Schmid nicht nur Olma-Bratwürste, sondern auch Kinderfest-Bratwürste oder Chippolata her.

Zeitraubend ist die Produktion der Olma-Bratwurst nicht. Und es stecken auch keine geheimen Zutaten in der Wurst. Warum also darf man die Wurst nicht mit Senf essen? Wer sieht, was in der Olma-Bratwurst steckt, weiss, dass es nicht mehr braucht als frisches, hochqualitatives Fleisch und exaktes Arbeiten – das schmeckt man eben nur ohne Senf.

Das St. Gallen-Label

Damit sich eine Bratwurst als St. Gallerin bezeichen darf, muss sie laut dem IGP Label vollständig in der Ostschweiz produziert werden und ausschliesslich aus Schweizer (oder Liechtensteiner) Fleisch bestehen. Beim Konsum der Ostschweizer Spezialität gilt: Ohne Einschneiden grillen und mit St. Galler Bürli, natürlich ohne Senf servieren. Wem das zu kompliziert ist, kann sich bei einem professionellen Bratwurst-Grillkurs für 90 Franken in die Kunst des Wurst-Wendens einführen lassen (www.sg-bratwurst.ch).

Die Geschichte der Bratwurst

1438 wurde ihre Existenz erstmals schriftlich in den Statuten der Metzgerzunft St. Gallen dokumentiert – 2008 wurde sie exklusiv geschützt: Die St. Galler Bratwurst. Die Zutaten Kalb- und Schweinefleisch, Gewürze und Milch haben sich in den 570 Jahren kaum verändert und auch heute unterscheiden sich die verschiedenen Ausprägungen der St. Galler Bratwurst in erster Linie in ihrer Grösse: Normalerweise wiegt eine Wurst zwischen 100 und 110 Gramm. Weil man an der Olma jedoch besonders viel Ausdauer braucht, bringt der essenzielle Messebestandteil rund 160 Gramm auf die Wage. Fast schon in Richtung «Familienbratwurst» geht mit 230 Gramm die Kinderfest-Bratwurst, die zum alle drei Jahre stattfindenden Traditionsanlass der St. Galler Stadt-Jugend gehört.


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