Der Spitzenmann der Panzertruppe

Was unsere Anzug tragenden Studenten wohl auf dem Feld so taugen?
Von persönlichen Erfahrungen, den Eigenheiten und Gemeinsamkeiten militärischer und ziviler Führungslehre erzählt Samuel Meier.

Infolge der Schweizer Dienstpflicht haben viele von uns bereits eigene Erfahrungen mit Führung und/oder Führungspersonen im Militärdienst gemacht. Zumindest haben wir alle verschiedenste Geschichten aus den «grünen Ferien» (Schweizerdeutsch für «Militärdienst») von Freunden vernommen, oder beteiligen uns am öffentlichen Diskurs rund um das Thema Militär, Führung und Kaderkarriere. Als Beitrag zu dieser Diskussion ist prisma mit Samuel Meier in Verbindung getreten. Als Masterstudent der Unternehmensführung im dritten Semester und Kompaniekommandant bei den Panzergrenadieren hat er tiefen Einblick in das Führen im militärischen Kontext und kennt gleichzeitig auch die zivile, universitäre Perspektive.
Mit seinen unterdessen über 650 Diensttagen trägt Samuel den Grad des Hauptmanns. «Ich bin aber kein wirklich hohes Tier im Militär. Nur, dass ich das vorausgeschickt habe», sagt er zu Beginn des Gesprächs. Da er als Kompaniekommandant dennoch Verantwortung und militärische Befehlsgewalt über mehr als 250 Personen innehat, muss man seinen Einwand nicht wirklich gelten lassen.

An der Befehlskette entlang

Auf seinem militärischen Werdegang hat Samuel bereits verschiedenste Dienststufen der Befehlskette durchlaufen und weiss diese zu differenzieren: «Bei der Führung einer Gruppe auf der untersten Stufe der militärischen Kaderpositionen arbeitet man direkt mit den Soldaten.» Hier gestaltet man innerhalb des von oben vorgegebenen Befehls und orientiert sich dabei an Konzepten wie dem «KKKK», einem sich stetig wiederholenden Zyklus von Kommandieren, Kontrollieren, Korrigieren und Konsequenzen ziehen. «Hier bestehen Gemeinsamkeiten mit der zivilen Führung im Bereich der Motivationslehre, wie man sie auch an der HSG in einigen HaKo-Kursen vermittelt bekommt», analysiert Samuel.
Auf seiner aktuellen Stufe als Kompaniekommandant geht das Ganze doch sehr unternehmerisch vonstatten, und Samuel macht weitere Gemeinsamkeiten zur zivilen Welt aus: «Zur Erbringung unserer Dienstleistung, dem zielgerichteten Funktionieren unserer Panzerverbände, sind einige Nebenprozesse vorausgesetzt.» Einerseits nennt er hier seinen kleinen Stab mit Fourier und Feldweibel, welchem er vorsteht, sowie den Kommandozug, welcher die nötigen Unterstützungsleistungen zur Aufrechterhaltung der Führungsfähigkeit sicherstellt; eine Art Service-Center innerhalb der Kompanie. Besonders die hochtechnisierten Gerätschaften wie Panzer und Telekommunikationsmittel, mit denen er und seine Untergebenen arbeiten, führen in Richtung einer arbeitsteiligen Expertengesellschaft, von der wir auch in unserem BWL-Studium ausgehen.

C’est le ton qui fait la musique

«Kommunikation und insbesondere Kommunikations-Architektur spielen in einem Gebilde von der Grösse eines mittleren KMUs eine entscheidende Rolle», erzählt Samuel und betont die daraus resultierenden Fragestellungen, welche auch die zivile Führungslehre zu beantworten sucht: Wie schaffe ich es ohne direkte Kommunikation mit der untersten Ebene über mehrere Zwischenstufen hinweg, ein funktionierendes Miteinander und gesetzte Ziele zu erreichen?
Natürlich gibt es auch ganz klare Unterschiede: «Die militärische Kommunikation ist viel direkter. Entscheidungsfindungsprozesse sind auf das fehlerfreie Funktionieren unter Zeitdruck und physischem Stress ausgelegt.» Der Faktor Zeit hindert ihn auch daran, Konzepte oder Methoden der zivilen Führungslehre im militärischen Kontext «auszuprobieren». «Das würde meist einfach zu lange dauern», urteilt Samuel. Steht im Studium hingegen wieder einmal eine Nachtschicht an, ist das für ihn kein so grosses Ding mehr. «Wenn man mal einen 100-Kilometer-Marsch wie in der Offiziersschule gemacht hat, oder nach einem 24-Stunden-Tag um drei Uhr nachts als Anwärter für den Posten des Kompaniekommandanten noch eine Präsentation vorbereiten und halten muss, ist man einiges gewöhnt.»

Auf lange Sicht

In der Diskussion um den zivilen Nutzen von militärischer Führungsausbildung bezieht Samuel eine klare Position: «Ich habe persönlich in Bewerbungsprozessen um Führungspositionen bei ganz unterschiedlichen Unternehmen positives Feedback zu meinem militärischen Erfahrungshintergrund genossen.» Dass oft eine völlige Unvereinbarkeit von militärischen und zivilen Führungsstilen vertreten wird, führt er auf tiefere, ideologische Gründe zurück. Er sieht das eher als Stellvertreterkrieg an. Eigentlich gehe es um die Diskussion der Sinnhaftigkeit des Schweizer Militärs und nicht um eine inhaltliche Auseinandersetzung. «Man sollte auch ein Mindestmass an persönlicher Erfahrung mit militärischer oder ziviler Führung mitbringen, um eine konstruktive Debatte darüber überhaupt zu ermöglichen», ergänzt Samuel. «Ich würde auch nie in die Reithalle gehen, um dort über das Thema militärische Führungserfahrung zu sprechen.»
Seinen weiteren militärischen Werdegang sieht Samuel langfristig noch recht offen und unbestimmt. «Als Hauptmann ist man sowieso bis zum 42. Lebensjahr dienstpflichtig.» Die nächsthöhere Position wäre an der Spitze eines Panzerbataillons, was er zumindest nicht ausschliesst. Die weitere Entwicklung der militärischen Führungsausbildung sieht er momentan eher in die falsche Richtung gehen: «Man richtet die Gestaltung der militärischen Führungsausbildung mehr und mehr an ihrem Nutzen für den zivilen Kontext aus und gibt so gleichzeitig ihre wertvollste Eigenschaft auf: die militärischen Eigenheiten und einzigartigen Erfahrungen, die man im Zivilen nicht bekommen kann.»

Bild zvg


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