Eine Reise in das Reich der Glitzer-Spezialisten

Schmuck ist als Massnahme zur Verschönerung nicht mehr wegzudenken. Doch wie entsteht so ein Juwel überhaupt? Wie so ein Juwel überhaupt entsteht, zeigt ein Blick hinter die Kulissen eines St. Galler Goldschmieds.

Es ist ein schöner Frühlingstag, an welchem die strahlende Sonne nur so nach dem Tragen einer Sonnenbrille schreit. Wir nähern uns den Schaufenstern des Goldschmieds Gut an der Marktgasse 7 und erblicken in der Auslage glitzernde Schmuckstücke in allen Formen und Grössen, die uns umgehend in ihren Bann ziehen. Es sind jedoch nicht die Schaufenster an sich, die uns hergelockt haben. Vielmehr ist es der Produktionsprozess, der hinter diesen Kunstwerken mit mehr oder weniger Glitzer steckt.

Beim Betreten der Werkstätte des Betriebs fällt sofort auf, dass es am Arbeitsplatz der Goldschmiede sehr hell und gut geheizt ist. Ausserdem versprüht der Raum einen nostalgischen Charme, welchem selbst der wenig romantische Monitor der Videoüberwachung keinen Abbruch tut. Obwohl die drei anwesenden Mitarbeiter – allesamt Brillenträger – sichtlich in ihre Arbeit vertieft sind, werden wir sofort freundlich begrüsst. Herr Janner ist seit 25 Jahren im Betrieb tätig. Der gutmütige, nicht allzu gross gewachsene Mann mit Schnauz weiht uns Schritt für Schritt in den Produktionsprozess ein.

Zeichnen ist Trumpf

Am Anfang eines jeden Schmuckstückes steht eine Disposition in Form einer Skizze zuhanden der Kundschaft. Anhand dieser sollen die Vorstellungen verlobter Paare oder älterer Damen verwirklicht werden. Beim Betrachten einiger Beispiele ist unschwer zu erkennen, dass für die bis zu dreistündige Arbeit exzellente zeichnerische Qualitäten eine unabdingbare Voraussetzung sind. Wird einem Entwurf vonseiten der Kundschaft das Vertrauen geschenkt und dem Kostenvoranschlag zugestimmt, der sich auf bis zu 30000 Franken belaufen kann, geht die Arbeit im Atelier richtig los.

Die konkret benötigten Materialien werden sogleich vorbereitet und zugeschnitten. Das wertvolle Blech aus Gold, Silber oder anderen Materialien wird dann vorsichtig in die richtige Form gebogen und gelötet. Neben dieser altbewährten Arbeitstechnik werden mittlerweile viele Massanfertigungen über ein ausgeklügeltes Wachsverfahren hergestellt. Zuerst wird dabei aus Wachs ein Modell des Objekts angefertigt. Dieses wird anschliessend in einem ausgelagerten Prozess mit Gips abgegossen. Als Nächstes wird der Gips erwärmt und das Wachs ausgeschmolzen. Daraufhin wird das Gold in den Gips eingefüllt – ein perfekter Abguss ist das Resultat.

Während wir den Ausführungen des passionierten Goldschmiedes lauschen, ist ein anderer Mitarbeiter mit der Grössenveränderung eines Rings beschäftigt. Dabei handelt es sich um eine Routinearbeit, bei welcher der Kreativität für einmal strikte Grenzen gesetzt sind.

Streben nach Perfektion

In einem nächsten Schritt werden die Fassungen für die Edelsteine vorbereitet. Für die perfekte Aufteilung der Brillanten wird alles exakt ausgemessen und schliesslich zu einem ansprechenden Bild angeordnet. Der Prozess des Fassens an sich wird extern ausgeführt. Der letzte Schritt vor dem abschliessenden Polieren hat das Montieren der Mechanik zur Aufgabe.

Auffällig sind die vielen, doch eher massiven Werkzeuge im Kontrast zur Feinheit des Schmucks. Wir erblicken aber auch unglaublich feines Werkzeug: Es befinden sich unzählige verschiedene Aufsätze und Komponenten für die Werkzeuge im Atelier, die gesamthaft die 1000er-Marke übersteigen. Lässt man seinen Blick über die einzelnen Arbeitsplätze schweifen, fällt

die Ähnlichkeit vieler Arbeitsgeräte mit jenen eines Zahnarztes auf. Für diese Feststellung erhalten wir sofort Zustimmung, auch die Arbeit an sich gleicht jener des Zahndoktors – mit dem grossen Vorteil, dass Gold und Brillanten nicht über unerträgliche Schmerzen klagen. Und sollte dem Goldschmied aus Versehen einmal ein Fehler unterlaufen, ist das nicht weiter tragisch, da ein Grossteil der Materialien kurzerhand wieder eingeschmolzen werden kann.

Dass ein Goldschmied schwarze Hände von seiner Arbeit bekommt, hat uns doch einigermassen überrascht. Das Geheimnis dieser dreckigen Hände liegt im finalen Arbeitsschritt verborgen: das edle Stück wird auf Hochglanz poliert. Dabei sorgt die Polierpaste für russfarbene Finger und Ringe, wie man sie ansonsten vom Automechaniker kennt.

Kein Ausgang

Goldschmiede sind «Vieleskönner»: Sämtliche Goldschmiede der Firma Gut sind imstande, jeden einzelnen Arbeitsschritt auszuführen. Dazu gehört auch der körperlich anstrengende Umgang mit den gewaltigen Ambossen. Auf einer Kreativitäts- skala würden die anwesenden Mitarbeiter ihrem Job acht von möglichen zehn Punkten verteilen. Pikant: Für einen Goldschmied ist Ausgang unter der Woche ein absolutes Tabu, da ansonsten eine ausreichend ruhige Hand am nachfolgenden Arbeitstag nicht gewährleistet ist. Übrigens wird für den Eigengebrauch relativ wenig hergestellt – im Wissen um die überaus aufwendige Arbeit.

Nach Abschluss des Rundgangs gelangen wir zu Janners Arbeitsplatz. Und siehe da: Auf seiner Arbeitsfläche befindet sich ein wahrhaftiger Spezialfall. Dabei handelt es sich um einen massiven Ring, der bezüglich Grösse und Gewicht das Allerhöchste der Gefühle darstellt. Es sind genau jene Aufgaben, die den Beruf des Goldschmieds ausmachen – nichts ist unmöglich. Schliesslich auf diejenige Anfertigung angesprochen, die den bodenständigen Goldschmied am meisten mit Stolz erfüllt, erhalten wir die doch eher überraschende Antwort: «Ein Zigarrenschneider aus Gold.»

Was beim Verlassen der Glitzer-Werkstätte bleibt, ist die grosse Bewunderung vor den vielschichtigen Qualitäten eines Goldschmiedes sowie eine erste Idee für zukünftige Hochzeitsringe.

Bilder Livia Eichenberger und Jan Albers


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