Gastbeitrag von: Tobias Geser und Florian Schmidt
Die Spreads der griechischen Bonds haben in der Vergangenheit übermässig stark ausgeschlagen. Gemäss Frankel (2011) aber nicht bereits, als die Nichterfüllung der Konvergenzkriterien durch Griechenland bekannt wurde, sondern erst als Ratingagenturen die Kreditwürdigkeit wiederholt nach unten korrigierten. Die hohe internationale Risikoaversion im Bondmarkt, gefolgt durch panische Reaktionen und Fehlinterpretationen von Informationen, verstärkten die Abwärtsspirale.
Informationen steuern den Bondmarkt
Die Teilnehmer am Markt der Staatsanleihen lassen sich in Nationen als Anbieter und Investoren als Nachfrager aufteilen. Das Marktgleichgewicht hängt vom Preis als auch dem Zinssatz der Anleihe ab. Die Zinssätze steigen mit dem Risiko einer Anleihe. Risikoeinschätzungen werden anhand von Informationen über die Kreditwürdigkeit eines Landes getätigt. Das Marktungleichgewicht, das sich beim griechischen Anleihenmarkt entwickelte, ist nach Frankel (2007) vor allem auf Asymmetrien und Falschinterpretation von Informationen zurückzuführen.
Gemäss Levich, Majnoni & Reinhart (2002) orientieren sich die Marktteilnehmer bei ihren Entscheidungen an Informationen, welche sie von Ratingagenturen und Banken erhalten. Durch die konzentrierte Bereitstellung der Informationen durch wenige Anbieter bilden sich Informationsmonopole und Reaktionen fallen sehr voreingenommen aus. Daraus resultierende Informationsasymmetrien rufen irrationales Handeln der Investoren hervor. Gemäss Attinasi, Checherita & Nickel (2010) äussert sich dies durch internationale Risikoaversion. Volz (2009) sieht die Konsequenz daraus im fehlenden Marktvertrauen und De Grauwe (2009) in panikgetriebenen Transaktionen.
Sichtbar wurde dieses Informationsmonopol der Ratingagenturen in der Griechenlandkrise. Sgherri & Zoli (2009) zeigen auf, dass die Herabstufung der griechischen Bonität im Gegensatz zu der ungleich früher bekannten Finanzlage des Landes für einen massiven Ausschlag der Spreads sorgte.
Auslöser: Fehlende Informationstransparenz
Die verzögerte Reaktion der Spreads wurde durch die Asymmetrien begünstigt. Bei Unsicherheit im Markt folgen viele Entscheidungsträger den Ratschlägen der wenigen Informationsbeschaffer. Am Beispiel der Subprime-Krise argumentieren Acharya, Richardson, Van Nieuwerburgh & White (2011), dass dies zu Panik am Markt und massiver Abwertung der Vermögenswerte führte. Durch solche Vorkommnisse verliessen sich viele Marktteilnehmer in der Euro-Krise nicht mehr blind auf die Informationen. Trotz offensichtlicher Indikatoren zum Handeln warteten sie auf die Reaktion des Finanzsektors. Hauptkalkül beim Kauf konservativer Anleihen ist das Risiko. Dieses wird neben Bonitätsbewertungen auch vom Kurs bzw. der Liquidität der Anleihe bestimmt. Trennen sich viele Anleger von ihren Anleihen drückt dies den Kurs, was zu höheren Spreads führt. Ausgebliebene Desinvestitionen verhinderten eine rasche Einpreisung des Risikos.
Trotz bekannter Risiken über Länderbonds zeigte sich zwischen 2001 und 2002 eine Vereinheitlichung der Risikoaufschläge. In der folgenden Periode stabilisierten sich die Zinssätze auf einem niedrigen Niveau einiger, finanziell stabilen Euroteilnehmer. Gemäss Sgherri & Zoli (2009) wurden erst 2007 die Risiken von Ländern wie Griechenland mit einigen Jahren Verzögerung korrekt eingepreist.
Weiter sehen Sgherri & Zoli (2009) einen Grund für den selektiven Anstieg von Spreads bestimmter Staatsanleihen in der variablen Fungibilität der jeweiligen Bonds. So argumentieren Attinasi et al. (2010), dass Länder mit hoher Liquidität am Bondmarkt geringere Spreadanstiege verzeichneten als jene mit geringer Liquidität.
Als weiterer Auslöser kann die Thematik des Moral Hazard betrachtet werden. Die Argumentation führt hier von der These, dass Griechenland seit der Euro-Einführung im Haushalt schlechter wirtschaftete und auf eine Rettung durch EU und IWF spekulierte. Eine andere Möglichkeit ist, dass die Anleger die mögliche Rettung in ihr Anlagekalkül miteinbezogen hatten, wodurch sich eine Verzögerung entwickelte. Aufgrund fehlender empirischer Evidenz fokussiert das Paper vor allem auf obige Begründungen.
Marktgleichgewicht im Anleihenmarkt
Nach unserer Auffassung bezieht sich ein Gleichgewicht im Bondmarkt auf korrekte Risikobewertungen für Staatsanleihen und sich daraus ableitende Zinssätzen bzw. Spreads. Dies würde in rationalem Nachfrage- und Angebotsverhalten resultieren. Durch die korrekte Risikowahl jedes Teilnehmers blieben verzerrende Faktoren wie Panik etc. aus. Zu einer Verbesserung der Situation in Richtung eines Marktgleichgewichtes würden sich diverse Politikmassnahmen eignen.
Eine Einschränkung der Ratingagenturen würde das Ungleichgewicht der Informationen entspannen. Für Portes (2008) ist es offensichtlich, dass die Agenturen ihre Macht ausnutzen um daraus Profit zu schlagen anstatt die Marktteilnehmer effizient zu informieren. Durch eine objektive und zeitnahe Bereitstellung von Informationen könnten die Verzögerungen am Markt auf ein Minimum reduziert werden.
Eine langfristige Massnahme gegen Verzerrungen am Bondmarkt wäre die Integration der einzelnen Anleihenmärkte zu einem Gesamtmarkt. Die Voraussetzung für den Einsatz einer zentralen Kontrollstelle wäre ein lückenloser Informationsaustausch mit den Mitgliedsstaaten. Ein solches System wäre durch das Interesse der Staaten gesichert, nicht für die Schulden anderer Unionspartner aufzukommen. Dadurch würden Informationsasymmetrien verhindert und zeitliche Diskrepanzen in der korrekten Bewertung vermieden. Kalemli-Ozcan & Sørensen (2007) argumentieren, dass dadurch gleichzeitig auch das Vertrauen in die Anleihe stiege, da risikoreiche und risikoarme Staaten in einer korrekt gepreisten Anleihe kooperieren würden. Die Folge wäre ein stabilisierter Anleihenmarkt, dessen Spreads nicht so volatil reagieren könnten, wie es in der Vergangenheit der Fall war.
Fazit
Als Hauptursache der zeitlichen Verzögerung beim Ausschlag der Spreads griechischer Bonds sehen wir die entstandenen Informationsasymmetrien. Diese bildeten sich zwischen Investoren und Informanten. Die Gründe für die Entstehung sehen wir bei der einseitigen Informationsbereitstellung, der historisch bedingten hohen Risikoaversion und dem resultierenden irrationalen Handeln der Anleger. Als nachhaltige, zukunftsorientierte Lösung sollte demnach mehr Informationstransparenz angestrebt werden, um die Spreads schneller an die reale Marktsituation anzupassen.
Der folgende Text wurde im letzten Semester als Teil der Prüfungsleistung verfasst. Da der Text in Form eines Blogeintrags eingereicht werden sollte, wird dieser als Teile einer Reihe mit Artikeln aus dem gleichen Kurs in einem richtigen Blog veröffentlicht. Das im Artikel verwendete Wissen entspricht dem Stand von Oktober/November 2011. Die Autoren würden sich über eine angeregte Diskussion der Thematik freuen.
______________________________________________
MEHR DAZU
- Blog: (Ir)rationale Ignoranz
- Blog: Ein Votum gegen das Votum
- Blog: Ein Votum für das Votum