Kunst und die HSG: eine nicht ganz einfache Mischung. Die neueste Installation – eine präparierte Fliege – polarisiert, kostet uns allerdings keinen Rappen.
Fast wie ein UFO schwirrt das «Gerücht» aus dem letzten prisma an der Uni umher. Es geht um die Geschichte von Erika, der teuersten Fliege der Welt, die auf dem HSG-Campus begraben wird. Aber die ganze Geschichte von vorne.
Die ganze Geschichte
prisma kam kurz vor dem Redaktionsschluss der November-Ausgabe das Gerücht zu Ohren, die HSG würde in ein – wie es die Erschaffer, das Künstlerduo Frank und Patrik Riklin aus St. Gallen, selbst nennen – «absurd-kafkaeskes» Kunstwerk investieren: eine mausetote Fliege. Erika, so ihr Name, war die auserkorene Protagonistin des Projekts «Fliegen retten in Deppendorf» von Unternehmer und HSG-Alumnus Hans-Dietrich Reckhaus, Inhaber eines KMU, das sich auf Insektenbekämpfung spezialisiert hatte. Zu Anfang nur auf der Suche nach einer witzigen Werbeidee, landete Reckhaus durch die Kunstaktion bei der Überzeugung, Insekten zu retten statt zu töten – quasi vom Saulus zum Paulus der Entomologie. Er wird mit dem Aufbau von «Insect Respect» sein Geschäftsmodell ändern: Es werden Ausgleichsflächen für Insekten geschaffen und tausende Mücken vor dem sicheren Tod auf der Windschutzscheibe bewahrt.
Doch die Krönung ist Erika: Ausgewählt in einer Art Fliegen-Casting, durfte sie per Flugzeug um die Welt fliegen (mit eigenem Flugticket, versteht sich!) und in Luxussuiten übernachten. Nun wird die HSG zu ihrer letzten Ruhestätte: In Kürze wird Erikas lebloser Körper in einem Glas-Sarkophag in den Boden des Erdgeschosses im 01-Gebäude eingelassen.
Allen verwirrenden Anfragen aus dem Kreis der Leserschaft und allen entrüsteten Studenten, die ihre Steuergelder und Semestergebühren davonfliegen sehen, können – oder müssen – wir bestätigen: Die Geschichte stimmt. Und sie ist genial.
Zwei Fliegen auf einen Streich
Denn Erika ist die Symbiose von Kunst und der HSG: eine zugegebenermassen irrwitzige Idee von zwei St. Galler Konzeptkünstlern, die – ein ironischer Flügelschlag der Geschichte – die Söhne eines ehemaligen HSG-Rektors sind, gleichzeitig aber auch ein Symbol für einen Unternehmer, der sein Geschäftsmodell überdenkt und damit Märkte umkrempelt. «Wir haben in der Kunstkommission lange diskutiert und uns am Ende dazu entschlossen, das Geschenk von Herrn Reckhaus anzunehmen», so Yvette Sanchez, Professorin für Hispanische Kultur und Literatur und Präsidentin ebenjener Kommission, welche die zahlreichen Kunstwerke auf dem Campus organisiert und dafür Geld sammelt. Sanchez stellt klar, was nur die wenigsten wissen: «Die Kunst wird zu 100 Prozent von Privaten und Stiftungen finanziert.» Seit die HSG systematisch Kunst am Bau installieren lässt, flossen noch nie Studiengebühren oder Steuergelder in die Sammlung.
Das ambivalente Verhältnis zur Kunst
Im Falle von Erika bezahlt der Alumnus, der inzwischen zahlreiche Preise für seine wagemutige Idee erhalten hat, sogar die Installation. Die heftigen, teilweise gehässigen Reaktionen auf Erikas Geschichte lassen vermuten, dass Kunst leider von vielen nur als in Geldeinheiten zu messender Kostenfaktor gesehen wird. Das soll nicht heissen, dass man geschenkten Fliegen nicht ins Maul schauen soll – ganz im Gegenteil! Würde ein wenig breiter und lebendiger über Kunst und Wirtschaft diskutiert, wäre wohl beiden geholfen. Und Erika könnte getrost in Frieden ruhen.
Foto: Jelena Gernert/insect-respect.org