Dank Facebook, Twitter und Co. wussten wir wohl alle sehr früh am letzten Montag, dass Osama Bin Laden durch einen Eingriff eines US Navy SEAL Teams getötet wurde. Aus Präsident Obamas Rede vom Sonntag Abend lernten wir, dass dies “the most significant achievement to date in our nation’s effort to defeat al Qaeda” gewesen sei, und nicht nur das: “We can say to those families who have lost loved ones to al Qaeda’s terror: Justice has been done”. Wirklich?
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=zqAMkDstPiU[/youtube]Twitter gab bekannt, dass in der Zeit kurz vor und während Obamas Rede 4000 Tweets pro Sekunde verfasst wurden. Laut einer Umfrage der amerikanischen Website Mashable erfuhren 29.35 % der 22’060 Befragten über Twitter von Bin Ladens Tod, 20.29% über Facebook (TV: 17.57%). Diese relativ neue und geradezu infektiöse Art von Informationsübertragung bildet natürlich einen idealen Nährboden für verschiedene Meinungen, Einschätzungen, Verschwörungstheorien und euphorische Glorifizierungen der US-amerikanischen Anti-Terror-Bemühungen.
Auf der einen Seite des Meinungsspekturms stehen zum Beispiel die Menschen, welche sich am Abend der Obama-Rede vor dem Weissen Haus oder auf Plätzen und Strassen versammelt hatten, um mit Stars and Stripes und U-S-A-Rufen zu feiern. Laut Obama sei der Tod Bin Ladens ein “testament to the greatness of our country”. Doch was genau feiern die Amerikaner? Eine erfolgreich ausgeführte Militäraktion? Wenn man den Tod Bin Ladens als “Ergebnis” des Afghanistankrieges sieht, ist die Bezeichnung “erfolgreich” doch eher relativ. Mittels dieser statistischen Übersicht zum “arguably most expensive manhunt in history” kann man sich zu dieser Frage gern selbst ein Bild machen. Oder feiern die Leute Gerechtigkeit? Erfuhren durch den Tod Bin Ladens die Angehörigen der Opfer von 9/11 wirklich, wie Obama betonte, Gerechtigkeit und Genugtuung?
Ganz sicher jedenfalls waren die Ereignisse vom Sonntag Balsam für den amerikanischen Nationalstolz. Bemerkenswert an der vorherrschenden Stimmung ist aber auch, dass zwar viele Leute Angst vor möglichen terroristischen Vergeltungsschlägen haben – jedoch laut 20minuten online 5% der befragten Amerikaner daran glauben, dass mit dem Tod Bin Ladens dem Terrorismus ein Ende gesetzt worden sei. Angesichts der Tatsache, dass Bin Ladens Rolle im internationalen Terrorismus in den letzten vier oder fünf Jahren aufgrund seines “Exils” wohl eher von fragwürdiger Bedeutung war, ist es unrealistisch, anzunehmen, dass ein komplexes Phänomen wie der islamische Terrorismus dadurch beseitigt wird, indem man lediglich einen seiner Hauptfiguren tötet. Das Bild von der Hydra mit den doppelt nachwachsenden Köpfen erscheint da eher passend.
Es gibt aber auch das andere Extrem auf dem Meinungsspektrum: die Zweifler und die Verschwörungstheoretiker. Tatsächlich gibt es einige Ungereimtheiten in der US-Regierungs-Version der Ereignisse vom Sonntag. Wieso würde man, nachdem man 10 Jahre erfolglos nach Bin Laden gesucht hat, ihn im Geheimen erschiessen und dann seine sterblichen Überreste so schnell wie möglich ins Meer kippen? Weshalb werden weder Fotos noch Videos als Beweise veröffentlicht? Zwar gibt es öffentlich zugängliche, äusserst graphische Bilder der anderen Männer, die bei dem Eingriff getötet wurden – die Bilder von Bin Laden wurden von der US-Regierung aber als “zu schockierend, um sie zu veröffentlichen” eingestuft. HInzu kommt eine sehr inkonsistente und widersprüchliche Berichterstattung von offizieller Seite. Beispielsweise dank dieser Liste von widersprüchlichen Aussagen kann jeder online ein administrativ-kommunikatives Debakel beobachten. Inkonsistenzen wie die obigen heizen die üblichen Spekulationen natürlich nur noch mehr an.
Aber ganz abgesehen davon, ob Bin Laden nun wirklich letzten Sonntag erschossen wurde, ob er noch lebt, ob er eigentlich schon seit Langem tot ist, ob er -die ganz kreative Variante- in Wahrheit ein amerikanisches Konstrukt war, um den Krieg in Afghanistan zu rechtfertigen, ist letztlich viel weniger spannend, als die Frage, welche Folgen das Ereignis “Tod Osama Bin Ladens” und vor allem auch dessen Kommunikation, haben wird. Dabei fallen einem beispielsweise die innenpolitischen Auswirkungen auf die USA ein: die bis anhin eher mässigen Umfragewerte Obamas sind seit Sonntag in die Höhe geklettert. Laut einer Erhebung von CNN bezeichnen neuerdings 58% der Befragten Obama als “starke und entschlossene” Führungspersönlichkeit – dies sind 5 Prozentpunkte mehr als letzte Woche. Wird vielleicht Osama Obamas Wiederwahl in 2012 ermöglichen? Und was passiert jetzt mit dem US-Krieg in Afghanistan? Wie entwickelt sich die Beziehung USA-Pakistan-Afghanistan? Wie reagiert Al Qaeda?
Ob der Tod Bin Ladens nun tatsächlich so passierte, wie uns erzählt wird, oder ob er gestellt oder gar erlogen wurde: die möglichen Folgen werden so oder so eintreten, weshalb die Ereignisse vom Sonntag nicht zu unterschätzen sind.
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1 Comment
FrauHummel
http://alles-schallundrauch.blogspot.com/2011/05/sie-konnten-die-luge-nicht-mehr.html