Die USA bringen den Mann zur Strecke, dessen Kopf ihnen 25 Millionen USD wert gewesen ist, der 155 Monate auf der Most-Wanted-Liste des FBI verbracht hat – aber ein Foto davon soll die Welt nicht erreichen. Es ist nicht so, als hätte man versäumt, ein Bild des toten Osama Bin-Laden in Abodabat zu machen, nur wolle man nicht, dass dieses instrumentalisiert werde. Die Presseverantwortlichen des Weissen Hauses haben dafür gesorgt, dass ein anderes Bild zur Ikone des 2. Mai 2011 geworden ist: Das „Situation Room Photo“.
Pete Souza drückte angeblich genau in der Zeit auf den Auslöser, in der die Navy Seals Bin Laden aufspürten – und die Führungsriege der amerikanischen Aussen- und Sicherheitspolitik dies auf dem Bildschirm live verfolgte. Die Ausdrücke auf den Gesichtern der Anwesenden sind der einzige Spiegel, den man von den Ereignissen in Pakistan zu Gesicht bekommt – und mehr noch, für die Amerikaner ist das Bild ein Symbol für die Stärke der Supermacht.
Wenige Stunden nach der Veröffentlichung wurde das Foto zur meistgeklickten Aufnahme auf Flickr: Gerade eben haben die Klicks die 2,5-Millionen-Marke geknackt. Es gibt dabei verschiedene – und sehr amerikanische – Erklärungen für die Einzigartigkeit und Kraft dieses Bildes. Einerseits rücke Präsident Obama aufgrund seines unglaublich intensiven und starken Blickes automatisch in den Vordergrund. Ausserdem ist er die einzige Person, die sich kraftvoll nach vorn lehnt und sich dem Geschehen also auch physisch aktiv zuwendet. ( National Security Advisor Tom Donilon – stehend, der zweite von links – müsste von den Kommentatoren für seine passive Erscheinung eigentlich besonders schlechte Haltungsnoten bekommen.) CNN bemerkt ausserdem, dass Obama hier wie auf keinem anderen Bild und natürlich in keiner anderen Situation den Beschützer der gesamten Nation verkörpert. Und dass, obwohl der „Black Man“ mindestens zwei Jahrhunderte ein Feindbild und eine Schreckensvorstellung der amerikanischen Gesellschaft gewesen sei.
Viel Aufmerksamkeit wird auch Hillary Clinton und ihrer Pose auf dem Bild zuteil: Sie hält sich den Mund zu und starrt geschockt auf das, was dort links wohl zu sehen ist. Doch was sie man wirklich auf ihrem Gesicht lesen kann, das weiss sie wahrscheinlich nur ganz allein: Die Interpretationen reichen von purer Angst bis hin zu grösstmöglicher Abscheu vor dem Staatsfeind Nr. 1. Mrs. Clinton soll über das Foto ganz und gar nicht „amused“ gewesen sein, insbesondere weil ihr auch als eine von nur zwei Frauen in diesem Raum Schwäche oder weinerliche Emotionalität angedichtet wurde. Laut HSG-PRof Miriam Meckel auf SPON ganz verständlich: Man habe immer noch Reservationen gegenüber emotionalen Politikern und ein Ausdruck von Entsetzen könne schon eine Disqualifikation für den Stab des Präsidenten bedeuten. So beharrt Clinton seit der Veröffentlichung darauf, dass sie mit der Hand nur ihren Husten und keine andere gefühlsduselige Äusserung ersticken wollte.
Der orthodoxen jüdischen Hasidic-Zeitung aus Brooklyn war die politische Emanzipation der Frauen wohl generell ziemlich schnuppe: Clinton und die Anti-Terror-Direktorin Audrey Tomason wurden für die Print-Ausgabe des 3. Mai einfach aus dem Bild geschnitten. Auch weite Teile der Webcommunity haben sich nicht an das Manipulations-Verbot für dieses Foto gehalten und kurzerhand alle Köpfe zu Obamas, alle Anwesenden zu Superhelden oder Osama bin Laden wieder untot gemacht. Besonders gelungen sind auch die Parodien von DER britischen Hochzeit des Jahres: So ist der unsäglich grässliche Hut von Fergies Tochter Beatrix auch hier noch einmal ins Rampenlicht gerückt worden und karikiert den ganzen Wirbel um diese Ikone doch ganz herrlich.

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