Wenn sich alles, was in der internationalen Automobilbranche Rang und Namen hat, im September auf der Frankfurter IAA ein Stelldichein gibt, wird der Autobauer BMW zwei Fahrzeugstudien zeigen, die es in sich haben: Mit dem Elektroauto i3 und dem Hybrid-Sportwagen i8 möchten sich die Bayern an die Spitze der nachhaltigen Elektromobilität katapultieren.
Und eines ist sicher: Schon rein optisch fallen die beiden Konzeptstudien, die BMW kürzlich in einer Art Preview zur IAA der Weltöffentlichkeit präsentiert hat, aus dem Rahmen. Wie direkt aus der Zukunft hergebeamt stehen sie da, die beiden Karossen, an deren futuristischen Formen die BMW-Designer wohl einige ihrer Zukunftsträumereien ausleben durften. Mit dem aus Aluminium und ultraleichtem, kohlefaserverstärktem Kunststoff (CFK) gefertigten Kleinwagen i3 und dem aggressiv-flachen Sportler i8, der auch als Gefährt eines Science Fiction-Helden aus einem Hollywood-Streifen eine gute Figur abgeben würde, beweisen die Verantwortlichen in jedem Fall Mut. Denn das nicht nur optisch radikal-konsequente Konzept könnte prägend für eine neue Ära sein – oder grandios scheitern.
Die Kunden jedenfalls werden sich an das Aussehen dieser neuen Fahrzeuggeneration erst einmal gewöhnen müssen. Und zwar im Eiltempo. Schliesslich haben wir es nicht mit Gefährten zu tun, die weitsichtige bayerische Ingenieure für die Strassen im Jahr 2050 entworfen haben – und mit realitätsfernen Träumereien schon gar nicht. Im harten Kampf um eine Spitzenposition im Zukunftsmarkt der Elektroautos will BMW bereits ab 2013 mit dem serienreifen Stadtflitzer i3 auf Kundenfang gehen. Die neue Elektroauto-Familie, die unter BMWs neuer Submarke “BMW i” firmiert, ist ein wichtiges Projekt für die Münchner und soll neben einem kräftigen Schub für das innovative wie das grüne Image dabei helfen, die immer strengeren Auflagen für den CO2-Ausstoß in Europa und den USA zu erfüllen.
Dazu hat BMW weder Kosten noch Mühen gescheut. Das Ergebnis ist ein sogenanntes «Purpose Built Vehicle», ein rein elektrisch angetriebenes Stadtfahrzeug, das auch von der ersten Minute an ausschliesslich auf einen elektrischen Antriebsstrang ausgelegt war. Die hochinnovative Leichtbauweise macht die Vertreter der neuen i-Familie zudem im Vergleich zu den konventionellen Autos und den bekannten Hybrid-Fahrzeugen, die mittlerweile immer häufiger im Strassenbild zu sehen sind, zu Fliegengewichten: Mit 1’250 Kilogramm wiegt der BMW i3 trotz grösserer Abmessungen, ausreichend Platz für vier Erwachsene auf Einzelsitzen und dem verhältnismässig schweren elektrischen Antrieb inklusive Lithium-Ionen-Batteriepack kaum mehr als ein konventioneller MINI. Der umweltfreundliche Elektromotor leistet stattliche 170 PS. Die Höchstgeschwindigkeit freilich ist mit Blick auf die Reichweite, mit rund 130 bis 160 Kilometern noch immer überschaubar, elektronisch auf 150 km/h limitiert.
Erfüllt nun also ein Konzept vom Schlage eines BMW i3 die Mobilitätsanforderungen des Stadtmenschen von morgen? Geht es nach BMW, so fällt die Antwort hierauf selbstverständlich positiv aus. Im Alltag soll die Batterie des kleinen und wendigen Gefährts innerhalb von sechs Stunden an jeder gewöhnlichen Steckdose aufladbar sein, mit Hilfe eines stärkeren Anschlusses sind 80 Prozent Ladung bereits nach einer knappen Stunde realisierbar. Wenige Anzeigen und Bedienelemente auf der Armaturentafel sowie ein Wählrad zwischen den Vordersitzen machen die Bedienung einfach und intuitiv, Touchscreens und glänzend lackierte Oberflächen dürften die Generation iPod ansprechen. Mit an Bord sind außerdem zahlreiche Assistenzsysteme und Netzwerkanbindungen über das angedockte Smartphone.
In Bezug auf Absatzziele und den Verkaufspreis für die kostspieligen Neuentwicklungen lässt sich BMW noch nicht in die Karten schauen. Fest steht aber, dass Innovation auch in diesem Fall ihren Preis haben wird: Bedingt durch die hohen Entwicklungskosten und die teuren, in der Produktion bisher wenig erprobten Werkstoffe, wird der kleine i3 kaum unter 45’000 Euro zu haben sein. Für den Hybrid-Sportwagen i8 mit zusätzlichem Benzinmotor rechnet die Fachwelt gar locker mit einem Preis jenseits der 100’000er-Grenze.
Wer aber soll im Fall des i3 ein Auto kaufen, das so viel Geld kostet, dabei das Format eines Kleinwagens hat und nach rund 150 Kilometern nicht mehr fahrtüchtig ist, weil ihm der Saft ausgeht? BMW rechnet fest damit, dass die Ersten bald erkennen werden, dass Elektromobilität zumindest in den Metropolen dieser Welt keine Einschränkung, sondern einen Gewinn darstellt. Zudem sind bereits Pläne von Megacities wie Shanghai oder Los Angeles in Sicht, die mit Privilegien für Stromfahrzeuge oder sogar Verbotszonen für konventionelle Autos womöglich in naher Zukunft für weitere Kaufanreize sorgen werden. Und weil sich bei BMW nicht nur weitblickende Ingenieure tummeln, sondern auch kreative Vertriebler und rationale Strategen, greift man in München tief in den Werkzeugkasten der Managementlehre. Jedem HSG’ler, der sich bereits mit BWL-Fallstudien wie “Mobility” oder “MINI” auseinandersetzen durfte, müsste das Herz aufgehen: Weil angesichts der preislichen Hürde alternative Geschäftsmodelle hermüssen, wird der i3 wohl nicht nur verkauft. Unter anderem sind Leasing- und Carsharing-Modelle mit über Apps buchbaren Elektro-Stadtflitzern zu erwarten, genauso wie enge strategische Kooperationen mit der französischen PSA-Gruppe (Stichwort Skaleneffekte) und dem Carbon-Pionier SGL, eine Nutzung neuartiger Vertriebswege über das Internet, sowie eine mobile Truppe an Vertriebsleuten, die zu potenziellen Kunden mitsamt Auto nach Hause oder ins Büro kommt. Denn vom Prinzip, dass jedes Produkt des Hauses letztlich Geld in die Kassen spülen soll, rückt BMW auch beim ehrgeizigen “Project i” nicht ab.
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