Gastbeitrag von: Maximilian Schacker
Nehmen uns die Chinesen unsere Jobs weg? Klauen sie unsere Technologien und wollen sie die Weltherrschaft übernehmen? Derartige Fragen scheinen in den Köpfen vieler Europäer umherzuschwirren, wenn es um das Thema China geht. Beim Workshop des Zürcher ETH Professors Dr. Paul Schönsleben mit dem Titel „China – The actual world´s main production side“, der vergangenen Freitag im Rahmen der Emerge Konferenz stattfand, sorgte diese Thematik für hitzige Diskussionen und spannende Wortgefechte.
Fakt ist: Viele europäische Unternehmen verschieben mittlerweile nicht nur ihre Produktionsstätten gen Osten, weil sie dort billigere Arbeitskräfte und laxere Gesetze vorfinden – vielmehr transferieren sie nach und nach auch ihre Entwicklungsabteilungen und Forschungszentren in Länder wie China und Indien, weil die Universitäten dort viele kluge Köpfe und hochqualifizierte Ingenieure hervorbringen, die die westliche Konkurrenz nicht scheuen müssen. Während Europa in der Krise steckt, haben die Chinesen ihre Wirtschaft längst wieder auf Kurs gebracht und stehen, so Schönsleben, gemessen am industriellen Output sogar besser da als im Vorkrisenjahr 2007. Viele Europäer haben mit dieser Entwicklung scheinbar ein Problem und schmollen. Was erlauben sich diese Chinesen uns unsere Position als führende Industrieländer und Motor technologischer Innovation streitig zu machen? Wie können wir sie stoppen und unsere Marktanteile sichern?
Denkt man in diesen Dimensionen bewegt man sich auf einem schmalen Grat zwischen gesundem Streben nach Konkurrenzfähigkeit auf der einen, und Grössenwahn auf der anderen Seite. Das westliche Selbstverständnis die klügsten und besten Forscher und Entwickler zu haben, bietet viel kulturellen Brennstoff. „Warum seht ihr uns Chinesen immer als Feinde und als Gefahr? Wenn wir im freien Wettbewerb produktiver und ehrgeiziger sind, haben wir dann nicht das Recht unsere Wirtschaft voran zu bringen?“, fragt eine asiatisch stämmige Teilnehmerin in die Runde. Sofort kommt das „Ihr kopiert doch nur unsere Ideen“-Argument zurück. Professor Schönsleben bemüht sich die Wogen zu glätten und räumt ein, dass auch ein guter Teil des Schweizer Wohlstandes darin seinen Ursprung nahm, dass Basler Chemieunternehmen begannen, erfolgreiche Produktideen aus England und Frankreich zu imitieren. Ausserdem, so prognostiziert er, wird auch in China das Wachstum nicht ewig weiter gehen, irgendwann werden auch dort die Kosten steigen und den Boom dämpfen. Der Workshop endet versöhnlich, aber die Frage bleibt: Wird China demnächst das Sagen auf den Weltmärkten haben? Und vor allem: Wie gehen wir damit um, nur noch der Zweitbeste zu sein?
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