Parlamentswahlen: kein Facelifting für das neue Schweizer Parlament

Gross war die Aufregung um die Wahlen, tragischer hätten die Konsequenzen sein können. Die Schweizer haben nichts völlig neues eingekauft. Die Sicherheit des erforschten Universums hat einen gewissen Wert für die meisten unserer Landsleute. Jedoch sind einige aufgewacht und haben ein bisschen an die Zukunft gedacht.

Die 26.6 %, die SVP wählten, gehören dazu, nicht aber der Grossteil der Wähler, die nicht jedes Mal, wenn die SVP sich in eine Kampagne stürzt, d. h. jedes Mal, wenn einige Hitzköpfe dem Schweizer Volk die Gemüter mit drohenden Gefahren erhitzen wollen – einem Volk, das in seiner wohlhabenden Bourgeoisie ohne eingebildete Feinde bequem eingeschlafen ist – die ganze Geschichte abkauft. Die Arroganz der treibenden Kraft der Partei haben sie davon abgebracht (immerhin ist der Stimmenanteil um 2.4% gesunken). Zwar ist der Misserfolg der SVP nicht bedeutend genug, so dass man ihren Untergang endgültig voraussagen könnte, leider, aber man darf die Hoffnung behalten, dass sie sich mehr und mehr in die Richtung des aktiven „geschehen lassen“ der BDP wenden werden. In einem solchen Kontext, und das wird für die Bundesratswahlen entscheidend, sollte man sich für das kleinere Übel entscheiden.

Die neueste Partei dieser Wahl, die aus zwei uralten Parteien (FDP und Die Liberalen) gegründete FDP-Die Liberalen, hat mit ihrem für Grossunternehmen günstigen Parteiprogramm, das seit Anfang des Jahrhunderts nicht wesentlich weiter entwickelt wurde, eine der wichtigsten Problematik unserer Zeit nicht richtig verstanden. Es sollte für alle selbstverständlich sein, ist es aber für mindestens 15 % der Wähler nicht: Atomkraft ist gefährlich.

Den Initiatoren des Bewusstseins für die Gefahren der Atomkraft, nämlich den Grünen, hat Fukushima nicht wirklich geholfen. Höchstwahrscheinlich schien es den Wählern zu progressiv, einen sofortigen Ausstieg zu fordern und noch dazu eine nachhaltige Wirtschaft zu fördern. Zu konservativ für die Linken, zu sozial für die Rechten, die Grüne haben auf beiden Seiten verloren. Die Grün-Liberalen haben ihrerseits aber von den Verlusten der Grünen und der der FDP profitiert. Es wird nicht mehr ohne sie gerechnet, und Hand in Hand mit der BDP bringen sie etwas neues in die Politik – ein sehr unangenehmes Wort im Schweizer Jargon – nämlich eine neue Verteilung der Kräfte. Diese wird noch bald Wirbel verursachen: die Kandidatur von Evelyn Widmer-Schlumpf für den Bundesrat könnte wohl das Ende einer von dem schweizerischen politischen System typischen Erfindung ankündigen: die beliebte (d. h. seit mehr als 50 Jahre benutzt) Zauberformel. In den sechs nächsten Wochen wird unter der Bundeshauskuppel strategisch diskutiert und wir warten bis zum 14. Dezember, um zu wissen, welche Regeln im politischen Bern noch gelten.

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