Vor 12 Jahren traffen sich sieben begeisterte Musiker in einem Pub in Amerika und gründeten ein paar gemeinsame Bier und feuchtfröhliche Abende später die Band Flogging Molly. Es folgte ihr erstes Album, welches zeigte, dass Flogging Molly äusserst innovativ ist. Sie mischt nämlich irische Folksmusik und Punk-Musik. Wie das zusammenpassen soll? Mattew erklärt in unserem Interview vor einer Woche, dass die zwei Musikrichtungen allein schon aus musiktechnischen Gründen hervorragend zusammenpassen – sie sind beide rhythmisch schnell und reissen mit. Zudem spielt in beiden Richtungen die Hoffnung eine grosse Rolle. Irish Folk drückt Argwohn aus über bestehende Vorherrschaften und schildert die Hoffnung der Leute auf einen Wandel. Im Punk ist es kaum anders: Man kritisiert einen Drogenlieferant, der nicht liefern kann, regt sich über die Politik auf und fordert Anarichie oder besingt das politische System eines Landes und wie Gott die Queen retten soll. Im Endeffekt soll einfach alles anders sein und die Hoffnung stirbt auch beim Punk zuletzt.
Nachdem wir geklärt haben, wie also Punk und Irish Folk zusammenpassen, sollten wir uns wieder der Geschichte der Band zuwenden. Da waren die Sieben und rockten die Welt. Sie machen nun seit 12 Jahren zusammen Musik, produzieren neue Alben und touren durch die Welt. Doch woher die Ausdauer? Heutzutage ist die Lebensdauer einer Band zwischen zwei bis maximal fünf Jahren (wie immer bestätigt die Ausnahme die Regel), weshalb man sich fragt, was genau die Band zusammenhält. Wie Matthew im Interview erzählt, musste sich die Band ihr Ansehen ganz der alten Schule nach hart erkämpfen, indem sie zahlreiche Demotapes verschickten, in kleinen Bruchbuden ihre ersten Konzerte spielten um sich von Zeit zu Zeit einen Namen zu machen. Nun sei das anders, man ist von heute auf morgen ein Starlet und von morgen auf übermorgen Schnee von gestern. Das langzeitige Zusammenwirken liess eine feste freundschaftliche Bande zwischen den Bandmitgliedern entstehen, was auch eine wichtige Rolle in ihrer Bandgeschichte spielt.
Wir sind sicher alle der Ansicht, dass Flogging Molly Grosses geschafft hat und Grosses ist. Wie schon angedeutet hatte ich die Ehre mit Matthew ein Interview zu machen und anschliessend dem Konzert beizuwohnen. Ich war schon lange nicht mehr auf einem ihrer Konzert und staunte ganz schön als ich in Kontakt der Manier hiesiger Konzertgänge kam. Es war roh, leicht rüpelhaft und auf gewisse Weise etwas griesgrämig. Bei einem Indiekonzert zum Beispiel gelangt man mit einem Lächeln auf den Lippen ohne Probleme durch die Menge – beim Flogging Molly Konzert schaffte man es gerade so mit Ellenbogen, Fusstritten und Wutausbrüchen einen Meter vorwärts zu gelangen – ihr könnt euch also vorstellen, wie es bei einem 50 Meter langen Raum zu und her geht. Ich kam mir vor als wäre ich umgeben von Leuten mit rohem Piraten-Charme. Es schien mir so als hätte ich sogar ein „Harr-harr-harr“ gehört. Den ersten Piraten-Schock überwunden kam ich in den Genuss, Pogo vom feinsten zu erleben. Mein Pech: ich hatte keine Springerstiefel an, weshalb ich mir wüste Kriegsverletzungen zuzog – ich spüre meinen kleinen Zeh bis heute nicht. Wie ein Flummy hüpfte ich also von der einen Seite der Tanzfläche zur andern (oder besser: wurde herumgehüpft). Als ich unter der dritten wasserfallartigen Achselhöhle landete, entschied ich mich dann das Konzert von weiter hinten zu geniessen. Auch nicht schlecht. Man hatte Blick auf die Bühne, konnte bei den Liedern mitgrölen und musste nicht darauf achten im Wall of Death zwischen den Fronten zu geraten.
Während das Publikum bei einem Indiekonzert eher zurückgehalten gewesen wäre, schoss der Spassfaktor bei Flogging Molly ins unendliche. Jedes Lied konnte man auswendig (wenn nicht, tat man so also ob) und grölte mit. War es zu heiss, wurde das Shirt und im Einzelfall auch das Höschen ausgezogen. Was es da unten allerdings zu schwitzen gab, bleibt bis heute eine offene Frage. Ein guter inbrünstig ausgeführter Pogo ist also nicht zu verachten (merke: gutes Schuhwerk anziehen, sonst sterben die Zehen ab). Hat man sich an den Piraten-Charme gewöhnt und die Schmerzen mit einem Sandwich weggegessen oder mit einem Drink schummrig getrunken, wird man ein Spasserlebnis der anderen Art erfahren. Ich auf jeden Fall hatte mit meiner Begleitung einen riesen Spass und werde unter anderem meinen Kindern davon berichten, wenn ich ihnen erzähle, wie ich ihren Vater kennengelernt habe.
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