Wulff ist zurückgetreten

Das unwürdige Schauspiel hat ein Ende: Der deutsche Bundespräsident Christian Wulff ist heute Vormittag in Berlin zurückgetreten. Die Staatsanwaltschaft Hannover hatte zuvor die Aufhebung der Immunität des Staatsoberhauptes beantragt, um strafrechtliche Ermittlungen gegen ihn einzuleiten.   Grund war der Verdacht der Vorteilsnahme in seiner Zeit als Ministerpräsident von Niedersachsen. Damit wäre Wulff in den kommenden Monaten kaum mehr in der Lage gewesen, sein Amt, das in Deutschland rein repräsentativen Charakter besitzt, angemessen auszuführen.

Rückblick:

Die Affäre um Wulff nahm im Dezember 2011 zum ersten Mal Fahrt auf, nachdem sich die Hinweise verdichteten, dass Wulff in seiner Zeit als Ministerpräsident von Niedersachsen dem Landtag unvollständige Auskunft über Geschäftsbeziehungen zu einem Unternehmer gemacht hatte. Woche für Woche kamen seitdem neue Fälle ans Licht, die den Eindruck erweckten, Wulff habe jahrelang eine regelrechte Jagd auf Vergünstigungen aller Art betrieben: Hauskredit zu Sonderkonditionen, regelmässige Gratis-Urlaube, Geschenke.

Das deutsche Nachrichtenmagazin Der Spiegel bezeichnete Wulff in diesem Zusammenhang als „Rabattkönig“ der Republik und meinte, ein solches Staatsoberhaupt lebe verheerende Werte vor und sei in seinem Amt „unerträglich“. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung wies darauf hin, dass es höchst problematisch sei, wenn einfache Beamte Geschenke ablehnen müssen, während das Staatsoberhaupt in erheblichem Umfang bereichert worden sei. Dennoch hatte Wulff bis zuletzt betont, sich immer „rechtlich einwandfrei“ verhalten zu haben.

Zunehmend war auch seine Kommunikation in Zusammenhang mit den täglich sich erneuernden Vorwürfen kritisiert worden. Unter anderem hatte Wulff im Dezember 2011 versucht, den Chefredakteur der deutschen Bild-Zeitung unter Druck zu setzen und auf die Berichterstattung über ihn Einfluss zu nehmen.

Ausblick:

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel kündigte in einer Presseerklärung heute Vormittag an, man werde sich nun darum bemühen, einen parteiübergreifenden Kandidaten als Nachfolger zu finden. Zuvor hatte sie Wulff für seine „Verdienste“ gedankt und mitgeteilt, dass sie seinen Rücktritt „bedauere“.

Ob Wulff durch die bis zuletzt aufrecht erhaltene Weigerung, seine Rabattsucht als moralischen Fehler einzugestehen, dem öffentlichen Ansehen des Amtes, an das er sich bis heute festgeklammert hat, nicht erheblich geschadet hat, muss wohl jeder selbst beantworten.

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2 Comments

  • Peter

    Parallellen zwischen Fall Wulff und Fall Hildebrand:

    1. Beide Fälle kamen für die Medien gerade zur rechten Zeit: Euro-Krise bzw. Bankgeheimnis scheinen aus ihrer Sicht langsam ausgereizt. Die Medien brauchten diese sogenannte Skandale, um ihren Kunden wieder etwas “Interessantes” zu bieten.

    2. In beiden Fällen spielen ethische-moralische Komponenten eine zentrale Rolle. Beide Personen betonen, sich rechtlich korrekt verhalten zu haben. Dennoch sind sie zurückgetreten.

  • Tobias P

    Gute Übersicht. nteressant wäre auch ein Kommentar gewesen!

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