Auch du kriegst heute ein Foto Ernesto. Tolles Shooting.

Symbolbilder sind wunderbar, weil sie einfach sind. Kein Mensch muss, oder tut es jedenfalls, bei dem Kopieren eines Symbols wirklich kritisch denken, noch irgendetwas durchleuchten. Das Symbol wird angenommen, ja oder nein, blaue oder rote Pille, kleiner Neo. Gerade in der heutigen vernetzten Welt voller Interdependenzen und kollektiver Wirkungsmechanismen, Eigendynamiken und einer Farbpalette jenseits aller Vorstellungskraft tut so ein bisschen Schwarz-Weiß-, Ja-Nein-Denken verdammt gut. Unkompliziert ists. Protestbewegungen sind besonders anfällig für dieses Phänomen der kollektiven Gemütlichkeit. Denn dass Protest sich Bilder schafft ist in der Sache selbst begründet. Das Abstrakte will eingefangen werden. Ein Symbol wird zur Größe, gibt den vielfältigen Intentionen Ausdruck – reduziert, pragmatisch und vor allem vereinfacht. Es ist Fakt, dass ein Schild mit dem Slogan ,,Occupy Wall Street‘‘ hochzuhalten wesentlich bequemer ist als die weltweiten Finanzmärkte in ihrer perfiden Wechselbeziehungen zu verstehen. Immerhin hat man verstanden, dass etwas nicht stimmt. Reicht doch?

Doch ein Punkt wird hier vergessen! Denn wie üblich führen Pauschalisierungen zwangsweise zu Verwirrungen, ja zu grausamen Missverständnissen, die zu gern von der Gesellschaft sehenden Auges ignoriert werden. Aber nicht mit uns. Prisma fasst sich ein Herz und gibt einem dieser Opfer Raum. Seine Geschichte; eine Tragödie.

Jeder kennt sie, es ist die wohl berühmtesten Fotografie der Geschichte, “Guerrillero Heroico” in seiner PopArt Erscheinung. Die Fotografie ist ein Abbild des Ernesto “Che” Guevara, wie er mit ernster und nachdenklicher Miene voller Leidenschaft über die Massen starrt und zum Symbol des Widerstandes, zu einer Legende und eben zu jenem Sinnbild für Protest wurde. Die Wahrheit ist aber,  dass durch jenes Bild der Standpunkt des Glorifizierten tagtäglich zur Farce wird. Lasst mich erklären.

Ernesto “Che” Guevara war eine beeindruckende Person, ob nun gehasst oder geliebt sei jedem selbst überlassen. Die einen sehen in ihm einen Kämpfer für Unabhängigkeit und Freiheit, für andere ist er lediglich ein fanatischer, marxistischer Mörder. Alles eine Frage des Blickwinkels. Was jedoch wertfrei als Tatsache betrachtet werden kann, ist, dass er ohne Zweifel Paradebeispiel einer Kämpfernatur war. Voller Leidenschaft, Disziplin und Willenskraft. Jemand, der ohne Rücksicht auf sich (und andere, wie von Kritiker vorgeworfen) für seine Ideale einstand, schlussendlich aber scheiterte und dann den heldenhaften Märtyrertot starb. Stoff für einen verklärten Hollywoodfilm. Und somit eben auch Stoff, der unsere Emotionen anregt.

Was nach seinem Tod geschah, ist Geschichte. Die Errungenschaften, die hehren Ziele, alles Positive seines revolutionären Protestes, die Leidenschaft, die Stärke wurde ihm angedichtet, und in Form dieses einen Bildes praktisch konserviert, um jetzt, jederzeit, von jedem mit T-Shirts, Poster und Flaggen wiederbelebt zu werden. Und davon wird Gebrauch gemacht. Überall. Die Fotografie wurde Symbol. Doch dieses Symbol ist nicht Ausdruck seines Protestes, mehr ist es Popkultur, ist Stilikone. Das Tragen seines Gesichts ist das Auftragen einer schlichten Marke, man symbolisiert ein schwammiges Dagegensein, ein bisschen generellen Non-Konformismus. Man macht es sich einfach. In den seltensten Fällen hat das Tragen und Zeigen dieses Fotos mit der Radikalität des Dargestellten, seinen Kämpfen oder seinen marxistischen Zielen zu tun. Mit dem Original verglichen ist es irgendwie nur erschreckend brav.

Natürlich muss das keineswegs schlecht sein. Schwammiges Dagegensein ist sicher immer noch besser als bedingungslose Gehorsamkeit. Dies soll deshalb auch kein Gejammer sein, keine Zeigefingererhebende Belehrung, keine Verteidigung seines Andenkens oder gar der Aufruf, es im gefälligst gleich zu tun und richtige Guerillakriege zu führen, wie ein echter Mann, wenn man doch schon so dagegen ist. Es besteht kein Problem, das Bild erfüllt zweifelslos seine Funktion. Die Geschichte macht das Bild zu einer Marke. Vollkommen zurecht. Es gibt eigentlich keine Verlierer möchte man meinen. Außer vielleicht einen, den Wichtigsten. Was würde Ernesto “Che” Guevara wohl sagen, wenn er erführe, dass zwar sein Gesicht von Horden braver Demonstranten, stilbewusste Trendsetter und “echten” Revoluzzern benutzt wird, seine Ideale und Ziele aber, für die er in den Tod gegangen ist, ihm dorthin gefolgt sind? Armes Schwein.

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