Salmon Fishing in the Yemen

Zugegeben, der Titel dieses Buches liess keine Neugier in mir entflammen. Fischen erschien mir seit jeher ein Sport für alte, schweigsame Männer zu sein, die ihre Sonntage damit verbrachten, ihren trüben Gedanken nachzuhängen. Auch Fisch, am allerwenigsten Lachs, sagt mir als Speise besonders zu. Und Jemen? Zwar liess ich mich im Geografieunterricht am Gymnasium noch von den märchenhaften Städten, den einfachen Zelten und den wallenden Roben der verschiedenen Stämme inmitten von atemberaubenden Wüstenpanoramen faszinieren, doch mindestens seit heftige Unruhen die scheinbare Idylle aus 1001 Nacht erschüttern, musste ich Jemen und seine Hauptstadt Sana’a von meiner Liste der Wunschreisedestinationen streichen.

Wieso also sollte man dieses Buch lesen, wenn einen der Titel ähnlich wenig anspricht wie mich? Nebst den gut durchdachten, vielschichtigen Charakteren präsentiert sich der Roman in einer Mischform aus E-Mails, Briefen, Fliesstext, Aufzeichnungen aus Befragungen und Protokollen. Nüchterne Zwischenüberschriften führen durch die Höhen und Tiefen der verschiedenen Figuren und des politischen Systems des Vereinigten Königreichs.

Und hinter den unzähligen Details über den Lebenszyklus von Lachsen stecken verschiedene, tiefere Botschaften, die in einem derart leistungsorientierten Umfeld wie der HSG leicht vergessen gehen. Die Geschichte um den Fischexperten Dr. Alfred Jones, den Scheich Muhammed ibn Zaidi bani Tihama und seine Assistentin Harriet Chestwood-Talbot wirft mit viel britischem Humor ein ganz neues Licht auf altbekannte Maximen. Dass es schliesslich im Leben um mehr geht, als nur Zahlen und Fakten, dass der Weg das Ziel ist, und nicht der Erfolg allein. So tritt der Scheich, vertreten durch seine Assistentin, mit seiner Vision, Lachse nach Jemen zu bringen und Fischerei zum Volkssport zu machen, an das britische Umweltministerium heran. Doch Jones tut die Idee als Hirngespinst, als „wissenschaftlich unmöglich“ ab und weigert sich, auch nur eine Minute an dieses Vorhaben zu verschwenden. Doch der Scheich gibt nicht auf, und als die Entourage des Prime Ministers einen politischen Coup wittert, willigt Jones unter Androhung einer Kündigung in das Projekt ein.

Es ist faszinierend zu sehen, wie nicht nur verschiedene Kulturen und Denkweisen aufeinanderprallen, sondern auch die enorme Vielfalt an Motiven zur Erreichung ein und desselben Ziels: Dass der Lachs im Jemen stromaufwärts schwimmt. Während die einen nur an den nächsten Wahlsieg denken, lässt sich der Scheich von seinem Traum leiten, und versucht Dr. Jones den Glauben näherzubringen. Dass damit nicht per se der religiöse Glaube gemeint war, erkennt Jones erst, als er zum ersten Mal das leere Flussbett im Gebirge Jemens sieht.

“Then in a moment, in that vast space of rocks and sky and scorching sun, I understood that he had not meant religious faith, not exactly. He was not urging me to become a Muslim or to believe in one interpretation of God rather than another. He knew me for what I was, an old, cold, cautious scientist. That was what I was then. And he was simply pointing out to me the first step to take. The word he had used was faith, but what he meant was belief. The first step was simple: it was to believe in belief itself. I had just taken that step. At long last I understood.”

Torday gelingt mit seinem Roman eine Hommage an den Mut, das Unmögliche zu wagen und gegen den Strom zu schwimmen, versagen zu dürfen und dabei alles zu verlieren. Doch was ist alles? Eine Reputation? Ein Job? Geld? Liebe?

Bevor nun aber die Romantiker ins Schwärmen geraten und die „Realisten“ sich ein Tuch holen, um eine allfällige Schmalzlachen aufzuwischen: Der unkonventionelle Ausgang seiner Geschichte, von der Happy-End-Jünger wie ich zwar enttäuscht sein werden, berührt nachhaltig und regt zum Nachdenken an. Einmal mehr wird klar wie wenig die heutige Welt einer Schwarzweissfotografie ähnelt, und wie wenig Pathos doch letzten Endes nach all den grossen Reden in Büchern und Filmen im Leben eines jeden noch übrig bleibt. Der Roman eignet sich also gut als Ferienlektüre für all jene, die im Sumpf zwischen seichter Unterhaltung und philosophisch hochpotenten Wälzern noch nicht fündig wurden.

Und an alle Romantiker: Die Verfilmung die vor einiger Zeit im Kino anlief, beeindruckt nicht nur mit unglaublichen Landschaften. Das herbe literarische Ende wird ganz hollywoodkonform zu einem von Pathos triefenden, fulminanten Abschluss, dass den Kinobesucher in das altbekannte,  beseelt-romantische Nirvana befördert.

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