„Jeder führt eine Ehe mit seinem Spiegelbild“

Humor ist unabdingbarer Bestandteil jedes Studentenlebens und die Eitelkeit findet sich im Charakterportfolios der meisten Schauspieler. Folgerichtig spielt das St. Galler Studententheater dieses Semester „Komödie der Eitelkeiten“ von Literatur-Nobelpreisträger Elias Canetti. Die knapp 20-köpfige Crew hat das Stück, das 1934 entstanden ist, gemeinsam ausgewählt. „Wir gehen von den Menschen aus und suchen dann zusammen das Stück, nicht umgekehrt“, sagt Jürg Bühler, einer der Schauspieler.

Der Stein des Anstosses in Canettis Komödie ist die groteske Entscheidung eines Regimes, die Eitelkeit zu beseitigen und deshalb alle Spiegel, Fotos und Gläser unter Androhung der Todesstrafe zu verbieten. Der Rest entwickelt sich von selbst, und obschon der Titel etwas anderes impliziert, bleibt einem das Lachen allzu oft im Hals stecken. Zu tragisch ist die Dynamik der Massen und das Schicksal der Figuren, die einerseits der absoluten Macht verfallen und andererseits bizarre Wege suchen, um sich gegen den Zerfall des eigenen Bewusstseins zu wehren.

Geschrieben in der Zeit der totalen Normierung und inszeniert in einer (scheinbar?) hoch individualisierten Gesellschaft bietet das Drama die Gelegenheit, das Verhältnis von „ich“ und „wir“ zu reflektieren – vorausgesetzt, wir haben die Fähigkeit zur eigenen Wahrnehmung noch nicht verloren.

Die Premiere vom 13. Mai rückt näher und die Vorbereitungen sind in vollem Gang, als prisma das Team bei der ersten Hauptprobe besucht. Der Text sitzt zwar, zumindest bei den meisten, doch Theater ist weit mehr als Auswendiglernen: Kostüme auswählen, an Gesichtsausdrücken feilen, Lampenspots ausrichten, Requisiten organisieren und Positionen absprechen. „Einmal Licht aus der ersten Gasse vorne rechts. Und da muss noch mehr rot rein“, ruft Marc Mounier, der wild gestikuliert und die Schauspieler auf der Bühne souverän koordiniert, „es soll bedrohlich wirken“. So wird jede Szene einmal gestellt, bevor man überhaupt mit der eigentlichen Probe startet.

Danach stecken er und Julia Nielsen ihre Köpfe zusammen und beurteilen die aktuelle Aufstellung auf der Bühne. Julia ist Studentin an der Zürcher Hochschule der Künste und begleitet das Studententheater bei der aktuellen Inszenierung. „Es macht sehr viel Spass, mit dieser freien Theatergruppe zusammenzuarbeiten, auch wenn es nicht immer einfach ist.“ Sie hat nicht nur das Bühnenbild entwickelt und eine Operafolie im Wert von mehreren Zehntausend Franken organisiert, sondern auch Kostüme entwickelt, welche die Aussagen von „Komödie der Eitelkeiten“ unterstreichen sollen.

„Ein Theater braucht immer etwas Irritierendes“, erklärt sie. Die extravaganten Hüte im ersten Akt sind deshalb ebenso sorgfältig ausgesucht wie die konformen Kopftücher im zweiten Teil. Dieses und viele andere Stilmittel zeigen, wie überzeugend Marc und Julia den Figuren im Lauf des Stücks ihre Identität rauben und es gleichzeitig schaffen, der Aufführung eine unverwechselbare Note zu verleihen.

Aufgrund des bescheidenen Budgets ist das nur möglich, weil sich alle Beteiligten vor, auf und hinter der Bühne mit Hingabe und Engagement diesem Projekt widmen. Happiness muss eben doch nicht expensive sein!

Das Studententheater spielt vom 13. bis 15. Mai in der Grabenhalle. Tickets gibt es ab sofort unter www.studententheater.ch.

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