Im Rahmen der Investment Days an der HSG veranstaltete der Investment Club am Dienstagabend eine Paneldiskussion zum Thema „Werte in der Königsklasse – Wie gerecht ist die Finanzbranche?“. Der Titel der Veranstaltung konnte kaum vielversprechender sein; die Auswahl der Debattierenden liess auf einen spannenden Abend hoffen. So bestand die Runde aus Claus Döring, Chefredaktor der deutschen Börsen-Zeitung, Pascal Pernet, Head of Client Solutions bei LGT Capital Partners sowie HSG Alumni und Ulrich Thielemann, Direktor und Gründer des MeM, einer wirtschaftsethische Denkfabrik in Berlin. Ergänzt wurde die Runde durch Martin Kolmar, dem Inhaber des Lehrstuhls für angewandte Mikroökonomik an der Universität St.Gallen. Die Diskussionsrunde wurde moderiert von Michel Friedman, Moderator bei N24.
Friedman eröffnete die Diskussionsrunde sogleich mit einem Gedanken von Platon, wonach Gerechtigkeit immer eine Haltung sei und fragte die Teilnehmer nach ihrer Haltung gegenüber der Gerechtigkeit. Im Hinblick auf das Motto des Abends kam diese Frage nicht überraschend. Dennoch konnte keiner der geladenen Herren eine fassbare und befriedigende Antwort liefern. «Die Pflicht ist die Haltung der Gerechtigkeit», zitierte Thielemann Kant. Es gehe darum, dass man aus eigener Überzeugung das Richtige tue. Was aber dieses Richtige aus seiner Sicht bedeutet, liess er offen. Pernet hingegen argumentierte mit Chancengleichheit, die er in der meritokratischen Finanzbranche als gegeben sieht. Döring konterte darauf, dass Gerechtigkeit nicht jeder mit sich selber ausmachen könne, wie Pernets Antwort vermuten liess. Viel wichtiger sei es, zu definieren, woran man Gerechtigkeit messe und welche Massstäbe für Gerechtigkeit gelten.
Anschliessend schwenkte die Diskussion auf die Sinnhaftigkeit des Finanzmarktes und die Unvollkommenheiten, die zur Krise führten. Kolmar erklärte, die Aufgabe des Finanzmarktes besteht darin, Leute mit Ideen aber ohne Geld mit Investoren, zusammenzuführen, wodurch ökonomischer Nutzen entsteht. Als Ursachen für die Krise nannte Kolmar die zunehmende Arbeitsteilung, die dazu führte, dass Anbieter ihre Produkte nicht mehr ausreichend verstanden. Dies eröffnete Managern Handlungsspielräume, ihre Eigeninteressen durchzusetzen. Thielemann beschwichtigte, es handle sich um eine Überakkumulationskrise: Das Verhältnis von Kapital zum realen BIP habe sich verdreifacht, wobei solche Bestände realwirtschaftlich nicht mehr bedienbar seien. Döring war zudem der Ansicht, dass falsche Anreizstrukturen und die Wertesysteme einzelner Akteure wesentlich zur Krise beigetragen haben. Thielemann stimmte dem zu, zumal es Statuswettbewerbe unter den Topverdienern gewesen seien, die zu den astronomischen Vergütungen führten.
Was aber muss getan werden, um solche Krisen zukünftig zu verhindern? Die Diskussion schien endlich zum Wesentlichen vorzudringen, nämlich auf konkrete Werte und mehr Gerechtigkeit in der Finanzbranche. Leider wurde gerade hier der Dialog besonders assoziativ und schwammig. Es wurde darüber gestritten, inwiefern das Problem eine öffentliche oder eine private Angelegenheit sei. Immer wieder wurde von der Eigenverantwortlichkeit des Einzelnen gesprochen. Jeder habe zu jeder Zeit die Möglichkeit, nein zu sagen und aus Geschäften auszusteigen, betonte Pernet. Gemäss Döring müsse vor allem mehr Transparenz über Anreizstrukturen und Vergütungen geschaffen werden, damit die soziale Kontrolle besser greife. Die öffentliche Anprangerung von skandalösen Fällen sei in der Regel erfolgsversprechender als staatliche Regulierung, behauptete der Journalist.
Es blieb unklar, weshalb es zu einem negativen Wertewandel gekommen war oder wie sich selbiger rückgängig machen liesse. Es wurde unscharf argumentiert, so war einerseits von Private Equity die Rede, kurz darauf von Hedgefonds und wenig später wieder allgemeiner von der Finanzbranche. Aufgrund der mangelnden Klarheit und unzureichender Moderation war bald nicht mehr klar, wohin sich das Gespräch entwickelte. Die Studenten im Publikums wurden mehrere Male dazu angehalten, nicht nur das Geld als Motivationsfaktor anzusehen. So gut diese Ratschläge auch klingen mochten, hatten sie einen scheinheiligen Charakter, weil die Herren es letztendlich verpassten bei konkreten Wertesystemen in die Tiefe zu gehen.
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