Nachdem ich über einen Monat nur in der Grossstadt Buenos Aires verbracht hatte, packte mich langsam aber sicher die Reiselust. Schliesslich handelt es sich bei Argentinien um das flächenmässig achtgrösste Land der Erde und dadurch, dass es sich vom südlichen 55° Breitengrad bis zum 22° erstreckt, gibt es im Land Gletscher, Wüsten und Subtropen zugleich, allerhand zu entdecken also!
Iguazú
Die weltbekannten Wasserfälle von Iguazú werden in jedem Reiseführer als absolutes “Must” angepriesen. Dass eine Studentenorganisation Ende August eine günstig erscheinende Reise dorthin anbot, erwies sich als glücklichen Zufall. Zwar bin ich eigentlich überhaupt kein Fan von geführten Gruppenreisen, doch schien es mir eine gute Gelegenheit viele andere Austauschstudenten kennen zu lernen. Nicht bloss ich dachte so: Am Ende waren wir über 180 Studenten aus aller Welt, welche die 20-stündige Carreise Richtung argentinisch-brasilianische Grenze auf sich nahmen. Durch die allgemein herrschende Euphorie kam auf der Hinreise bereits ordentlich Stimmung auf und in den ersten Stunden Fahrt standen alle und liefen im Bus umher, um alle Leute kennen zu lernen (in der Schweiz wäre dies wohl aufgrund strikt durchgeführter Sicherheitsvorschriften unvorstellbar).
Nach einer Nacht mit nicht allzu viel Schlaf im Car, begann sich die Landschaft um uns herum drastisch zu verändern. Immer mehr Palmen tauchten auf und die Erde schien mit jedem Kilometer röter zu werden. Auch das Klima war logischerweise ein anderes: Statt kühlen 10 Grad wie im bewölkten Buenos Aires, erwarteten uns warme 28 und ein blauer Himmel. Nach einem kurzen Abstecher in die Ruinen einer Jesuiten-Mission, erreichten wir dann 24 Stunden nach der Abfahrt endlich Puerto de Iguazú.
Am nächsten Tag sahen wir dann ein “Maravilla del mundo” (dt. Weltwunder), die “Cataratas de Iguazú” (dt. Wasserfälle von Iguazú). Es war wahnsinnig beeindruckend wie die Millionen von Hektoliter Wasser die Kliffs herunterpreschten und sich durch den Dampf und die Sonne herrliche Regenbögen bildeten. Was mir besonders gefiel, waren aber nicht nur die Wasserfälle an sich, sondern allgemein die Natur um sie herum. Ich bekam richtig Lust, einmal in den “richtigen” Urwald zu reisen.
Was mich wirklich störte, war der enorme Touristenauflauf rund um die Wasserfälle. Klar, jeder will das Naturereignis sehen und die nicht allzu reiche Region will daraus verständlicherweise wirtschaftlichen Profit schlagen. Doch dadurch verlieren die Wasserfälle auch etwas an Reiz und es kam mir manchmal so vor als wäre der Ausflug ein “Abhaken” eines Punktes im Reiseführer. Vor 100 Jahren musste es noch eine ganz andere Erfahrung gewesen sein, vor den unberührten Wasserfällen zu stehen.
Noch so am Rande: Wir hatten auf unserer Reise den mit Abstand schlechtesten Guide, den man sich vorstellen konnte. Mehr als “Es increíble, este lugar!” (dt. Dieser Ort ist unglaublich) oder “Es unico en el mundo!” (dt. Es ist einzigartig in der Welt) brachte er nicht über die Lippen. Keinen einzigen interessanten Fact über die Wassermasse der Wasserfälle, deren Höhe oder die Selbstmordrate am Ort wusste der nette Carlito (so hiess er) zu berichten. Zudem muss man sagen, dass die Reise am Ende nicht gerade billig war. Zum anfänglich angepriesenen “todo includo” kamen unzählige Nebenkosten wie Parkeintritte und Mahlzeiten hinzu.
Rosario
An meiner Universität gibt es auch den Studiengang Tourismus. Praxisorientiert müssen die Tourismus-Studenten eigene Reisen organisieren und so gibt es über das ganze Semester verteilt günstige Reisen in praktisch alle Regionen von Argentinien – getreu dem Motto “Für Studenten von Studenten”.
Gleich zwei Wochen nach Iguazú nahm ich an einer ebensolchen Reise nach Rosario teil – der zweitgrössten Stadt im Lande. Zu meinem Erfreuen war ich der einzige Ausländer auf der Reise und verbrachte somit ein Wochenende lang nur mit Einheimischen, was mir neben einigen neuen vulgären argentinischen Ausdrücken in meinem Wortschatz auch neue Einblicke in die Lebensweise und Ansichten der Einheimischen gab.
So ist es für Argentinier selbstverständlich die Professorinnen, die zur Benotung der Reise mitfuhren, zur Begrüssung auf die Wange zu küssen. Ebenso selbstverständlich ist, dass die eine Dozentin zum Cumbia (kolumbianischer Volkstanz, der in Argentinien ziemlich verbreitet ist), der im Car auf der Hinreise lief, zu tanzen begann. Zentraleuropa erscheint im Vergleich dazu geradezu steif.
Rosario, die Geburtsstädte von Messi, ist vor allem bekannt für das Monument der Nationalflagge. Von diesem hat man einen herrlichen Ausblick auf die Stadt und den angrenzenden Rio Paraná. Am zweiten Tag überquerten wir den Fluss mit einem Boot um auf die Isla Charigüé zu gelangen. Es war eindrücklich zu sehen, wie nahe an einer Millionenstadt die ruhige Natur sein kann.
Es waren zwei schöne Ausflüge, auf denen ich haufenweise nette Leute kennengelernt habe. Doch geführte Reisen bringen klare Nachteile mit sich, da man auf alle Rücksicht nehmen muss und nicht allzu flexibel ist. Deshalb freue ich mich um so mehr auf unsere nächste Reise, welche wir (alles Austauschstudenten) selber organisieren. Schon in dieser Woche fahren wir nämlich zu neunt mit zwei Mietautos für ein verlängertes Wochenende in die Region Cordoba!