Mit dem neuen HSG-Film verhält es sich ungefähr wie mit der fabelhaften Welt der Amélie, die Gartenzwerge verschickt, Fotos von Fremden sammelt und Orgasmen zählt: ganz hübsch, nett, etwas verrückt, aber letztendlich belanglos. Fabelhaft eben. Eine Kritik.
Wie packt man 116 Jahre Uni-Geschichte, den unverkennbaren und vielbeschworenen HSG-Geist und Tausende von ganz persönlichen Geschichten mit ihren Hochs und Tiefs in einen Imagefilm von knapp fünf Minuten Länge? Zugegeben, ein schwieriges Unterfangen. „Speziell sein – wie die HSG“, das war gemäss Verwaltungsdirektor Markus Brönnimann das Ziel des Projekts. Obwohl seine Worte zwischen dem lauten Geschnatter der gespannten Zuschauer und dem geballten Grau des Foyers bei der gestrigen Premiere des Films verhallen: Ziel erfüllt.
Das Speziellste, was die Verantwortlichen während mehr als einem Jahr Planungs- und Dreharbeiten finden konnten, war offensichtlich eine Liebesgeschichte, wie sie an der HSG in der Tat schwer vorstellbar ist. Anna und Alex begegnen sich im Audimax, lauschen Tomczak, Meckel & Co., lächeln, schwimmen im Buebenweiher, segeln, küssen sich und küssen sich noch einmal. Doch dann ziehen sie in die grosse weite Welt hinaus, verlieren sich aus den Augen, versinken in Kummer – bis sie sich eines Tages im Schoss ihrer alma mater wieder begegnen. Das alles geschieht vor dem Hintergrund eines zuckersüssen Chanson. Die typische HSG-Reaktion: Viel zu viel Romantik. Gerade weil man uns doch beibringt, dass wir – als Highperformer und Overachiever – uns möglichst effizient darauf vorbereiten sollten, effizient zu sein.
Umso mehr Zeit wurde dafür in die Herstellung des Image-Films gesteckt: Aufwändig wird die Geschichte von Anna und Alex erzählt, keine Mühe gescheut – sogar der Dreh in Singapur durfte nicht fehlen, um die internationalen Ambitionen der Universität zu unterstreichen. Die Bilder sind stark und ihr Schnitt perfekt, die Liebe zum Detail ist verblüffend (Man achte bitte auf den rollenden Schreiber in 3:21.) und die schauspielerische Leistung (die zum grössten Teil aus Küssen besteht) herzzerreissend.
Obwohl wir jedem so eine unbeschwerte Geschichte wie jene der beiden Turteltauben wünschten: Sie ist vermutlich an keinem Ort der Welt unwahrscheinlicher als dort, wo sie gedreht wurde. Auch mit viel gutem Willen ist es schwer vorstellbar, dass ein HSGler (oder eine HSGlerin) jemand anderen mit einem Marienkäfer aus feinster Milchschokolade unter den schweren Büchern überrascht. Zwar tragen wir (oder einige von uns) durchaus Pullis, auf denen mit Stolz die Letter unserer Universität prangern und die ein oder andere (Kopfschmerz-)Tablette wurde tatsächlich schon gebraucht. Doch der Sinn für Romantik – so macht es den Eindruck – kommt uns zwischen Bilanzpositionen, Regressionen und Bundesgerichtsentscheiden völlig abhanden. Dann wären Anna und Alex ein Plädoyer für ein bisschen mehr Farbe, für ein Quäntchen mehr Leidenschaft, und dafür, dass man cool ist, wenn man einen Esel mit zur Prüfung nimmt (Man vergleiche Minute 2:22.).
Und so ist der HSG-Film und seine Entstehungsgeschichte vielleicht doch keine ganz so unrepräsentative Episode für drei (oder vier, fünf, sechs oder wieviel auch immer) Jahre HSG: Wir lauschen Tomczak, Meckel & Co., lächeln uns durch, schwimmen in Arbeit, segeln durch Prüfungen. Wir verlieren vor lauter Modellen die grosse weite Welt aus den Augen und bewältigen den Kummer, indem wir uns gegenseitig um uns kümmern. Wir investieren viel Zeit und Geld in ein Projekt und lernen daraus: Am Ende zählt nur das Image. Fabelhaft.
2 Comments
J
@DNB ich halte das für ein Gerücht. Ich würde gerne eine ernsthafte Befragung sehen wie viele Frauen wirklich hier sind um einen Mann zu “fangen”. Und wie kommst du darauf, dass sie ihn fängt und nicht umgekehrt? Schlussendlich verdienen Frauen nach der Ausbildung gleich gut. Der Film ist kitschig klar, aber du machst ihn mit deinem Kommentar noch sexistisch. Mir gefällt dieses Image der Uni um Längen besser als der HSG-Song oder andere Klischees die es von der Uni gibt – wie viel Wahrheit darin steckt sei nun daneben gestellt.
DNB
Fabelhaft kitschig. Ich frage mich nur, ob man den Frauen, die aufgrund Männerfang hier her kommen noch einen Vorwurf machen kann, dies gehört jetzt ja wohl zum offiziell Anerkannten.