Das preisgekrönte Werk der Fotografin Ester Vonplon zeigt eine Roma-Familie in den Wirren des Kosovokrieges. Damit gewann sie nun den renomiertesten Fotopreis der Schweiz.
Dass die Aufnahmen aus einem Nachkriegsgebiet stammen, sieht man bei den wenigsten von Esters Bildern auf den ersten Blick. In der Sammlung findet man zwar auch Aufnahmen von zerbombten Häusern oder eben – einem Panzer. Hauptsächlich stehen jedoch Kinder im Mittelpunkt. Man sieht sie im Alltag; lachend, spielend. Manchmal blicken sie ernst in die Kamera. Die Bilder zeigen die Armut in der die Roma leben, aber auch ihre glücklichen Momente. Sie vermochten die Jury mit ihrer «Unmittelbarkeit, radikalen Komposition und einzigartigen Atmosphäre» zu überzeugen. Dass sie technische Mängel haben ist dabei – wie alles in der Kunst – überhaupt nicht zufällig. Die Künstlerin will damit «die Brüchigkeit der Welt zeigen, in der diese Kinder leben».
Szenen aus einem Dorf
Bis sie 2009 den Preis als Schweizer Fotografin des Jahres entgegennehmen durfte, reiste Ester während acht Jahren wiederholt in den Balkan. Auf einer dieser Reisen, im Kosovo, bot man ihr an, in einem Jugendzentrum der geteilten Kleinstadt Orhavac einen Foto-Workshop für Kinder zu leiten: «So fing alles an.» Ester wurde mit den Schwierigkeiten zwischen den albanischen und serbischen Kindern konfrontiert, erlebte aber auch wie sich die ethnischen Spannungen unter den jungen Menschen langsam lösten. Dort schloss sie selbst Freundschaft mit einer Roma-Familie, die im dörflichen, serbischen Stadtteil Rahovec leben. Sie wurden zum Sujet ihrer Fotografien und auf kreative Weise aktiv in die Arbeit eingebunden: Sie schenkte ihnen einen Fotoapparat.
Aus all diesen Eindrücken und Erfahrungen ist das vielseitige Werk «Wenn das Wetter nicht mehr kaputt ist, werden wir spazieren gehen» entstanden. Dieser Satz stammt von einem kleinen Roma-Jungen namens Ani, der ihn zu Ester einmal in Frageform sagte. Die Fotoserie besteht aus drei Teilen. Zum einen aus den selbst geschossenen Bildern der Roma, zum anderen aus Esters Schwarzweiss-Aufnahmen die Porträts der Familie sowie «Szenen aus einem Dorf» zeigen; einem Dorf, dessen Bewohner unter UNO-Militäraufsicht stehen. Schliesslich Polaroids, die Ester eigentlich für sich selbst schoss, als «Erinnerung oder eine Art Tagebuch».
Interesse für diejenigen, die vergessen gehen
Auch nach der Unabhängigkeit des Kosovo hätte sich die Situation der Roma nicht verbessert, sagt Ester. Mit ihrer Arbeit möchte sie darauf aufmerksam machen. «Schon seit langem interessiere ich mich für diejenigen, die vergessen gehen in unserer Gesellschaft. Durch meine Arbeit will ich das Leben dieser Menschen kennen lernen und damit auch den Nachweis ihrer Existenz erbringen.»
Die Fotografien der gebürtigen Bündnerin kann man vom 19. Juni bis zum 12. September 2010 im Bündner Kunstmuseum in Chur in der Ausstellung «Albert Steiners Erben» sehen. Die Online-Zeitschrift «The private life of the public intellectual» rät: «You won’t want to miss this chance to see something usually unseen».Eine Auswahl der Polaroids ist im Mittelteil von prisma abgedruckt.
Ester ist 29 Jahre alt und lebt in Berlin. Sie wird von der Galerie Walter Keller in Zürich vertreten. Weitere Informationen sind unter www.estervonplon.com zu finden.