Profs Privat: Marianne Hilf

«Ein Blick ins Buch und zwei ins Leben»

An einem regnerischen Dezembermorgen besuchen wir Marianne Johanna Hilf in ihrer Wohnung am Rosenberg in St. Gallen. Wir stehen vor einem weissen Haus, in welchem sich – zur Talseite hingewandt – die hübsche Wohnung inmitten eines malerischen Gartens befindet. Die kleine, aber feine Wohnung liegt etwas versteckt hinter einem hohen Zaun, hinter dem man den Weg durch den japanisch gestalteten Teil des Gartens zur Eingangstür findet. Als Erstes fallen die grossen Fenster der Wohnung auf, so dass man sich so fühlt, als sässe man direkt im Garten, und genau das mag Frau Hilf so besonders. Dass ihr Heim nur 15 Minuten von der Universität entfernt ist, ist ein weiterer Vorteil.

Eine lachende Mandarine im Obstkorb

Wir werden sehr gastfreundlich begrüsst, mit Latte Macchiato und steirischem Nussbrot. Auf einer der Mandarinen im Früchteteller finden wir sogar ein aufgemaltes Smiley. Man ahnt, Frau Hilf ist ein fröhlicher Mensch. Marianne Hilf wurde 1966 – da darf man den Jahrgang noch erwähnen – in Graz (Österreich) geboren und ist das einzige Kind ihrer Eltern. Ihr Vater war vor seiner Pensionierung langjähriger Strafrichter am Landesgericht für Strafsachen Graz. Auch ihre Mutter studierte Rechtswissenschaften und absolvierte anschliessend ihr Gerichtspraktikum am Grazer Straflandesgericht, wo sich die beiden kennen lernten. Frau Hilfs Eltern liessen ihrer Tochter in beruflicher Hinsicht alle Freiheiten. «Nur eines wollten meine Eltern nicht: dass ich Strafrichterin werde!», meint Marianne Hilf lachend.

Nach der Matura studierte Hilf Rechtswissenschaften in Graz; 1990 schloss sie ihr Studium ab. Noch während ihres Studiums nahm sie eine Assistentenstelle an der Universität Graz an und schrieb ihre Dissertation zum Thema der «Wiedergutmachung in der österreichischen Strafrechtspflege – Auf dem Weg zu einem neuen Kriminalrecht?» Das Befassen mit dieser Thematik bildete den Grundstein für ihr soziales Engagement in der Opferhilfe. Einige Jahre lang war sie Vizepräsidentin der Opferhilfevereinigung «Weisser Ring» in Österreich, in dessen Vorstand sie weiterhin verblieben ist. International setzt sie sich im Rahmen der «World Society of Victimology» für Opferrechte ein. 1997/98 absolvierte Marianne Hilf das Gerichtsjahr in Wien und arbeitete während der ersten österreichischen EU-Ratspräsidentschaft im Bundesministerium für Justiz. Hierbei war sie als Teil der österreichischen Delegation wiederholt in der EU-Ratsarbeitsgruppe für Strafrecht in Brüssel tätig.

Die Schönheit St. Gallens

Während ihrer Zeit im Gerichtsjahr fand sie die Stadt Wien zwar sehr schön – «eine Grossstadt mit herrlichen Gebäuden und trotzdem sehr ruhig und grün» –, ging danach aber wieder nach Graz, um ihre Habilitation in Angriff zu nehmen. Frau Hilf habilitierte sich im Jahr 2003 mit dem Thema «Strafrechtliche Verantwortlichkeit von juristischen Personen». Damit erwarb sie die venia legendi für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie. Seit Sommer 2009 lehrt und forscht Frau Hilf nun in St. Gallen am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie unter besonderer Berücksichtigung des Wirtschaftsstrafrechts. St. Gallen ist mit ca. 71 000 Einwohnern etwas überschaubarer als Graz mit 280 000 Einwohnern; trotzdem oder gerade deswegen gefällt es Marianne Hilf sehr gut in St. Gallen. «Man hat hier alles, was man braucht, und dazu ist St. Gallen wunderschön gelegen», sagt Frau Hilf. Graz ist nicht nur die Heimatstadt von Frau Hilf, sie lernte dort auch in der Oper ihren Mann kennen. Der Oberarzt in der Geriatrie an der Berliner Charité ist «geradezu begeistert von St. Gallen», daher verbringen sie häufig ihre Wochenenden gemeinsam hier.

In ihrer freien Zeit liest Marianne Hilf gerne. Ihre Lieblingsbücher sind etwa «Die Wand» von Marlen Haushofer oder «Unter Freunden» von Martin Suter. Ausserdem kocht sie gerne und treibt regelmässig Sport. Auf die Frage, welches denn ihre Lieblingsspeise sei, meint sie ganz klar: «Ein Steak. Medium-rare.»

Als Kind lernte Marianne Hilf Klavier und Violine spielen, beides spielt sie heute nicht mehr. Aber sie hört gerne Musik und mag dabei alle möglichen Richtungen: Blues, Pop, Independent, Klassik. Auch sonst lässt sie sich nicht auf einzelne Gebiete festlegen; sie ist vielseitig interessiert. Während ihrer Schulzeit war Marianne Hilf begeisterte Tänzerin und trainierte lateinamerikanische Turniertänze. Mit Studienbeginn trat das Tanzen aber immer mehr in den Hintergrund.

Das Reisen als grosse Leidenschaft

Eine weitere grosse Leidenschaft von Frau Hilf ist das Reisen. Innerhalb von Europa schwärmt sie vor allem von Kroatien – obwohl sie dort einen schweren, aber glücklicherweise folgenlosen Autounfall erlebte: Ihr Auto überschlug sich nach einer Kollision auf einer Kreuzung in Zagreb und erlitt Totalschaden, Marianne Hilf blieb unverletzt. Durch den Unfall wurde ihr aber «schlagartig» bewusst, dass man die Handtasche im Auto immer schliessen sollte, denn: Eine geschlossene Handtasche lässt sich in einem auf dem Dach liegenden Auto einfacher finden als ein kleines herausgefallenes Handy. Ausserhalb von Europa fand sie die Galapagos Inseln aufgrund ihrer Flora und Fauna sowie ihrer Unberührtheit «am beeindruckendsten». Generell sagt sie, sie liebe das Meer. Auch wenn Frau Hilf den Sommer lieber mag als den Winter, kann sie Letzterem einige Reize abgewinnen; obwohl sie keine ausgewiesene Wintersportlerin ist, steht sie ab und zu auf Langlaufskiern.

Eines der vorrangigen Ziele von Frau Hilf ist, das Interesse für die strafrechtlichen Aspekte im Wirtschaftsprozess zu wecken und diese gemeinsam mit den Studierenden zu analysieren. Der Lehrstuhl von Frau Hilf ist nicht gerade repräsentativ für den Frauen-Anteil an der Uni, er ist mit zwei Assistentinnen besetzt: «Sie sind sehr engagiert und bilden ein hervorragendes Team.»

Eines ihrer Lieblingszitate stammt von Goethe: «Ein Blick ins Buch und zwei ins Leben, das wird die rechte Form dem Geiste geben.» Zum Schluss fragen wir Frau Hilf, ob sie spezielle Ratschläge für Studierende hat. Spontan meint sie: «Ich finde es wichtig, dass man bei allem, was man tut, den Mitmenschen mit Respekt, Wertschätzung und einer positiven Einstellung begegnet.»


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