«Betend für die Welt da sein»

Schwester Manuela lebt im Kapuzinerinnen-Kloster Notkersegg in St. Gallen. Mit ihren 38 Jahren ist sie die Ordensjüngste. Sarah Umbricht hat sich mit ihr unterhalten.

Wie alt waren Sie, als Sie sich für ein Leben als Nonne entschieden haben?

Ich war damals 27 Jahre alt und habe zunächst in einem apostolischen Orden karitativen Dienst geleistet.

Wie kamen Sie auf die Idee, einem Klosterorden beizutreten?

Ich war ein total «wildes» Kind und lernte früh, mich durchzusetzen und selbständig zu sein, da ich mit zehn älteren Brüdern auf einem Bauernhof aufgewachsen bin. Schon als kleiner Knirps hütete ich manchmal tagelang die Schafe und musste mich irgendwie selber beschäftigen in der Natur, weil die Schafe den ganzen Tag nur fressen. Ich kam dann an eine katholische Schule, das war aber eher abschreckend – so wollte ich nie werden! Später studierte ich dann Sozialarbeit und Heilpädagogik. Ich konnte mir damals gut vorstellen, mit meinem festen Freund eine Familie zu gründen. Aber mehr und mehr habe ich gemerkt, dass mich dieses Leben nicht erfüllt. Ich wollte in die Dritte Welt gehen, etwas in missionarischer Richtung tun. Dann sagte ich mir «einfach mal probieren» und ging in das apostolische Kloster. Aber auch dies erfüllte mich nicht vollumfänglich, deshalb kam ich dann im Jahre 2000 nach Notkersegg. 2005 erhielt ich die ewige Profess.

Was ist die «ewige Profess»?

Mit der «ewigen Profess» bindet man sich an den Orden. Man könnte es vielleicht als eine Art «Ehe» sehen. Man verpflichtet sich, im Kloster zu leben und die Regeln einzuhalten. Eine «Scheidung» müsste man beim Papst beantragen und man müsste nach Rom reisen, damit der Papst diese aussprechen kann. Wer verheiratet oder geschieden ist, kann die «ewige Profess» nicht erhalten – es sei denn, der Ehepartner ist verstorben.

Verspüren Sie nie das Bedürfnis, doch noch eine Familie zu gründen? Vermissen Sie nichts?

Nein, in mir war eine ständige innere Unruhe. Schon als Kind war ich ständig draussen, wanderte auf jeden Hügel, kletterte auf jeden Baum. Ich war zwar in einer Beziehung, aber Gott stand irgendwie immer zwischen mir und meinem Partner. Mit dem «Ja» zum Klosterleben kam ich innerlich zur Ruhe. Ich wünsche mir eigentlich nur, dass es mehr jüngere Schwestern gäbe im Kloster.

Wie sieht Ihr Tagesablauf aus?

Wir stehen um 5.15 Uhr auf (Sonntags jeweils erst um 5.45 Uhr). Um 6.00 Uhr halten wir die «Laudes», die vorwiegend aus Singen besteht. Danach hat jeder individuell Meditation bis zur Heiligen Messe um 7.00 Uhr. Die Heilige Messe dauert 30 bis 45 Minuten, anschliessend gibt’s «z’Morge». Danach hat jeder seine täglichen Dienste zu verrichten: in der Küche, im Garten, in der Waschküche oder bei der Pflege der älteren Schwestern. Um 11 Uhr halten wir für 20 Minuten das Mittagsgebet, danach essen wir. Bis 14 Uhr hat jede «freie Zeit» für sich, anschliessend arbeiten wir. Um 15 Uhr lesen wir einen Bibeltext und legen diesen aus, danach haben wir «Rekreation»: da gibt’s Kaffee und Tee, wir entspannen uns, diskutieren über alles Mögliche, was uns beschäftigt. Es geht ums «Zusammensein» und Reden, da wir tagsüber wenig reden. Von 16 bis 17 Uhr gehen wir wieder unseren täglichen Diensten nach, um 17 Uhr sind wir zusammen, aber jeder liest still einen Text für sich. Anschliessend haben wir die «Vesper», das ist das Abendgebet. Da lesen wir meistens einen Text aus dem Alten Testament. Ab 17.30 Uhr halten wir für 30 Minuten Meditation, danach nehmen wir das Abendessen zu uns und anschliessend haben wir dann «freie Zeit».

Woran glauben Sie?

Ich glaube an Gott, der die Liebe und Barmherzigkeit ist. Gott steht über allem und möchte uns zu Höherem bringen, im Gebet bitten wir Gott um Hilfe. Schon Paulus hat gesagt: «Glaube ist daran festzuhalten, was man will». Der Glaube ist das A und O in meinem Leben, es ist ein ständiges Kommunizieren. Ja, ich lebe für den Glauben.

Was war Ihr Traumberuf als Kind?

Da ich auf einem Bauernhof aufgewachsen bin und schon sehr früh Schafe gehütet habe, war ich der Natur und den Tieren immer sehr nahe. Deshalb wollte ich Tierärztin werden. Das gefällt mir gut am Kapuziner-Orden: die Kapuziner haben eine enge Beziehung zur Natur und zu Tieren, weil sie ja vom Franziskanerorden abstammen.

Hatten Sie jemals Zweifel daran, dass Ihre Entscheidung für das Klosterleben die richtige Entscheidung war?

Nein, bisher noch nie. Natürlich gibt es auch «Tiefs», Streit unter den Schwestern oder auch Streit mit Gott. Aber nach einem Gewitter ist die Luft immer besonders rein. Ich bin überzeugt, dass Gott nur das Beste für uns will.

Glauben Sie an das Gute im Menschen?

Grundsätzlich glaube ich, dass jeder Mensch Gutes in sich hat. Das Problem liegt mehr daran, was die Umwelt in ihm fördert. Ich spreche beispielsweise den Umgang mit der Natur oder mit dem ungeborenen Leben an.

Der Papst lehnt bekanntlich Verhütung ab – Sie auch?

Nein, ich bin gegen Abtreibungen, aber nicht gegen Verhütungsmittel – zumindest nicht grundsätzlich. Ich denke, es kommt auf den Umgang miteinander an. Es kann nicht sein, dass man quasi «drauflos lieben» kann und dank den Verhütungsmitteln keine Konsequenzen und keine Verantwortung zu tragen hat.

Was schätzen Sie am Leben im Kloster?

Ich bin erfüllt dadurch, dass ich für die Welt – für alle – betend da bin. Im Kloster lebe ich meinen Glauben in der Gemeinschaft, wir sind zusammen auf der Suche nach dem richtigen Weg. Gemeinsam ist diese Suche sicher einfacher als alleine. Manchmal kommt eine Fröhlichkeit auf, die nur durch die Gemeinschaft entsteht.

Vergleichen wir doch mal das Leben eines Studierenden mit demjenigen einer Schwester.

Ich denke, dass Studierende mehr Freiheiten haben. Man kann völlig eigenverantwortlich handeln. Man muss nicht zur Vorlesung gehen, aber dann muss man nacharbeiten – das kann jeder für sich abwägen und entscheiden, was für ihn stimmt. Wer ins Kloster geht, entscheidet sich für den Glauben, bindet sich daran. Schliesslich geht es beiden darum, das eigene Leben «gut» nach dem eigenen Empfinden zu leben. Ich hoffe, dass mein Leben anderes Leben beschenken kann. Wollen wir das nicht alle?

Haben Sie einen Tipp für uns Studierende?

Eigentlich hoffe ich nur, dass sie mit aufrichtigem Herzen und mit ganzer Hingabe ihren Job erfüllen können und aus ihren Fehlern lernen. Die Rückschau und Erkenntnis ist hierfür ganz wichtig.


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