Fernes Fernsehen – TV in anderen Ländern

Andere Länder, andere Sitten: Das Fernsehen ist der Spiegel einer Gesellschaft. Daher sind je nach Land und Kultur auch unterschiedliche Formate beliebt. Dass die Japaner auf Kurioses abfahren, ist bekannt. Doch wie sieht es in anderen Ländern und Regionen aus?

Die Japaner lieben ihre Variety Shows. In diesen geht es darum, dass sich Kandidaten auf irgendeine Weise so lächerlich machen wie nur möglich. Zu den auch in Europa bekannten Formaten zählt Takeshi‘s Castle. In dieser Show müssen Freiwillige allerlei absurde Hindernisse überwinden und Gegner besiegen. Es gilt, wackelige Hängebrücken zu überwinden, ohne in den sumpfigen See darunter zu fallen, als menschliche Bowlingfigur nicht von einer ebenfalls menschlichen Kugel umgeworfen zu werden oder über rutschige Inselchen zu springen, wiederum ohne im bräunlichen Drecksee baden zu gehen. Das Ziel der Sendung ist nicht, möglichst unbesiegbar auszusehen – sondern möglichst komisch.

Andere, in Europa weniger bekannte Formate, sind eher auf Konversation ausgelegt. Das Ziel dieser Sendungen ist jedoch genau das gleiche: Wieder geht es um die Blossstellung von Kandidaten und das genüssliche Ausschlachten von Peinlichkeiten. Ein Beispiel für eine solche Sendung ist die Parodie der auch in Japan beliebten Quizsendung «Wer wird Millionär». Hier müssen Prominente peinliche Fragen nach Details aus ihrem Privatleben beantworten. Unter dem Gejohle des Publikums sitzen die Kandidaten mit hochroten Köpfen auf dem heissen Stuhl und versuchen, die unangenehmen Antworten so leise und undeutlich wie möglich auszusprechen. Dies führt dann zwangsläufig zur Aufforderung des Moderators, die Antwort samt vorgängiger Frage noch einmal laut und deutlich zu wiederholen.

Den Grund für die Beliebtheit dieser Variety Shows in der Bevölkerung sehen viele Beobachter in den zahlreichen Tabus des japanischen Alltages. Diese zu brechen birgt einen Reiz, der hohe Quoten garantiert. Auch wird argumentiert, dass in solchen Sendungen auf eine humoristische Weise Missstände angesprochen und diskutiert werden, welche in der oft harmoniesüchtigen und diskussionsscheuen japanischen Gesellschaft ansonsten kaum thematisiert werden.

Südamerika: Telenovelas

Was die Popularität in der Bevölkerung anbelangt, so stehen die in vielen Ländern Südamerikas ausgestrahlten Telenovelas den japanischen Variety Shows in nichts nach. Einzelne Formate erzielen Einschaltquoten von 66 Prozent, und es wird berichtet, dass in Brasilien für manche Folgen einer Telenovela sogar schon Karneval-Paraden verschoben wurden. Die Soaps oder Seifenopern genannten Sendungen sind auch Exportschlager. Sie werden mittlerweile rund um den Globus ausgestrahlt oder mit gewissen Anpassungen kopiert.

Die Telenovelas handeln vom Alltagsleben ihrer Protagonisten, wobei den Kern dieser Sendungen alle Emotionen bilden, zu welchen der Mensch fähig ist. Zu den wichtigsten zählen Glück, Trauer, Eifersucht, Liebe und Hass. Auch eine Prise Spannung und Melodramatik dürfen nicht fehlen.

Die Telenovelas weisen ein stets wiederkehrendes, für den Zuschauer leicht zu durchschauendes Muster auf. Trotzdem kamen Soziologen zu überraschenden Schlüssen, als sie die Folgen des verbreiteten Telenovela-Konsums in verschiedenen südamerikanischen Ländern untersuchten. So wurden in verschiedenen Serien Tabuthemen und heikle, kontroverse Inhalte thematisiert, beispielsweise Verhütung, Gleichberechtigung, Scheidung, Homosexualität und sogar Religionskritik. In der Folge konnte in Brasilien ein starker Geburtenrückgang beobachtet werden, und nach der Ausstrahlung der beiden Telenovelas «Locos de familia» und «De Cuerpo y alma» wurde in verschiedenen Ländern Lateinamerikas ein starker Anstieg an Blut-, Knochenmark- und Organspenden registriert. In der einen Serie war eine leukämiekranke, in der anderen eine herzkranke junge Frau die Protagonistin.

Arabische Halbinsel: Al Jazeera

Europäer kennen den arabischen Nachrichtensender Al Jazeera vor allem im Zusammenhang mit der Bekanntmachung von Terrordrohungen der Al Qaida. Das Terrornetzwerk nutzt Al Jazeera tatsächlich als ihr Sprachrohr. Der Sender mit dem deutschen Namen «Insel» (als Anspielung auf die arabische Halbinsel) ist jedoch weit mehr als ein willenloses Werkzeug Bin Ladens.

Gegründet wurde Al Jazeera Ende 1996 durch den Emir von Katar, Scheich Hamad bin Chalifa Al Thani. Seither finanziert die Herrscherfamilie Katars den Sender jährlich mit rund 100 Millionen Dollar. Trotz dieser finanziellen Verhältnisse werden viele kritische und kontroverse Themen aufgegriffen, teilweise betreffen sie auch Katar selber. Seit Ende 2006 gibt es auch einen englischsprachigen Al Jazeera-Sender.

Die Öffentlichkeit ist geteilter Meinung über die Objektivität von Al Jazeera. Eine oft gemachte und wohl zutreffende Feststellung ist, dass Al Jazeera Nachrichten nach anderen Schwerpunkten und aus anderen Perspektiven auswählt oder aufbereitet als europäische oder amerikanische Fernsehsender. Dies ist kaum als subjektiv zu werten – schliesslich gibt es absolute Objektivität nicht, und auch europäische und insbesondere amerikanische Sender (mit der oft starken Einflussnahme ihrer jeweiligen Besitzer) beurteilen Themen nach eigenen Moral- und Wertvorstellungen.

Trotzdem wurde Al Jazeera von verschiedenen Seiten als stark beeinflusst und einseitig dargestellt. Je nachdem, von welcher Seite der Vorwurf kam, wurde Al Jazeera als Medium Saddam Husseins, der Al-Qaida, des Mossad oder der CIA bezeichnet. Von der amerikanischen Regierung ist bekannt, dass sie mehrfach versuchte, die Berichterstattung von Al Jazeera zu beeinflussen. Sowohl im Irak als auch in Afghanistan wurden die Büros der Al Jazeera durch die Amerikaner bombardiert, und dies, obwohl die USA über die genaue Lage der Büros informiert gewesen waren. Dies nährte Spekulationen, die Bombardierung sei absichtlich erfolgt.

Auch arabische Länder fühlen sich durch die Berichterstattung von Al Jazeera oft vor den Kopf gestossen. Die saudische Regierung versuchte mehrmals erfolglos, die Mehrheit an dem Sender zu erwerben. Mittlerweile ist saudischen Firmen das Schalten von Werbung bei Al Jazeera verboten. Des Weiteren hat Al Jazeera seit diesem Jahr in Bahrain und Marokko ein Arbeitsverbot. In Marokko wurde sogar die Ausstrahlung unterbunden. Beiden Fällen waren kritische Berichte über Missstände vorausgegangen.

Man könnte aus diesen Vorwürfen die Schlussfolgerung ziehen, dass Al Jazeera in der Vergangenheit einigen Interessengruppen auf die Füsse getreten ist, gerade weil die Berichterstattung recht unbeeinflusst und wahrheitsgetreu war. Ein bekanntes arabisches Sprichwort bringt es auf den Punkt: «Wenn du kritisiert wirst, dann musst du irgendetwas richtig machen. Denn man greift nur denjenigen an, der den Ball hat.»

In letzter Zeit werden allerdings Bedenken laut, dass Al Jazeera einer zunehmenden Islamisierung unterliege. Als jüngster Hinweis wird die kollektive Kündigung von fünf Moderatorinnen angeführt, welche die permanente Beanstandung ihrer Garderobe, welche als «zu wenig konservativ genug», bezeichnet wurde, nicht mehr hinnehmen wollten. Ob diese Sorge berechtigt ist, wird sich zeigen.

Fernsehen als Spiegel der Gesellschaft

Ob in Japan, Südamerika oder auf der arabischen Halbinsel: Das Fernsehen bewegt die Menschen. Ohne ins Klischeehafte abzugleiten, kann man sagen, dass sich eine Gesellschaft in ihrem Fernsehen widerspiegelt. Japans Variety Shows schlachten die zahlreichen Tabus der japanischen Gesellschaft aus, die emotionstriefenden Telenovelas Südamerikas stehen für die hohe Bedeutung von Emotionen für viele Lateinamerikaner. Schlussendlich steht die auf Meinungsfreiheit beruhende, oft kritische Berichterstattung von Al Jazeera für die Bereitschaft bestimmter Kreise im arabischen Raum, mehr Demokratie und Meinungsfreiheit zuzulassen.


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