Dr. Thriller HSG

Markus Will habilitierte an der HSG und lehrt heute Kommunikations-management in St. Gallen. Die Ereignisse der Finanzkrise hat er in einem Thriller verarbeitet. Das Buch mit dem Titel «Bad Banker» erschien im September.

Nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre und Promotion in Giessen war Markus Will als Wirtschaftsjournalist bei der deutschen «Börsen-Zeitung» angestellt. Später setzte er seine Karriere als Kommunikationsdirektor für zwei Investmentbanken in Frankfurt und London fort, bis er 1998 seine eigene Unternehmensberatung bei St. Gallen gründete. Daneben ist er auch als Privatdozent an der HSG für Kommunikationsmanagement tätig. Wo vielen die Ereignisse der letzten zwei Jahre wie ein Krimi vorkamen, hat Markus Will genau diesen Stoff in einen Thriller verwandelt. Er wollte dabei die Geschehnisse so aufbereiten, dass man auch ohne den Master in Banking & Finance verstehen kann, was sich in den Chefetagen von Lehman Brothers und Co. abspielte.

prisma traf Dr. Markus Will zu einem Gespräch über die Veränderungen im Investment-Banking, sein Buch und die Zukunft des Finanzsektors.

Wie haben sich die Arbeitsweise und die Unternehmenskultur über die Jahre, die Sie bei Merrill Lynch und der Deutschen Morgan Grenfell gearbeitet haben, verändert?

Die Frage ist, ob sie sich überhaupt verändert haben. Ich erinnere mich noch, dass, als ich bei der Deutschen Morgan Grenfell war, einer meiner Mitarbeiter mich überzeugen musste, 10‘000 Dollar bereitzustellen, um die Internetseite www.dmg.com von einer amerikanischen Drogeriekette abzukaufen. Da lacht man heute drüber. Damals wurden die ersten Internetseiten eingerichtet, wir begannen gerade erst, mit E-Mails zu arbeiten. Die Schnelllebigkeit führt wahrscheinlich dazu, dass man noch weniger Zeit zum Nachdenken hat, noch weniger Zeit auch dazu hat, zu überlegen ob das, was man tut, richtig oder falsch ist und überdacht werden sollte. Ob sich darüber hinaus im Grundwertesystem von Investmentbanken etwas in den letzten 20 Jahren verändert hat, würde ich zumindest mal mit einem Fragezeichen versehen.

Freunde haben Sie animiert, Ihren Roman «Bad Banker» zu schreiben. Was hat Ihre Freunde so sehr an Ihren Erzählungen fasziniert?

Zunächst einmal hatte ich seit vielen Jahren vor, einen Roman zu schreiben, und mir war immer klar, dass ich über ein Wirtschaftsthema schreiben wollte. Weil wir inmitten dieser schärfsten Wochen kurz nach der Pleite von Lehman Brothers mit Freunden in den Ferien waren und natürlich durch die Nachrichtenlage täglich darüber gesprochen haben, ergab sich plötzlich die Idee. Einer meiner Freunde sagte, als ich aus den 90er-Jahren erzählte: Das ist Stoff für einen Roman. Mach doch daraus eine fiktive Geschichte und erzähle darin auf amüsante, spannende und korrekte Weise, was eigentlich passiert ist.

Sie beschreiben in Ihrem Roman einen Chief Risk Officer, der durch Stresstests verschiedenste Szenarien durchspielen möchte, um dadurch die Stabilität der Bank zu erhöhen. Wie weit geht die Aussagekraft solcher Stresstests?

Zunächst einmal sind die Stresstests nicht meine Erfindung, sondern werden ja tatsächlich gemacht. Ich halte die Durchführung solcher Stresstests und die Veröffentlichung der Ergebnisse für wichtig und zwingend. Das ist ein Akt von Transparenz, den wir eindeutig brauchen, um die Solidität einzelner Adressen besser beurteilen zu können. Unabhängig davon kann man jedoch mit den Stresstests nicht alles abdecken. Insbesondere können sie nicht alle Interdependenzen abbilden, die sich möglicherweise zwischen verschiedenen Finanzinstitutionen ergeben. Das Fehlen dieser möglichen Kettenreaktionen ist ein Manko der Stresstests, weil genau diese Kettenreaktionen 2008 am Ende zu dem Beinahezusammenbruch des Systems geführt haben.

Ihre Figuren Carla Bell und Isabella Davis sind beide Mathematikerinnen bzw. Finanzingenieure. Inwieweit sind denn Aussenstehende, aber auch bankinterne Aufseher in der Lage, die entwickelten Produkte auf ihre Tauglichkeit und auf Gefahren hin zu prüfen?

Carla Bell ist eine Journalistin, die aufgrund ihrer mathematischen Ausbildung strukturierte Finanzprodukte versteht und deshalb darüber für den CityView berichtet. Isabella Davis ist ein Abbild der seit den 1990er-Jahren immer häufiger im Investmentbanking anzutreffenden «Raketen». Das sind Ingenieure, Physiker oder Mathematiker, die in der Lage sind, komplexe multivariate mathematische Gleichungssysteme aufzustellen und durchzurechnen. Allerdings darf man auch zweifelsohne die Aufsichtsbehörden nicht frei von Schuld sprechen, was den Ausbruch der Finanzkrise anging: Sie hatten schon ganz gute Möglichkeiten, in Banken reinzugucken. Wenn Sie beispielsweise Quartals- und Jahresberichte der Bank für internationalen Zahlungsausgleich lesen, dann ist dort auch schon einiges benannt worden, was sich am Horizont auftun könnte. Aber es wollte zu diesem Zeitpunkt keiner hören und ich glaube, dass der Tag, an dem alle zugehört haben, dann der 15. September 2008 war – der Tag der Lehman-Pleite.

Sie beschreiben in Ihrem Roman die Wut der Bürger über die Banken und im Kontrast dazu die Gier von Mitch Lehman. Wie stellt sich das Machtverhältnis zwischen Kunde und Bank dar?

Sie müssen sich als Bankkunde nur mal vorstellen, dass sie ein Stück gewebtes Papier in irgendein Gebäude hineintragen oder es elektronisch überweisen. Da gibt es dann ein Konto, da steht eine Summe drauf, die ihr Vermögen ist. Das können sie jederzeit abholen. Sie können aber auch jemand anderem sagen, dass Sie einen Teil überweisen, und dafür bekommt man beispielsweise ein Auto. Die Funktion des Geldes als transacting dominating asset kann nur funktionieren, wenn der Verwalter des Geldes hundertprozentiges Vertrauen geniesst. Sonst geht es zurück in die Tauschwirtschaft. Da muss man ganz klar sagen, dass das Bankensystem insgesamt – aufgrund einiger hundert oder tausend schwarzer Schafe – massiv an Vertrauen bei den Kunden, den Bürgern, der Gesellschaft, der Politik und den Unternehmern verloren hat. Wenn es den Banken nicht gelingt, dieses Vertrauen zurückzuholen, dann wird diese Systemkrise einen bleibenden Schaden hinterlassen.

Hat sich Ihrer Meinung nach seit September 2008 nichts geändert?

Dialoge, die von Banken geführt werden, sind sehr halbherzig, die Werbekampagnen sind zwar technisch gut gemacht, aber mir fehlt ein bisschen die dahinterliegende Ernsthaftigkeit. Ich will das an nur einem Beispiel erläutern. Wenn ein Teil der Krise damit zu begründen ist, dass das Wertesystem oder auch die Gier oder überhaupt die Verhaltensweisen von bestimmten Gruppen im Investmentbanking falsch waren, dann würde ich doch erwarten, dass mir die Banken sagen, wir haben entweder seitdem einen anderen Typus von Banker eingestellt und/oder Weiterbildungsmassnahmen mit unseren bestehenden Bankern gemacht, weil wir gesehen haben, dass da etwas am grundlegenden Wertesystem fehlt. Aber davon habe ich nichts gelesen. Und ich sehe diese Veränderung auch nicht. Es macht mir am meisten Sorge, dass die Typologie des Bankers sich nicht geändert hat.

Aus verschiedensten Lagern der Politik war zu hören, dass die Rettungspakete «alternativlos» waren. Wie bewerten Sie die Reaktionen der Staaten, mit Milliardenhilfen Banken zu stützen oder gar zu verstaatlichen?

Als Bürger bin ich über das Eingreifen der einzelnen Staaten und Politiker extrem stolz und froh gewesen. Was dann im Nachgang passiert ist und wie sich jetzt beispielsweise die Politik gegen die Bankenlobby durchsetzen kann oder nicht, was notwendige Reformen angeht, steht auf einem anderen Blatt. Aber das Verhalten und die Reaktion in der Krise waren alternativlos. Und doch bin ich verwundert, wie wenig man nur insgesamt das Bankensystem an der Finanzierung der Rettungsfonds beteiligt. Da würde ich deutlich mehr erwarten und zwar aus einem einfachen Grund: Ein zweites Mal könnte sich die Staatengemeinschaft so eine Krise überhaupt nicht leisten.

Bad Banker von Markus A. Will
730 Seiten
Erschienen im Friedrich Reinhardt Verlag
September 2010
Webauftritt von Markus A. Will

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