«Albträume wird man durch den Dialog mit den inneren Gestalten los»

Träume verstehen. Aus Träumen lernen. Albträume überwinden. Cornelius Blattner, Traumexperte, Buchautor und Inhaber der Domain traum.ch, erklärt im prisma-Interview, warum und wie wir träumen.

Herr Blattner, warum träumen Menschen?
Wissenschaftlich gesehen sind Träume Lern- und Verarbeitungsprozesse. In Untersuchungen hat man herausgefunden, dass Menschen gewisse Dinge, die sie am Vorabend gelernt hatten, am nächsten Morgen besser konnten. Das hat mit dem Traumprozess zu tun.
Sie schreiben in Ihrem Buch, dass der Traum uns Hinweise gibt, was uns beschäftigt, und uns Möglichkeiten aufzeigen kann, welchen Weg wir einschlagen sollen. Sind Träume dazu wirklich in der Lage?

Träume zeigen auf, an welchen Sachen man emotional beteiligt ist. Natürlich sagen sie einem nicht direkt, was man machen soll. Der Traum tritt mit dem Tagesbewusstsein in einen Dialog. Man entscheidet dann, ob man dem nachgehen will oder nicht.

Was ist die «Selbstheilungstendenz» der Träume?

Die Psyche versucht, über Träume Entwicklungen im Inneren eines Menschen, die er nicht wahrhaben will, zu integrieren. Zum Beispiel, wenn jemand von Aggressionen träumt, dann könnte dies ein Hinweis der Psyche sein, dass sich dieser Mensch im Alltag mehr Durchsetzungsvermögen wünscht. Die Aggression ist dann im Traum etwas Bedrohliches, möchte eigentlich aber zeigen: Schau, wenn du das auslebst, ist es gar nicht so schlimm.

Ist denn jeder Traum so bedeutungsschwer?

Nein, natürlich nicht. Träume sind manchmal einfach etwas Kreatives, man kann sich ganze Welten bauen.

Warum träumt man manchmal von Leuten, die einem nicht nahestehen oder die man lange nicht gesehen hat?

Eine Möglichkeit ist, dass man im Alltag etwas angetroffen hat, das einen unbewusst an diese Person erinnert hat. Aktiv nimmt man ja sehr selektiv wahr. Das Unterbewusstsein hingegen speichert viel mehr Dinge. Zum Beispiel dieser rote Koffer da hinten: Hätte ich Sie nicht darauf hingewiesen, hätten Sie ihn vielleicht nicht bewusst wahrgenommen – und heute Nacht dennoch davon geträumt..

Was wollen uns Albträume sagen?

Albträume sind Träume mit Vermittlungscharakter. Sie fordern uns auf: Schau da genauer hin. Wo in deinem Leben fühlst du dich gefühlsmässig ähnlich? Zum Beispiel der Traum, in dem man nie ankommt. Er will uns vielleicht sagen: Du bist überfordert von deinem Pflichtbewusstsein. Frage dich: Was wäre das Schlimmste, das passieren könnte, wenn du einfach nicht mehr jeden Termin wahrnimmst?

Wie werden wir wiederkehrende Albträume los?

Für mich ist ein Albtraum ein nicht fertig geträumter Traum. Man wacht in einem schlimmen Moment schweiss-gebadet auf. Folglich sollte man den Albtraum fertig träumen, indem man im halbmeditativen Zustand an den Ort des Träumens zurückkehrt. Oder man führt einen Dialog mit den «inneren Gestalten», welche einem diesen Druck aufsetzen, der zu den schlechten Träumen führt. Das heisst, man stellt sich vor, diese «inneren Gestalten» stünden im Raum. Man redet mit ihnen und wird sich bewusst, was man ändern muss.

Gibt es Menschen, die nie träumen?

Nein. Sie können sich nur nicht daran erinnern. Das ist übrigens Übungssache. In der Phase, in der ich mich intensiv mit Träumen beschäftigte, konnte ich mich am Morgen gar an mehrere Träume erinnern.


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