Der Drogenkrieg in Mexiko

Die Konflikte zwischen Polizei, Armee und kriminellen Organisationen in Mexiko fordern jedes Jahr mehrere tausend Opfer – Tendenz steigend. Um die blutige Gewalt zu verstehen, muss man die Ursachen des Drogenkrieges kennen.

Mit knapp 30’000 Toten in den vergangenen fünf Jahren ist der Drogenkrieg in Mexiko zu einem der gewalttätigsten Konflikte weltweit geworden. Kaum ein Tag vergeht, an dem wir nicht von einer Verhaftung, Schiesserei oder Enthauptung eines Kartells lesen. Man fragt sich: Wie gerät ein Staat in eine solche Lage? Es gibt zwei wichtige Gründe für die heutige Situation. Einerseits liegt es an der geografischen Lage unseres Landes. Andererseits muss man die gesellschaftliche Ungleichheit und die politische Machtverteilung der jüngsten Geschichte Mexikos betrachten.

Wertvermehrung von 19‘000 Prozent

Wir haben ein Sprichwort in Mexiko, das lautet: «Poor Mexico, so far away from God and so close to the US.» Natürlich hat es viele Vorteile, wenn man Nachbar des reichsten Staates der Erde ist – aber es hat auch Nachteile. Wegen der Lage zwischen Süd- und Nordamerika führt der Weg der grössten Drogenproduzenten – Kolumbien, Bolivien, Venezuela und Zentralamerika – zum grössten Drogenkonsumenten USA durch unser Land. Laut der Zeitschrift Nexos erhöht sich der Wert von Kokain entlang dieser Supply Chain um bis zu 19‘000 Prozent: Ein Kilo Kokapaste, das ursprünglich 950 Dollar kostet, gewinnt nach der Verarbeitung zu Kokain einen Wert von 2’340 Dollar. In einer nordmexikanischen Stadt verdient man damit 12’500 Dollar, auf der anderen Seite der Grenze gar 26’500 Dollar. In kleinen Portionen bringt dasselbe Kilo in den US-Grossstädten einen Wert von bis zu 180‘000 Dollar ein.

Gewalt durch Modernisierung und Ungleichheit

Während mehr als siebzig Jahren wurde Mexiko von der hegemonialen Partido Revolucionario Institucional regiert – ermöglicht durch eine stillschweigendes Übereinkommen zwischen den wichtigen Kräften des Landes. Die Regierung, die Medien, die Landwirtschaft, der private und sogar der kriminelle Sektor konspirierten in einem korrupten Netzwerk, um die Macht der PRI zu verewigen. Erst im Jahr 2000 nahm die Demokratie einen grossen Schritt nach vorne, als die Opposition die Präsidentschaftswahlen mit Vincente Fox gewann. Mit dieser Transition zu einem demokratischeren und moderneren Staat begannen die alten Machtstrukturen zu bröckeln. Der Politikwissenschaftler und ehemalige Yale-Professor Samuel Huntington sagt, dass Modernisierung die Vernichtung des alten politischen Systems impliziere, ohne unbedingt sofort ein neues zu kreieren: «Viele, wenn nicht die meisten dieser Konflikte brechen irgendwann in Gewalt aus.» Genau das passiert in Mexiko. Hinzu kommt die gesellschaftliche Ungleichheit. Wenn ein Staat nicht in der Lage ist, dem Wunsch seiner Bürger, in den freien Markt einzutreten, gerecht zu werden, dann finden sie eigene Wege. Die Drogenkartelle offerieren eine solche Chance, reich zu werden – oder zumindest, zu überleben in einem System, das durch ein Fehlen von Bildung und Chancen gezeichnet ist.

Kein «failed state»

Mit dem Regierungswechsel wurde ein neuer Ansatz gegen das organisierte Verbrechen gewählt. Der aktuelle Präsident Felipe CalderÓn, seit 2006 im Amt, erklärte den Drug Lords den offenen Krieg. Viele Kartelle fuhren dadurch hohe Verluste ein. Die meisten Drogenchefs wurden entweder festgenommen oder getötet. Das Resultat ist die heutige Gewalt: Die nun geschwächten Kartelle müssen ihr Gebiet neu markieren, um den Schmuggelweg der Drogen weiterhin zu kontrollieren.

Auch wenn es durch die Medien kommuniziert wird, ist Mexiko kein «failed state». Trotz vieler Kritiker finde ich die heutige, offensive Strategie richtig. Eine frontale Attacke gegen diese Organisationen ist nötig, um ein noch grösseres Eindringen der organisierten Kriminalität in die Regierung zu verhindern.


Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

*

*

*