Anlässlich der Wiedereröffnung der Lokremise sprach prisma mit Katrin Meier, Leiterin des kantonalen Amts für Kultur, über diesen neuen alten Bau, den Einfluss des Staates auf Kultur und warum sich ihre Behörde auch für Haselzweige interessiert.
Wer aus Richtung Winterthur in den hiesigen Bahnhof einfährt, kann schon seit einer Weile auf der linken Seite eine grosse gelbe Wand mit dem «Lok»-Schriftzug sehen. Biegt man als Fussgänger links hinter den Gleisen auf das Gelände des grössten noch erhaltenen Ringdepots der Schweiz ein, sieht man durch die braunen Aussenwände die bonbonfarbenen Lichtinstallationen von John Armleder hinter den hohen Fenstern. Durch ein Tor aus rostigem Stahl betritt man die umgebaute Lokremise und fühlt sich sofort ein bisschen nach Berlin versetzt: Dort, wo bis in die 80er-Jahre 21 Loks der SBB Platz hatten, stehen heute bei Lounge-Musik Bänke des Lokals auf den Gleisen, begrüsst einen das umgezogene Kinok als «Haus im Haus» und öffnet sich auf der linken Seite ein Kunstflügel. Durch die grossen hohen Fenster sieht man die bunten Stühle auf der kreisrunden Holzterrasse und den Zugang zu den unverbauten Räumen für Theater und Tanz. Der gesamte Komplex ist ein Mix aus alten kernigen Wänden und modernem Interieur, den man in London sicher als gelungenen «Industrial Chic» bejubeln und verkaufen würde.
Aber so verkaufen will sich die Lokremise nicht: Bewusst wollte man Altes konservieren und nicht negieren, dass hier Kultureinrichtungen aus dem 21. Jahrhundert eingezogen sind, so Katrin Meier. Die Leiterin des Amtes für Kultur des Kantons St. Gallen hat den gesamten Umbau bis zur Fertigstellung begleitet und moderiert. Wir treffen sie im nebenstehenden Badhaus, wo sich die Bahner früher von Kohle und Schmiere befreiten und heute der ausstellende Künstler wohnen kann.
Was macht diesen Ort hier so besonders und einzigartig für den gesamten Kanton?Es sind unterschiedliche Sparten – Kino, Theater, Kunst und Lokal – im selben Haus vereint, sie können nebeneinander und miteinander arbeiten, was die Lokremise zu einem einzigartigen Ort macht. Die Chrononauten, das Eröffnungsstück, war gleich das erste spartenübergreifende Projekt, wo die performative Kunst in allen Räumen stattgefunden hat, selbst im Kino. Wir vom Kanton versuchen seit einigen Jahren, Highlights und Perlen im Kulturangebot zu stärken: Das Kunstzeughaus Rapperswil-Jona war das erste. Die wiedereröffnete Lokremise ist sicher einmalig wegen der Mischung des historischen Gebäudes und der zeitgenössischen Sparten. Wir schaffen Kulturräume, wobei das Programm und die Ausgestaltung natürlich bei Anderen liegt.
Aber der Kanton behält die Hand über den Projekten?Die Rolle des Kantons ist eine unterstützende, maximal eine lancierende. Aber eigentlich kann er immer nur dort etwas bewirken, wo es um die Rahmenbedingungen geht, nicht aber um den Inhalt. Die Inhalte müssen von anderer Seite kommen. Sonst sind wir allzu nahe bei der Staatskultur.
Haben Sie den Eindruck, dass sich Kultur stärker legitimieren muss, wenn es um die Bereitstellung von beispielsweise 23 Mio. Franken für den Umbau der Lokremise geht?Ich glaube nicht, dass es schwieriger wird. Was von einer Gesellschaft als Kultur wahrgenommen wird und was eben nicht, das sind immer Aushandlungsprozesse. Darauf basierte Kultur schon immer, da hat sich nichts verändert. Sicher anders ist heute, dass man die Kulturförderungen auch in der Bevölkerung abstützen und sie mit ihren Angeboten erreichen möchte. Früher war es eher so, dass häufig von privater Seite Kultur in einem Mäzenatentum gefördert wurde. Da brauchte es natürlich keine breite demokratische Legitimation.
Es gibt aber noch mehr Zuständigkeitsbereiche für das Amt für Kultur neben Kulturförderung oder Kantonsarchäologie …Ja, ich denke in meiner Funktion geht es sehr häufig darum, unterschiedliche Interessen miteinander zu verbinden und Lösungsansätze zu bündeln. Da ist die Psychologie sicherlich hilfreich, aber keine zwingende Voraussetzung. Ich bin schon lang mit Dialog-Prozessen beschäftigt, war selbständig und hatte ein Beratungsmandat beim Amt für Kultur. Ich war ursprünglich in der Kommunikation, im Journalismus, tätig. Ich habe mich immer für zwischenmenschliche Prozesse interessiert, dann eben noch das Psychologie-Studium absolviert, und dann war es nur eine natürliche Fortsetzung, sich irgendwann mit Aushandlungsprozessen zu beschäftigen.
Wie wichtig finden Sie die Studierenden als Faktor für die Kultur in St. Gallen? Ich habe den Eindruck, dass in anderen Studentenstädten das studentische Flair viel ausgeprägter ist.Es wäre natürlich schon schön, wenn die Studierenden die Angebote noch stärker nutzen würden. Da besteht noch Potenzial, wo die Studenten die Stadt noch stärker durchdringen könnten. Ich kann mir auch vorstellen, dass rein die geografische Distanz zwischen Berg und Tal eine faktische Rolle spielt. Für uns und die Kultur ist es klar: Die Studierenden sind ein wichtiges Publikum.
Lokremise
In der Lokremise (http://www.lokremise.ch/), welche man in 5 Minuten vom Bahnhof locker erreicht, findet man Angebote des Kunstmuseums, Theaters, Kinok sowie des Lokals. Noch eine Woche lang läuft das Stück der St. Galler Tanzkompagnie «Scenes For Nothing». Kinoliebhabern empfehlen wir das Montagskino, wo man Vorstellungen des Kinok für 10 Fr. anschauen kann. Das Lokal hat täglich bis 11 oder 12 Uhr nachts geöffnet.