Kann eine schlechte Sache guten Stil aufweisen? Grundsätzlich schon, denn nicht immer ist guter Stil nur bei den Guten zu finden, auch «das Böse» setzt ihn ein.
Im Jahr 1931 trat der Schneider und Unternehmer Hugo Ferdinand Boss der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) bei. Bereits ein Jahr später erhielt er den Auftrag, für die SS eine Uniform zu entwerfen und zu produzieren. Später belieferte Boss auch die Wehrmacht, die SA und die Hitlerjugend mit Uniformen. Heute ist Hugo Boss ein international bekanntes Modeunternehmen, welches unter anderem Herrenanzüge und Rasierwasser herstellt und für viele der Inbegriff für guten Stil ist.
Uniformen: schrecklich schön?
Überhaupt sind Uniformen ein zentrales Thema, wenn von gutem Stil in schlechter Sache die Rede ist. Natürlich basiert das Urteil «guter Stil» immer auf individuellem Geschmack, und auch beim Terminus «schlechte Sache» gibt es keineswegs eine völlige Trennschärfe, schliesslich gibt es durchaus friedensfördernde Kriegshandlungen. Doch insgesamt sind Uniformen ein Symbol für den Krieg, und dieser ist unabhängig von bestimmten Werthaltungen selten ein Heilsbringer. Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – üben Uniformen auf viele (vor allem Frauen) eine gewisse Faszination aus, und oft werden sie sogar als schnittig und elegant wahrgenommen.
Nicht nur in der Mode, auch im Verhalten eines Menschen drückt sich Stil aus. Und auch hier gibt es Beispiele, in welchen sich Menschen mit unrühmlichen Zielen eines tadellosen Stils bedienen – oft ermöglicht dieser ihnen sogar, ihrem Ziel näher zu kommen oder es zu erreichen. Beispielhaft ist hier der Fall des Gentleman-Räubers, nach welchem in Deutschland aktuell gefahndet wird. Der gut gekleidete und selbstbewusst auftretende Mann betritt jeweils nach Ladenschluss Filialen der Netto-Kette, stellt sich in bestem Hochdeutsch als Mitarbeiter der Firmenzentrale vor und erläutert, er müsse eine Überfall-Übung durchführen. Dann bittet er die Angestellten, sich auf den Boden zu legen, fordert den Filialleiter zum Öffnen des Tresors auf und verschwindet mit der Beute.
Ein weiterer Gentleman-Räuber schickte nach einem Raubüberfall die Schlüssel des gestohlenen Fluchtfahrzeuges an den Besitzer zurück und entschuldigte sich für den Überfall und die entstandenen Unannehmlichkeiten. Ein drittes Beispiel eines solchen Falles stammt aus Australien, wo ein Bankräuber sich jeweils schon während des Überfalls bei den Angestellten entschuldigte und immer nur so viel Geld mitnahm, wie er gerade dringend benötigte.
Die Mär vom freundlichen Mörder
Auch von Gentleman-Mördern wird berichtet. Allerdings ist es höchst fraglich, ob sich ein guter Stil und Leichen vertragen. Schliesslich ist auch tot, wer höchst freundlich und zuvorkommend um die Ecke gebracht wird. Allenfalls ist das Vorgehen kurz und schmerzlos, was jedoch kaum reicht, um einem Mörder einen guten Stil zu attestieren.
Hingegen werden die materiellen Verluste nach einem Gentleman-Raub in der Regel durch eine Versicherung gedeckt, und so sollte zumindest niemand physisch oder psychisch zu Schaden kommen. Dies soll natürlich keine Aufforderung sein, sich das Studium in Zukunft als Gentle(wo)man-Räuber zu finanzieren.
Es bleibt festzuhalten, dass ein guter Stil nicht zwingend mit einem hehren Ziel einhergehen muss. Aber auch der gute Stil kennt eine Grenze: Dort, wo Ziele und Taten zu grausam und verwerflich sind, kann unabhängig von der Vorgehensweise nicht mehr von einem guten Stil gesprochen werden. Mord bleibt Mord.