Philipp Wellstein wurde kürzlich mit 59.3 Prozent der Stimmen zum künftigen Präsident der Studentenschaft gewählt. Im Interview mit prisma sprach er exklusiv über den Wahlkampf, sein Verhältnis zum Dialog Klub und die aktuelle Unipolitik – von Masterbeschränkungen bis Studiengebühren.
Kannst du dich mit der HSG identifizieren?Ich identifiziere mich mit den Grundwerten der HSG in Bezug auf nachhaltiges Wirtschaften, solider ökonomischer Ausbildung und dem Verständnis der gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge.
Hast du wirklich das Gefühl, dass Nachhaltigkeit und Ethik die HSG ausschlaggebend prägen?Ich kann das nur aus meiner persönlichen Sicht beurteilen: Jeder einzelne hat die Aufgabe, das Gesagte kritisch zu hinterfragen und seine eigenen Schlüsse daraus zu ziehen. Und ich bin davon überzeugt, dass sich jeder Studierende diese kritischen Fragen stellt.
Und von Seiten der Uni kommt hier nichts?Sicherlich. Aber meiner Ansicht nach ist es nicht die Aufgabe einer Uni, zu sagen, was richtig und was falsch ist. Wir sollten so ausgebildet werden, dass wir uns eine eigene Meinung selbst bilden können.
Wie bist du eigentlich nach St. Gallen gekommen?Das war ein langjähriger Prozess. Ursprünglich wollte ich Linienpilot bei der Swissair werden. Nach meiner Matura im Jahre 2005 wurden aber keine Piloten gebraucht. So hat mich nicht zuletzt auch der Niedergang der Swissair wegen falscher Managemententscheidungen an die HSG gebracht.
Du warst bei der Studentenschaft bis jetzt ein Aussenstehender. Ist es nicht problematisch, ohne Erfahrung in dieser Organisation das Präsidentenamt zu übernehmen?Ich sehe es als Chance und bin optimistisch, dass ich mich in der Übergangsphase genügend informieren und mir das nötige Know-how aneignen kann. Das Argument «wir haben es immer schon so gemacht, also machen wir es weiterhin so» ist nicht annehmbar. Es ist sicher nicht unser Ziel, die SHSG komplett neu auszurichten. Aber wir wollen mit unserer Aussenperspektive motiviert ans Werk gehen, kreative Ideen einbringen und frische Lösungsansätze verfolgen.
Es wird auf jeden Fall einen Umbruch geben?Man darf nicht vergessen, dass bereits durch die Statutenreform ein grundlegender Umbruch eingeleitet wurde. Das ist der Auslöser für die neue Ordnung.
Wie erlebst du die Übergangsphase und die Zusammenarbeit mit dem alten Team?Konstruktiv, positiv. Ich möchte mich an dieser Stelle für ihr Engagement, das sie im vergangenen Jahr geleistet haben, ganz herzlich bedanken.
Du bist mit einer deutlichen Mehrheit gewählt worden. Wie erklärst du dir das?Ich versuche, es wie folgt einzuordnen. Einerseits hatte ich eine grosse Unterstützung aus meinem Umfeld. Andererseits gab es Leute, die zwei Masterstudenten eine Chance geben wollten, weil sie den Überblick über die Jahre hinweg haben. Da hatte die Gegenkandidatur vielleicht ein Handicap. Zu guter Letzt waren einige wohl mit der Arbeit des bisherigen SHSG-Vorstandes unzufrieden – und erhoffen sich durch diese Wahl einen Wandel.
Vor allem der Dialog Klub hat aktiv für dich Werbung gemacht. Wie kam es dazu?Das ist eine gute Frage. Ich kann mir das auch nicht abschliessend erklären. Von den Konflikten, die zwischen der Uni und dem Dialog Klub stattgefunden haben, habe ich nur aus der Zeitung und offiziellen Schreiben erfahren. Die aktuelle Vereinspräsidentin habe ich gerade eben am Vereinspräsidententreffen das erste Mal gesehen.
Trotzdem ist von Seiten Dialog Klub erstaunlich viel gekommen: Facebook-Gruppen, Rundmails etcetera. Das ist mehr als nur punktuelle Unterstützung; das war eine koordinierte Kampagne. Hat das alles wirklich ohne dein Wissen stattgefunden?Ich hatte bis Donnerstagabend der Wahl-Woche nicht mal einen Facebook-Account. Dann wurde ich dazu eingeladen, ein offizielles Statement für die Gruppe «Philipp Wellstein als Präsident» abzugeben. Ich muss offen und ehrlich sagen, dass ich von dem, was ihr hier ansprecht, wenig mitbekommen habe. Selbstverständlich haben mich Leute angerufen. Ich bin jederzeit per Mail und Telefon erreichbar – wenn man Fragen oder Anliegen hat, kann man einfach auf mich zukommen.
Viele wählten dich, weil du Schweizer bist. Spielt die Nationalität für das Amt überhaupt eine Rolle?Grundsätzlich besteht sicher der Wunsch nach derselben Diversität, wie wir sie an der Uni haben. Offenbar ist diese in den vergangenen Jahren nicht adäquat abgebildet worden. Deshalb gab es wohl auch einige Wähler, die dieser Entwicklung entgegentreten wollten. All jene, die das jetzt beschäftigt, kann ich beruhigen: Mit drei Schweizern, zwei Deutschen und einem Österreicher ist im neuen Vorstand diese Diversität eindeutig zu erkennen.
Was wird sich nach einem Jahr Philipp Wellstein an der Spitze der SHSG geändert haben?Ich hoffe, wieder ein breites Interesse der Studierenden an der Tätigkeit der Studentenschaft zu wecken. Das ist ein ambitiöses Ziel, aber wir können es erreichen. Ich möchte beispielsweise versuchen, als Präsident präsenter an der Uni zu sein – sei es dadurch, dass ich selbst in Vorlesungen gehe, um Sachen anzukünden, oder indem ich Vereinsanlässe besuche.
Hat das bis jetzt gefehlt?Das ist eine berechtigte Frage, ich kann sie aber nicht abschliessend beantworten.
Die Beschränkungen der Masterstudiengänge waren Wahlkampfthema. Was wollt ihr ändern?Wir möchten auf verschiedenen Ebenen tätig werden. Einerseits soll diese Diskussion sofort auf den Tisch kommen. Andererseits müssen wir das Beste aus der gegebenen Situation machen. Aber wenn ich hören muss, dass Studieninteressierten anscheinend empfohlen wird, lieber einen Bachelor an einer FH oder ein Fernstudium irgendwo im Ausland an dubiosen Unis zu absolvieren, um bessere Noten und somit grössere Chancen für die Masterzulassung in St. Gallen zu haben, dann ist das eine besorgniserregende Entwicklung. Da schadet sich die Uni selbst!
Und du hältst es für realistisch, das ändern zu können?Ich kann sicher keine Versprechen machen. Was ich machen kann, ist mein Bestes dafür zu geben, dass das Thema wahrgenommen und angesprochen wird. Wir wollen den HSG Bachelor-Abschluss im Bezug auf die Zulassung zu den Masterstudiengängen stärken. Denkbar wäre, dass man das aussercurriculare Engagement der Studierenden oder entsprechende Empfehlungsschreiben höher gewichtet, so hätten HSG-Studierende wieder fairere Chancen.
Wie stehst du zu den Erhöhungen der Studiengebühren?Ich kann heute nichts mehr daran ändern. Das war im Amtsjahr meines Vorgängers.
Wurde auch dieser Aufgabe unzureichend nachgegangen?Das kann ich nicht beurteilen, da ich die Faktenlage nicht kenne. Für mich geht es schlussendlich darum, die Interessen aller zu wahren. Aber wenn es nicht mehr möglich sein sollte, aufgrund zu hoher Gebühren ein Studium aufzunehmen, dann werden wir handeln müssen. Ob wir einen grossen Handlungsspielraum haben, kann ich im Moment noch nicht einschätzen. Und die steigende Differenz zwischen den Gebühren von Ausländern und Schweizern: Ist sie in dieser Grösse begründbar? Eine gewisse Differenz, wie es sie schon immer gab, ist nachvollziehbar und angebracht. Aber ich habe den Eindruck, dass wir in dieser Frage an der Uni zwei deutliche Lager haben (lacht).
Welchem würdest du dich zuordnen?Es ist meine Aufgabe, dass eine weitere Erhöhung der Studiengebühren in meinem Amtsjahr nicht vorkommt. Die Legitimität differenzierter Gebühren und deren Ausmass hingegen ist eine rein politische Frage – und es ist nicht meine Aufgabe, mich politisch zu äussern.
Warum? Siehst du dich denn nicht als Politiker?Nein, auf keinen Fall. Ich bin ja nicht Mitglied einer Partei.
Aber du bist doch Teil der Uni-Politik, das ist dein Job!Es ist klar, dass die Studierenden keine weiteren Studiengebührenerhöhungen möchten – egal in welchem Rahmen sie ausfallen. Das ist meine Meinung.
Was möchtest du deinen Mitstudierenden zum Abschluss dieses Interviews mit auf den Weg geben?Ich freue mich, gemeinsam mit meinem Vize-Präsidenten Tobias Weidmann und dem Vorstand das Amtsjahr am 1. Juni anzutreten und danke jetzt schon für alle Unterstützung, konstruktive Anregungen und dem Interesse der Studierenden für unsere Arbeit.