Professorenkolumne: Eselin am Berg

In unserer Professorenkolumne schreibt in jeder Ausgabe ein HSG-Dozent zu einem Thema, das ihm am Herzen liegt.
Ob es nicht ein wenig heroisch sei, auf Holländisch zu unterrichten nach nur einem Jahr in den Niederlanden, fragten mich meine Kollegen – halb bewundernd, halb kopfschüttelnd. Sie sollten Recht behalten. Ökonomie in einer Fremdsprache zu unterrichten, sei ja nicht so schwierig, dachte ich. Vieles kann doch wohl an der Wandtafel grafisch erklärt werden – Powerpoint gab es damals noch nicht. Formeln sind ja ohnehin in jeder Sprache gleich.

Das funktionierte wunderbar in den Übungen zur Einführung in die Volkswirtschaftslehre. Doch bereits in der zweiten Vorlesung, Öffentliche Finanzen, war Schluss. Nicht dass der Stoff zu anspruchsvoll gewesen wäre, nein: In der ersten Reihe sass eine blinde Studentin. Gross war meine Bewunderung, noch grösser allerdings die Verzweiflung, als mir bewusst wurde, wie stark wir uns im Unterricht auf visuelle Hilfsmittel verlassen. Schwierig genug, Grafiken und Formeln in die Muttersprache zu übersetzen; dies in einer Fremdsprache zu tun, schien mir fast unmöglich. Mit der Zeit ging es glücklicherweise besser. Die KommilitonInnen halfen ihrer blinden Kollegin und mir, wo sie konnten. Irgendeinmal merkte ich, dass meine Defizite nicht nur in der Sprachkompetenz lagen, sondern auch in – wie es heute so schön heisst – interkultureller Kompetenz. Mein Versuch, die buckelförmige Kurve (es könnte die Laffer-Kurve gewesen sein) mit einem «Heuvel» (= Hügel) zu vergleichen, löste ein sofortiges, 40-faches Echo aus: «Nee, mevrouw, dit is niet een heuvel, dat is een berg!»


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