Wahn und Wahnsinn

«Das ist Wahnsinn» sang Wolfgang Petry schon 1983 und liess die ganze Welt mehr oder weniger freiwillig an seinem Herzschmerz über die Wankelmütigkeit seiner Lebensabschnittspartnerin teilhaben. Petry beschreibt seine Situation als geradezu unverständlich, un- und widersinnig. Damit misst er dem Wort «Wahnsinn» – wie wohl die meisten unter uns dies spontan tun würden – eine ausgesprochen negative Bedeutung zu.

Diese spontane Assoziation erstaunt nicht im Geringsten, vergegenwärtigt man sich erst einmal einige Synonyme, welche der Duden zum Wort «Wahnsinn» nennt. «Halluzination», «zwanghafte Einbildung», «Irrwitz» oder «Narretei» lösen wohl bei niemandem spontane Jubelrufe aus. Inhärent ist dem Begriff dabei immer auch ein gewisser Grad der Verrücktheit. Mit der Geschichte gewachsen, lässt sich heute aber nur noch schwer sagen wer, zu welcher Zeit, aus welchem Grund als wahnsinnig galt und wer lediglich als «etwas anders». Eines aber ist gewiss: Mit absoluter Objektivität wird man kaum jemanden als verrückt bezeichnen können, liegt der Irrwitz und die Unsinnigkeit doch gerade im Abweichen von einem – letzten Endes von anderen Personen – erwarteten Verhalten. Und so darf man zumindest fragen, ob an unserer Wahrnehmung des Wahnsinns ohne Weiteres festgehalten werden kann und ob nicht vielleicht die als wahnsinnig Abgestempelten doch viel normaler sind als angenommen.

Gerade in der Umgangssprache bilden wir zwischen Wahnsinn und Wahn, bei dem jemand einer irrigen Vorstellung erliegt oder aber zwanghafte Einbildungen hat, die sich in der Realität nicht nachweisen lassen, eine enge Verbindung. Auch hier sehen wir vordergründig etwas Negatives. Verfolgungswahn, Geisterwahn, Grössenwahn oder Querulantenwahn; sie alle lassen Personen auf uns auch etwas wahnsinnig wirken.

Letzten Endes wirken Wahn und Wahnsinn – bei all den negativen Beilegungen – aber auch anziehend auf uns. Gerade die Andersartigkeit, das Wahnhafte interessiert uns an anderen Menschen, während gewöhnliches, sogenannt «normales Verhalten», beinahe schon als langweilig gilt.

In diesem Sinne wünsche ich dir, liebe Leserin, lieber Leser eine wahnsinnig anregende Lektüre!


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