Happiness is expensive!

Wer an der HSG im Bachelor studiert, kommt zumindest um drei Dinge nicht herum: «Mönögement», Flyering und die umfangreiche Kunstsammlung der HSG. Letztere wurde nun um drei prominent platzierte Werke erweitert.

Am meisten Aufmerksamkeit ziehen sicherlich die diversen Video-arbeiten des Appenzellers Roman Signer auf sich, die im Untergeschoss des Hauptgebäudes vor dem Raum 01-U126 gezeigt werden: Das vom Ehepaar Dirrheimer und Bruno Widmer gestiftete Werk kombiniert 14 verschiedene Videos aus den Jahren 1988 bis 2011 und vereint dabei «Leid und Freude, Komik und Tragik, Anspannung und Spiel», so Professor Yvette Sánchez, Präsidentin der Kunstkommission der HSG und in dieser Rolle verantwortlich für die Auswahl an Kunstwerken. Dem Autor indes erschienen die Videos insgesamt eher destruktiv: So wird etwa durch das Aufheben einer Wassersperre ein Mühlrad in Gang gesetzt, dass in seiner Drehbewegung ein Seil verzwirbelt, an dessen Ende ein Stuhl befestigt ist. Dadurch wird dieser zwangsläufig immer näher an die Übersetzung des Mühlrads gezogen und erliegt dort dem Spiel zwischen dem Zug des Seils und dem Widerstand der Wand. Die restlichen Videos beinhalten ebenfalls oft zerstörerische Elemente, wie zum Beispiel im Falle des Kanus, das von einem Auto einige Kilometer über einen steinigen Weg geschleppt wird. Solange, bis der Boden des Kanus komplett durchscheuert ist und der Ruderer anhalten möchte. Abgesehen davon kehren auch diverse Leitmotive, wie die Verwendung von Sprengstoff aller Arten und Lehm, in den Videos wieder. Letzterer kann dabei stellvertretend für die Regieführung des Filmes gesehen werden: So wie der Lehm in einem der 14 Videos den schnellen Fall einer Kugel abbremst, wirkt auch der Film verlangsamend auf die eigentlich «wilden» Vorgänge: Die neutral gehaltene Kameraführung (teilweise bleibt die Kamera sogar fixiert) wird in ihrer stoischen Ruhe durch keinen Kommentar, durch keinen Schriftzug unterbrochen – einzig zwischen den Videos erscheinen kurz vor einem schwarzen Hintergrund Titel, Zeitpunkt und Ort der Aufnahme. Ihren komischen Höhepunkt erreicht diese Behäbigkeit in einer Szene, in der ein Mann auf seinem Weg mit jedem Schritt eine Sprengfalle auslöst. Unterstützt wird diese Behäbigkeit zudem dadurch, dass auf Schnitte weitestgehend verzichtet wird.

Nur wenige betrachten das gesamte Video

Den vollen Film dürften bisher nur wenige Menschen gesehen haben – die meisten stolpern eher auf dem Weg zur oder von der Mensa über das gerade laufende Video. Denn mag die Konstruktion in der ersten Woche noch bei vielen Verblüffung ausgelöst haben, so achtet der durchschnittliche Studierende mittlerweile nur noch selten auf die Clips. Den Charakter des Films, nur im Vorbeilaufen betrachtet zu werden, bekam denn auch der Autor dieses Artikels während seiner «Recherche» zu spüren, als er zur Mittagszeit von einigen Leuten zwei- oder mehrmals angetroffen und von diesen mit verwunderten Blicken gemustert wurde.

Macht Geld glücklich – kostet Glücklichsein?

Hat man sich denn schliesslich an den verschiedenen visuellen Köstlichkeiten Roman Signers geistig satt gesehen und versucht nun auch den körperlichen Hunger zu stillen, trifft man sogleich auf das nächste neue Kunstwerk, das, kaum weniger prominent platziert, ungleich provokanter ist: Der Neon-Schriftzug «Happiness is expensive» des mexikanischen Künstlers Alejandro Díaz (ein Geschenk von Frau Yong-Suc Hungerbühler-Chyun) hat bereits diverse Gemüter erregt. Den einen kommt es wie Hohn vor, bestätigt es aus ihrer Sicht doch alle Klischees der HSG. Andere hingegen stimmen der Aussage zu einem Grossteil zu und wundern sich über die bösen Blicke, die ihre Kommilitonen dem Werk schenken. Einige schliesslich fassen die Aussage des Schriftzugs ironisch auf und sehen darin ein kritisches Hinterfragen des Leitgedankens einiger HSGler. Über die Interpretation seines Kunstwerks an der HSG hat sich Díaz, der bereits diverse Leuchtschriftzüge erstellt hat, bei der Erschaffung indes vermutlich wenig Gedanken gemacht. Einen Einfluss könnte gemäss Professor Sánchez vielmehr Díaz Umfeld, bestehend vor allem aus eingewanderten Latinos, die den American Dream leben wollten, gehabt haben. Die Relevanz für die HSG sieht sie unter anderem bei der Frage, ob eine der Hauptaussagen der Nationalökonomie, nämlich dass man Glück mithilfe des BIP messen kann, überhaupt noch zeitgemäss ist – die HSG habe hier in den letzten Jahren intensiv geforscht.

Kunst – nun auch in der Sporthalle

Doch selbst kontroverse Aussagen wie «Happiness is expensive» können einen HSGler wohl nicht von seinem Mittagessen abhalten – also weiter im Kreislauf: Viele zieht es danach in die Sporthalle, um eventuell überzählige Kilos wieder abzutrainieren. Hier bietet sich die Gelegenheit, das letzte Kunstwerk, ein Selbstportrait des Künstlers Yan Pei-Ming, zu sehen – zumindest in naher Zukunft. Da das Kunstwerk zu seinem Schutz vor Bällen hinter einer dicken Glasscheibe aufgehängt werden soll, verzögert sich das Befestigen des Bildes (leider) noch. In Rottönen gehalten, greift es der Interpretation von Professorin Sánchez zufolge provokativ das vielen bekannte Konterfei Maos auf.

Resonanz der Studierenden eher negativ

Insgesamt ist die Resonanz der Studierenden auf die neuen Kunstwerke recht neutral – die meisten nehmen sie, wie oben angedeutet, nach einer Weile nur noch passiv wahr. Einige negative Stimmen gab es zu Video und Neonschriftzug: Obwohl es sich in allen Fällen um Schenkungen oder Leihgaben handelt, wurde der Stromverbrauch insbesondere des täglich 15 Stunden laufenden Beamers bei geringem Gegenwert für den Durchschnittsstudenten bemängelt. Zudem wird gelegentlich kritisiert, dass im Gegensatz zu den Werken von Giacometti, Richter und Mirò, bei denen die Gebäude-Umgebung spezifisch für diese Kunstwerke geschaffen wurde, keine besondere Bindung zwischen Standort und Kunstwerk vorliegt. Nichtsdestotrotz führen auch die «Neuen» die Tradition Professor Nägelis, der einst die Kunstsammlung der HSG durch sein Engagement begründete, fort und erstaunen insbesondere neue Besucher der Universität, mit der stetig wachsenden Kunstsammlung unserer Alma Mater.


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