«Ich bin eine Schokoladennutte»

Unter dem Titel «Erhörte Gebete» (Answered Prayers) veröffentlichte Truman Capote 1987 seine Abrechnung mit der Upperclass der damaligen Zeit: «Ich bin Schriftsteller und verwende alles. Haben die etwa geglaubt, ich sei nur zu ihrer Unterhaltung da?»

In drei nicht zusammenhängenden Kapiteln wird man vom Ich-Erzähler P. B. Jones auf eine Reise durch die Herrenhäuser, Stadtwohnungen und Nobelhotels der Welt der späten 80er-Jahre mitgenommen und hüpft mit ihm von Bett zu Bett. In episodenhaften Erzählungen erhält man diverse Einblicke, so auch in die Vergangenheit von Jones, die ihn zu dem macht, der er geworden ist.

Er sah sich früh als prädestiniert dafür, seinen Lebensunterhalt durch die Arbeit in einem Escort-Service zu verdienen. Als Masseur und Lustknabe gelang ihm so auch schnell der Einstieg in die oberen Kreise der Gesellschaft. Das Schöne an P. B. Jones ist, dass er nicht nur gegenüber allen anderen zynisch und kritisch, bösartig und garstig ist, sondern auch gegenüber sich selbst. So ist er sich vollumfänglich darüber im Klaren, dass er schon als kleiner Junge verdorben gewesen sein muss und für ein Stückchen Schokolade alles getan hätte. In seinem Urteil über sein Umfeld ist er immer ehrlich und beschreibt treffend die skurrilen Figuren der 80er-Jahre, so dass man ein Schmunzeln nicht unterdrücken kann.

Es sei für ihn kein Problem gewesen, die Kapitel derart zusammenhanglos zu schreiben, sagt Capote über sein Werk, «weil sowohl die Personen als auch die verschiedenen Handlungszüge direkt der Wirklichkeit entnommen sind».

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