Seit diesem Frühling streitet sich die berühmteste Fliege an der HSG nicht mehr mit Herrn Blocher in der Arena, sondern liegt im Gebäude 01 begraben. Nach vielen hartnäckigen Anfragen ist prisma nun der Coup eines exklusiven Tête-à-Tête mit dem neuen Superstar auf dem Campus gelungen.
Erika, nach einer langen Reise und viel Medienrummel bist du endlich in deiner neuen Heimat angekommen. Wie fühlst du dich?Ich bin tot, aber danke der Nachfrage.
Geht das auch ohne Sarkasmus?Mir gefällt bisher ganz gut an der Universität St. Gallen. Während gewissen Vorlesungen liegt manchmal so ein leichter Essensgeruch in der Luft , der mich wie zu Hause fühlen lässt. Ich bin allerdings schon froh, dass die Menschen hinter eine Glaswand gesperrt bleiben, längst nicht alle sind so zahm wie Frank und Patrik.
Es sind auch längst nicht alle so begeistert von dir wie diese beiden. Nicht wenige sagen eine „gewöhnliche“ Fliege habe niemals so viel Aufmerksamkeit verdient…Haters gonna hate. Jene Leute, die mir vorwerfen nichts geleistet zu haben, was meinen Promistatus rechtfertigen würde, vergessen, dass Selbstvermarktung ebenfalls eine Fähigkeit ist. Wenn ich nur eine „stinknormale“ Fliege bin, so ist es doch umso beeindruckender was ich erreicht habe. Im Gegensatz zu Kim, Paris, Micaela und wie sie alle heissen, habe ich dies sogar ohne jegliche sexuelle Freizügigkeit geschafft.
Das ist ja alles schön und gut doch bist du wirklich einen sechsstelligen Frankenbetrag Wert?Rein materiell, nein. Allerdings ist im gleichen Atemzug zu bedenken, dass die reinen Elemente eines toten Menschen ebenfalls nur ein paar Fränkchen wert sind. Der empfundene Wert einer Sache enthält also sicherlich auch eine aus dem sozialen Kontext konstruierte Komponente.
Ist ein HSG-Abgänger 200’000 Franken im Jahr wert?
Ist“ Grumpy Cat“ 100 Millionen Franken wert?
Ist die Mona Lisa eine Milliarde Franken wert?
Von mir aus kann man mich als Epitom der Absurdität unseres ökonomischen Systems betrachten, aber am Ende muss ich doch Schweizern und HSGlern nicht erklären, worin die Vorteile liegen sich selbst im Hochpreissegment zu platzieren.
Nichtsdestotrotz, bist du nicht zu profan, um die Bezeichnung als „Kunst“ wirklich zu verdienen? Wenn du Kunst bist kann ich doch auch gleich mein WC-Papier als „Kunst“ bezeichnen!Ist Kunst nicht etwas Subjektives? Gute Kunst ist für mich nicht nur ästhetisch sie regt den Betrachter auch zum Nachdenken an. Aus dieser Perspektive sind es nicht zuletzt die provozierten Reaktionen, welche mir meine Legitimation verleihen. Mit wie vielen WC-Rollen oder Gemälden an der HSG hast du bisher ein Interview geführt?
Touché, deine Mentoren möchten durch dich auch das Verhältnis zwischen Menschen und Fliegen etwas in Frage stellen. Wie steht es denn um diese Beziehung?Es ist eine Hassliebe. Wir Fliegen erfahren viel Leid durch Menschenhand, wir haben aber auch gelernt von euch zu profitieren. Etwas allgemeiner ist festzustellen, dass sich der moralische Kompass des Menschen vor allem nach anthropomorphischen Merkmalen ausrichtet. Tiere welche mit dem Menschen kommunizieren können oder zumindest den Anschein dazu erwecken, erhalten eine bevorzugte Behandlung, unabhängig von einer objektiven Einschätzung ihrer Intelligenz oder anderer Faktoren. Für Tiere wie uns hat der Mensch schlichtweg keine Moral übrig.
Mit dem Gütesiegel „Insect Respect“ soll sich dies nun aber ändern…Die Aktion ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung, wir dürfen aber nicht vergessen, dass die Muscaphobie noch immer tief in der menschlichen Gesellschaft verankert ist. Es sind längst nicht nur die Extremisten wie der Präsident der USA, welcher ein brutales Tötungsvideo in die ganze Welt aussendete, die Unterdrückung geschieht auch auf einer viel subtileren Ebene, wie etwa durch die Sprache: Mit dem Ausspruch „Mach’ne Fliege“ werden Menschen unfreundlich zum fortgehen aufgefordert, der Teufel wird auch als der „Herr der Fliegen“ bezeichnet oder im UNO Sicherheitsrat wird immer wieder über „No-Fly-Zones“ diskutiert.
Ich will aber auch nicht alle Menschen über einen Kamm scheren. Es gibt durchaus Personen, welche bereit sind ihre Scheuklappen abzulegen und sich für die Kultur der Fliegen interessieren. Ein Freund hat mir kürzlich ein Video geschickt indem sich zwei Frauen an unsere Küche wagen. Die beiden haben einen Becher und…
STOOOP!!! Ich glaube ich verstehe schon worauf du hinaus willst! Machen wir doch einen Themawechsel: Wie siehst du deine persönliche Zukunft?Ich werde bis auf weiteres hier an der HSG bleiben. Um relevant zu bleiben, in die (lokale) Popkultur einzufliessen und meinen Wert zu steigern, muss ich allerdings weiterhin „News“ produzieren. Aus diesem Grund plane ich ein paar unterbeschäftigte Marketingstudenten zu engagieren, welche sich insbesondere um meine Social Media Präsenz kümmern und regelmässig Tweets und Instagramm-Bilder von mir hochladen.
Impliziert dies auch eine politische Tätigkeit? Wie stehst du zu jener Frage, an welcher auf dem Campus derzeit sowohl Liebschaften als auch lebenslange Freundschaften zerbrechen: Studentenschaft oder Studierendenschaft?(schmunzelt) Der Mensch ist das einzige Tier, welches sich den Luxus leisten kann, sich mit solchen Trivialitäten zu befassen. Wenn ich ein Mensch wäre würde ich jetzt sagen diese Frage sei mir schei**egal, doch im Gegensatz zu euch ist mir die Schei**e nicht egal.
Gibt es noch etwas, dass du den Lesern mitteilen möchtest?Ich weiss aus eigener Erfahrung, dass einen manche Fliegen zum Teil ganz schön auf die Nerven gehen können, aber zeigt in solchen Fällen doch bitte etwas mehr Nachsicht. Wie würdest du dich fühlen wenn dein Klo plötzlich versuchen würde dich umzubringen?