Während der erste Tag noch eher, allerdings sicherlich auch nicht nur, vom Kleinen geprägt war, lag der Fokus am Freitag eher auf dem Grossen.
Am Morgen stellte sich Anders Fogh Rasmussen, der ehemalige Generalsekretär des grössten Militärbündnisses der Welt den Fragen von BBC HARDtalk Moderator Stephen Sackur (Video). Rasmussen sprach dabei davon, dass die Situation in der Ukraine ein „wake-up call“ sei und Europa vor die grösste Herausforderung seit dem Ende des Kalten Kriegs stelle. Es sei besonders wichtig, dass die NATO den Artikel 5 einhalte (Ein Angriff auf ein Mitgliedsland stellt einen Angriff auf alle Mitgliedsländer dar. Dieser Artikel wurde nach den Terrorangriffen des 11. Septembers zum ersten und bisher einzigen Mal ausgelöst) und determiniert reagiere im Falle einer russischen Aggression gegenüber den östlichen Mitgliedsländern des Bündnisses. Am Wales Summit 2014 sei auch klar bestimmt worden, dass dieser Artikel ebenfalls für Cyberangriffe gelte. Auf die Frage Sackurs, ob ein kleines Stück Land in Estland es denn wirklich Wert sei das nukleare Armageddon zu riskieren, antwortete Rasmussen, dass es verschiedene Möglichkeiten gäbe auf eine Provokation oder einen Angriff zu reagieren. Konkrete Angaben dazu wollte er aber auch nach Nachhaken des Moderators nicht machen. Diese Ambiguität sei auch schlicht nötig im Angesicht der russischen Aggressionsstrategie, welche er als „hybrid warfare“ bezeichnete. Die Aggression geschieht verdeckt mit einer relativ geringen aber steten Intensität und soll kombiniert mit einer Offensive im Informationskrieg den Osten Europas einschüchtern und in die Arme Russlands treiben.
Angelas Stecken
Der Ex-Generalsekretär, welcher die NATO provokativ als „the worlds most successful peace organisation“ bezeichnete, verneinte zwar nicht, dass Gewalt nicht die Lösungen aller Konflikte ist, meinte aber er halte es wie Theodore Roosevelt: „Speak softly but carry a big stick“. Worauf Sackur zur Amüsation von Teilen des Publikums die Frage anstellte „Do you think Angela Merkel carries a big stick?“. Rasmussen antwortete: „I think she has, but for historical reasons she’s also reluctant to use it.“ Der frühere dänische Premierminister forderte, dass alle NATO-Mitglieder die Benchmark von 2% des BIP für Verteidigungsmassnahmen ausgeben, um die finanziellen Lasten fairer zu verteilen. Europa könne sich nicht über die US-Hegemonie in der NATO beklagen, wenn diese 75% des Budgets berappen. Ob das Geld in militärischer Aufrüstung tatsächlich gut investiert ist, sei dahingestellt. Als Rasmussen von einem Ugander aus dem Publikum mit Hinblick auf die Flüchtlingskrise auf die absolut katastrophalen Folgen der Intervention in Libyen, sowohl für Afrikaner als auch für Europäer, angesprochen wurde, versteckte sich dieser hinter dem UN-Sicherheitsrat, deren Resolution die involvierten NATO-Staaten allerdings, zumindest aus chinesischer und russischer Perspektive, eindeutig verletzt haben.
Ein unerwartetes Heimspiel
Der Auftritt von Thomas Jordan am Nachmittag wurde mit einer gewissen Spannung erwartet, dürften sich doch im Publikum einige Exportunternehmer befinden, welche von der Aufhebung der Eurountergrenze betroffen waren. Der Moderator Lord Griffiths, welcher sich in der Nacht über den Wahlsieg David Camerons freuen durfte, witzelte zu Beginn ein Teilnehmer habe ihm mit Hinblick auf sein Podiumsgespräch geraten „introduce him and run“. Umso überraschender das Ergebnis der Publikumsabstimmung: Überragende 80% der Teilnehmer bewerteten Jordans Aufhebung der Eurountergrenze als langfristig positiv für die Schweiz. Auch bei den Publikumsfragen wurde die Aufhebung nicht kritisiert, im Gegenteil, gleich zwei Teilnehmer hinterfragten wieso die SNB die Untergrenze überhaupt eingeführt habe.
„We are short of trees and leaders.“
Das letzte Panel des Tages befasste sich mit der Entwicklung der Weltwirtschaft und dank Paul Polman, von dem auch das Zitat im Titel stammt, entwickelte es sich zu einem der interessantesten. Der CEO von Unilever gab sich nicht mit dem Status Quo zufrieden und setzte unter grossem Applaus zur Brandrede für die Umwelt und soziale Gerechtigkeit an:
“Take the United States for example, one of our big markets, not surprisingly, they might say the US is starting to grow again, but you look at the trillion of dollars that have been pumped into the economy with quantitative easing and you look at the return it was probably one of the worst decisions that any businessman could have taken. If I would have run this business with that investment and that return, I wouldn’t be sitting here and still have my job. (…) And what you see in the US actually is an economy that is regressing instead of progressing. The numbers might say the economy is growing, but actually 70 million are living below the poverty line. One out of five kids cannot go to school. The people that have work have significantly changed the definition of work or their income and the same is happening right now in Europe. And those are our consumers. So our market themselves are not fairly realistic about that. Unless we start figuring out how we can create a more inclusive economic model. And this year is the ideal opportunity to do that.”
Und er doppelte nach:
“So this year, the biggest risk and the biggest challenge, but the biggest opportunity is: Do we have the moral authority and courage to be ambitious enough, to (…) care about humanity in its broader sense? Are we putting the interests of others ahead of our own, recognising that by doing so we would be better off ourselves as well? How many people want to go to a bar with a friend that you always end up paying for? How many people want to have people in their families that don’t show unconditional love to their children and want the best of education careers and opportunities? Why don’t we apply the same principles to our fellow human beings that unite us more than anything else and yet we spoke at 100% on driving the differences. In the newspapers, in politics, we thrive on that, not recognising that we are 99.999% common and we will only survive if we work together for that humanity. If you sit in this audience then you belong to what I call the 2% of the world population that I happen to belong to. I grew up in the Netherlands, education was free, healthcare was free. You know, in many places in the world, that’s not the case. One out of 20 children doesn’t make it past the age of five. There is still a billion people going to bed hungry every night, not even knowing if they wake up the next day. So if you belong to these 2% as we all do (…) isn’t it our duty to put ourselves to the service of the other 98%? That’s the only question I’ll leave you with.”
Und damit werde es auch ich belassen.