Man kann Roger Köppel viel vorwerfen – aber mangelnde Eloquenz und Überzeugungskraft gehören nicht zu seinen Schwächen. Dass er diese aber nutzt, um unter dem Mantel der Demokratieförderung zu polarisieren und zu polemisieren ist verantwortungslos. Ein paar Punkte herausgegriffen:
Bereits zu Beginn des Interviews stellt Köppel die «freiheitliche Kultur» der Schweiz heraus. Später argumentiert er wieder – scheinbar hochvernünftig – wie es sich für einen aufgeklärten und gebildeten Weltbürger gehört: «Wir brauchen Meinungsvielfalt statt Meinungseinfalt»
Schade nur, dass er diesem Anspruch in keiner Weise gerecht wird. Für Christoph Blocher beispielsweise kennt er nur zwei Etiketten: Diejenige des «dämonischen Antichristen» und diejenige des «hochintelligenten, verdienstvollen Politikers». Zwischentöne oder gar eine differenzierte Darstellung unerwünscht! Genauso inkonsequent in seiner geforderten Meinungsvielfalt ist Köppel in der Bildungspolitik. Die geforderte «Privatisierung der Hochschulausbildung», würde zu massiven Verlagerungen in der Studienwahl führen: BWL & Jura in, Geisteswissenschaften out. Den Brückenschlag von Ausbildungseinseitigkeit zu Meinungsvielfalt bleibt Köppel während des gesamten Interviews jedoch schuldig – ausser natürlich er meint statt Meinungs- die Einkommensvielfalt und wir sollten seine Aussagen als Plädoyer für eine zwei bis acht Klassengesellschaft verstehen.
Volk und Demokratie
Ein weiterer Blick lohnt sich auf seine Meinung zur Demokratie. Die Forderung, dass das Volk über «Absolut alles» abstimmen sollte, klingt erstmal nicht schlecht. Durch das Demokratieprinzip steht die ganze westliche Welt in Punkto Lebensstandard und Zukunftsperspektiven dort wo sie jetzt steht – und unter ihnen ist die Schweiz sicher ganz vorne mit dabei. Um aber die Folgen eines demokratischen Absolutismus, wie Köppel in fordert, bewerten zu können, genügt ein Blick in die Geschichtsbücher.
Denn was war der Nährboden, auf dem das im Interview so gekonnt inszenierte Beispiel von Adolf Hitler wachsen konnte? Zu guten Teilen die Trümmer der Weimarer Republik. Aber woran ist diese gescheitert? Richtig: Die Bürger konnten die Demokratie abwählen. Indem eine rechtsnationalistische Partei, deren Programm ausdrücklich die Abschaffung der Demokratie vorsah, gewählt wurde kam es langfristig zu unnötigem Tod und Leiden von Millionen von Menschen.
Rhetorische Keulen und Wortschwalle
Man könnte jetzt noch vieles bemängeln – angefangen bei Köppels Meinung zum Journalismus, weiter zu seiner ambivalenten Haltung zur Elitenbildung (zwar ist sie des Teufels, aber das ist doch kein Grund sie als HSG-Dozent nicht zu fördern!) bis zu seiner völlig abgehobenen Meinung zu den Menschenrechten oder der «Fehlkonstruktion EU». Dieser Beitrag jedoch soll den Leser über die Stichhaltigkeit der Argumente überzeugen – und ihn nicht mit rhetorischen Keulen und Wortschwallen erschlagen, wie Köppel das so gerne versucht.
Neben einem vernünftigen Weltbild wäre es nämlich auch wünschenswert, wenn Köppel sich mit anderen als seiner Meinung auch auf einer differenzierten Sachebene befasste.
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MEHR DAZU
- Heft: «Demokratie ist das Gebot der Stunde!»
- Blog: Macht mal halblang!
- Blog: It’s tea time
8 Comments
Nico
Ich habe eben die Antworten hier nur eben überflogen – aber wer denkt, dass der Nationalsozialismus irgendwas mit Sozialismus gemeinsam hat außer dem Namen hat sich wohl zuviel Glen Beck auf Fox News angeschaut.
Um mal die Kernpunkte der sozialistischen Ideologie, vor allem nach Marx, zu nennen:
Kollektives Eigentum – Vorhanden unter Hitler? Nein. Unter Hitler bildeten sich ja gerade Oligarchien, die der Sozialmus als Wurzel allen Übels sieht
Absolute Gleichheit aller Völker – natürlich nicht
Aber um deiner Argumentation zu folgen, war auch das antike Rom eindeutig sozialistisch, auch hier wurden andere Völker für das KOLLEKTIV der römischen Bürger enteignet, das Landeigentum dem römischen Staat als STAATSEIGENTUM einverleibt und sie wurden von den römischen Soldaten (Oh mein Gott, das sind ja STAATSBEAMTE) umgebracht.
Das antike Rom ist also eindeutig sozialistisch
– Der Staat unter Hitler war eindeutig rechtsnationalistisch, nationalistischer als die Welt unterjochen zu wollen um der eigenen Nation ein besseres Leben (und sich selbst natürlich Macht en masse) verschaffen zu wollen, geht es ja nicht wirklich.
Ruben Schönenberger
ich sehe bei roger köppel aber wenig von “auf eine meinung einlassen und sich inhaltlich damit auseinandersetzen”. ich sehe bei ihm – übrigens genauso wie bei vielen anderen politikern jeglicher richtungen – eigentlich nur ein undifferenziertes “bashing”.
Ist denn der bürgerliche Liberalismus in der Praxis z.B. nicht auch bis in die Absurdität getriebener Steuerwettbewerb, der zu explodierenden Mieten in den Steuerparadiesen führt, die erst noch rote Zahlen schreiben? Versteh mich nicht falsch, ich will keinen zentralisierten Staat, ich will auch nicht, dass der Staat überall eingreift. Der bürgerliche Liberalismus in der Schweiz von heute erinnert mich aber meist eher an eine Bevorzugung der vermögenden, besser gesetellten Schicht als an eine grundlegende Einstellung zur Staatsform.
Carl Cornichon
Was heisst es, andere Meinungen zu „akzeptieren“ oder zu „respektieren“? Zeugt es nicht von Respekt und Akzeptanz, wenn man sich auf eine Meinung einlässt und sich inhaltlich damit auseinandersetzt? Quasi als Gegensatz dazu, eine Aussage pauschal mit inhaltslosen Worthülsen wie „polarisierend“ „undifferenziert“ oder „lächerlich“ zu bezeichnen?
Naja, auf Roger Köppel trifft dies jedenfalls nicht zu. Ex-SP-Chef Peter Bodenmann hat eine ständige Kolumne in der Weltwoche. Im Juli gab es ein grosses Interview mit Cédric Wermuth und Thomas Held. Köppel‘s Weltwoche ist offenbar „vielfältig“ genug, dass sich Pascale Bruderer im Bundeshaus vor einigen Wochen lauthals beschwerte, als alle 200 Exemplare schon weg waren.
Der bürgerliche Liberalismus in der Praxis ist eigentlich das, was wir in der Schweiz weitgehend haben. Der Wohlstand der Schweiz ist das Resultat von jahrhundertelangem Liberalismus, einem freien Unternehmertum und einer föderalistischen Demokratie, in der der Zentralstaat auf Bundesebene nur eine begrenzte Rolle spielt. Dies im Gegensatz zu anderen europäischen Staaten, wo die Staatsmacht zentralisiert ist, und deren Demokratie stark beschnitten ist. Beispielsweise konnten die meisten europäischen Völker nicht demokratisch abstimmen, ob sie der EU beitreten oder den Euro übernehmen wollten. Und siehe da, mit was für Problemen sie jetzt zu kämpfen haben.
Ruben Schönenberger
@Carl Cornichon:
Mal ganz abgesehen davon, dass es durchaus Leute gibt, die die Verantwortung tragen, etwas zu sagen oder nicht zu sagen: Es geht doch nicht darum, ob man was sagt oder nicht, sondern was man sagt. Und jeder Mensch trägt hier eine Verantwortung, weil jede Aussagen Konsequenzen haben kann. Ich gebe dir jedoch recht, dass Meinungsvielfalt nicht heisst, dass man selber viele verschiedene Meinungen haben kann. Das wäre ja auch fast schizophren. Zur Meinungsvielfalt gehört aber eben, andere Meinungen zu akzeptieren. Bei Roger Köppel scheint es mir, als ob er oft darauf pocht, seine Meinung kundtun zu dürfen, die Meinung der anderen aber kaum je respektiert. Akzeptanz/Respekt ist nun mal keine Einbahnstrasse!
Zur Privatisierung der Ausbildung: Abgesehen von ganz grundsätzlichen Problemen, dass ich nicht mit einem enormen Schuldenberg in meine berufliche Laufbahn starten will: Effizienz ist nun mal nicht alles! Ich verstehe, wie du argumentieren willst. Aber mal ehrlich: Regelt der Markt denn wirklich alles so gut? Ist es mit Effizienz allein wirklich getan? Gemäss deiner Logik würden die Studierenden zwangsweise auf die Berufe setzen, die ein hohes Einkommen versprechen, damit man seine Schulden schnell wieder abbauen kann. Warum soll sich dann noch jemand zum Krankenpfleger ausbilden lassen? Der Lohn ist da schliesslich nicht gerade berauschend. Trotzdem ist der Job ungemein wichtig, obwohl er nicht – wie du es nennst – in einem real-produktiven Unternehmen angesiedelt ist. Schliesslich werden Gesundheit & Co. nicht geschaffen. Warum Sozialarbeit unnötig sein soll, ist mir übrigens auch schleierhaft, aber ich fürchte, deine Kategorisierung ist da ziemlich ideologie-verblendet. Das zeigt auch das Beispiel International Affairs. Du hast vermutlich kaum eine Ahnung, was dieser Studiengang beinhaltet bzw. was aus den Absolvierenden wird. Ums für deine Ideologie zu verpacken: Edgar Oehler der AFG-Chef, hat Staatswissenschaften an der HSG studiert. Dieser Studiengang kann als Vorgänger des IA-Studiengangs gesehen werden. Und gemäss deinen Massstäben müsste Oehler ja ein absoluter Topshot sein.
Zu deiner angeblichen Sozialismuserklärung will ich gar keine Worte verlieren. Die ist schlicht lächerlich, auch wenn (oder gerade weil?) Christoph Blocher sowas in der Art auch schon bei einer Albisgüetli-Rede erwähnte. Was ist denn der bürgerliche Liberalismus in der Praxis? Think about it…
Carl Cornichon
Es herrscht Meinungsäusserungsfreiheit. Niemand hat die Verantwortung oder Pflicht, etwas zu sagen oder eben nicht zu sagen. Eine Argumentationsführung ist nicht verantwortungslos, nur weil sie stichhaltig und intelligent ist. Köppel wurde übrigens von den Lesern des Tages-Anzeigers (!) zum intelligentesten Schweizer gewählt.
Mit Meinungsvielfalt ist nicht gemeint, dass die Meinung eine Einzelnen vielfältig bzw. uneindeutig sein soll. Vielmehr erleichtert eine generelle Meinungsvielfalt bzw. -Offenheit die Wahrheitsfindung und den demokratischen Prozess.
Die Privatisierung der Ausbildung würde sie effizienter machen. Diejenigen Wissenschaften, die im Alltag kein Schwein interessieren, haben keine Existenzberechtigung, wenn die Absolventen nachher arbeitslos sind oder zu lebenslangen Praktikanten werden, oder im Staatsauftrag unproduktiv herumschwafeln. Kandidaten dafür wären z.B. Sozialarbeit, nordistische Theologie, oder natürlich International Affairs. Solche Leute finden keine ehrliche Arbeit bei real-produktiven Unternehmen.
Es gibt keine Gesellschaftsordnung, die noch nie in der Geschichte mit irgendeiner Fehlentwicklung einherging. Deshalb ist das leidige Hitler-Beispiel auch nicht per se ein Grund, die Demokratie abzulehnen. Bessere Gründe dafür bietet Hans Hermann-Hoppe, z.B. in der aktuellen Ausgabe der Schweizer Monatshefte.
Der Nationalsozialismus war nicht „rechtsnationalistisch“! Im Gegenteil, es handelt sich, wie auch der Name schon sagt, um eine Form des Sozialismus. Für das angebliche KOLLEKTIVE Interesse der deutschen „Rasse“ wurden die Juden in ihren FREIHEITEN beschränkt und ihr PRIVATEIGENTUM wurde enteignet, sie wurden von STAATSBEAMTEN umgebracht. Das ist Sozialismus in der Praxis.
Der bürgerliche Liberalismus fordert genau das Gegenteil: Schutz individueller Freiheit, Schutz von Leib, Leben und Privateigentum, freie Meinungsäusserung (=Meinungsvielfalt), freiwillige Solidarität.
Nico
äh bei direkten präsidentenwahl hat hitler verloren und hindenburg gewonnen, so müsste es heißen
Nico
Dein Kommentar ist sehr gelungen, aber eins stimmt leider nicht ganz – er hat das Beispiel Adolf Hitlers schon richtig benutzt, in Deutschland hätte die Demokratie zwar vom Volk abgewählt werden können – wurde sie aber nicht, die NSDAP hatte vor der machtergreifung nie eine mehrheit (nur 40% oder so). Die Machtergreifung wurde von einem kleinen Kreis Politiker realisiert, wie schon richtig angemerkt.
auch bei der direkten präsidentenwahl hat hitler verloren und hindenburg verloren.
er hat sicher nicht in jedem punkt recht – aber in punkto hitler schon.
Gabriel
sehr gelungene Replik, danke!