Escape Rooms – ein Trend, der auch in der Schweiz angekommen ist; freiwilliger Freiheitsentzug für den Teilzeitverbrecher. prisma liess es sich nicht nehmen und wurde selbst zum Ausbrecher.
St. Gallen an einem Donnerstagabend, nur wenige Menschen sind noch in der Altstadt anzutreffen. Der Himmel ist schon dunkel, die Temperaturen sinkend. Eine Gruppe furchtloser prisma-Redaktoren trifft sich gespannt vor dem Haus Nummer 11 in der Multergasse. Nur Minuten später sitzen wir im Begrüssungszimmer der Escape Company und werden in die Geschichte rund um den bevorstehenden Aus- bruchsversuch eingeweiht. Seit geraumer Zeit machen Gerüchte die Runde.
Schief gelaufener Einbruchsversuch
Ein erst kürzlich fertiggestelltes Gebäude soll mehr sein, als es offiziell hiess. Es sei stets streng überwacht und man könne immer wieder Gestalten in weissen Gewändern erblicken. Wir seien eine Aktivistengruppe und wollen diesem Mysterium ein Ende bereiten.
Leider lief unser Einbruchsversuch schief und nun finden wir uns in einem abgeschlossenen Raum wieder. Unser Ziel: ausbrechen. Mit einem freundlichen «viel Spass» schliesst sich die Türe hinter uns, es ist dunkel und nur ein Monitor leuchtet schwach. Er zeigt die Zeit an – 01:00:00.
Etwas Neues aus Budapest
Escape Room nennt sich dieses Vergnügen. Ein Team von zwei bis maximal sechs Personen muss versuchen, aus einem oder mehreren Räumen zu entkommen. Man hat 60 Minuten Zeit dafür und kann bei Bedarf auch Hinweise erhalten, da die Verantwortlichen mit Hilfe von Kameras das Geschehen immer beobachten. Aufeinander aufbauende Rätsel, die nach unserem Selbstversuch durchaus als knifflig einzustufen sind, erschweren dieses Unterfangen ungemein.
Reagenzgläser und Gummihandschuhe
Die Geister scheiden sich, wenn es um die Herkunft der Escape Rooms geht. Einige Quellen berichten von gelangweilten Programmierern aus dem Silicon Valley, während andere auf Japan als Geburtsland verweisen. «Ich war bei Kumpels in Budapest, als ich zum ersten Mal einen Escape Room gesehen habe. Es gibt dort etwa 60 bis 70 Firmen, die so etwas anbieten», berichtet Norbert Kiss, Eigentümer der Escape Company. «Wir wollten etwas Eigenes machen und sahen, dass es hier in St. Gallen noch nichts gab, also entschieden wir uns dafür.»
32:17. Wir beenden uns noch im ersten Raum. Mittlerweile haben wir jede Kiste und jede Schublade zweimal durchwühlt. «Sollen wir nach einem Hinweis fragen?» «Bloss nicht, das schaffen wir auch so!» Trotz Teamgeistes kommen wir nicht weiter. Eine leichte Gereiztheit liegt in der Luft. «Wir geben natürlich nicht sofort Hinweise. Aber wir merken schon schnell, ob ein Team in die richtige Richtung geht, und wenn es auf dem Holzweg ist, geben wir kleinere Tipps», erklärt die Geschäftsführerin Klaudia Horvàthnè.
29:56 zeigt die Uhr. Endlich sind alle Zahlen für das Kombinationsschloss an der Türe gefunden, doch welche Reihenfolge ist die richtige? Moment, lag da nicht etwas in der ersten Kiste? 29:38. Die Tür geht auf, aber wir sind noch längst nicht am Ziel. Ein Labor mit vielen Schränken, Reagenzgläsern, Gummihandschuhen und Schutzbrillen eröffnet sich und sogleich machen wir uns wieder ans Werk, die nächsten Rätsel zu lösen.
Und diese Papierschnipsel?
«Manchmal fehlt nur ein kleines Stück im Puzzle oder die Teilnehmer arbeiten schlecht im Team zusammen. Wir hatten mal eine Gruppe, die nach 25 Minuten fast alles gelöst hatte, aber beim allerletzten Rätsel nicht weiterkam», so Horvàthnè.
14:22. Vermeintlich dachten wir schon, die Türe zum nächsten Raum sei geöffnet, jedoch entdecken wir noch ein weiteres Element. Was hat es mit diesen Druckplatten auf sich? Braucht es eine bestimmte Reihenfolge, oder sind die Papierschnipsel von vorhin doch noch von Bedeutung? Nach einigem Hin und Her haben wir auch diese Aufgabe gelöst, betreten einen weiteren Raum. Ob die Freiheit wohl schon zum Greifen nahe ist?
Die Zeit schwindet, die Hektik steigt
10:19. Die Konzentration wird immer mehr durch Hektik und Stress verdrängt. 05:11. Nur noch Minuten, bis die Zeit vorbei ist. Die Nervosität ist stark gestiegen und das zu Beginn halbwegs koordinierte Handeln, ist einer fast schon hilflosen trial-and-error-Systematik gewichen.
Während ein Teil der Gruppe gespannt in einen kleinen Verteilerkasten blickt und versucht, mit Kabeln die richtigen Verbindungen zu stecken, experimentieren die anderen mit einem Laserpointer – 02:03. «Man sieht vor allem, dass die Leute ihren Kopf ausschalten können. Eine Stunde lang konzentriert man sich nur auf die Rätsel und vergisst alles, was ausserhalb ist.»
00:29. Die letzten Sekunden ra en nur so dahin und verzweifelt versuchen wir doch noch, die Aufgabe zu lösen. 00:12. Fluchworte fallen und Hektik beherrscht die Situation. 00:00 Ein lautes Raunen geht durch die Gruppe und wir staunen, wie schnell eine Stunde vorbeigehen kann und wir zurück in der Freiheit sind. Auf der zweiten Escape-Mission, welche Mitte November eröffnet wird, werden wir uns bestimmt erneut einsperren lassen.
Bilder: Alexander Wolfensberger, Oscar Hong