Schwerelosigkeit für Anfänger

Schwerelos entspannen, eine Reise durch das Universum und durch sein innerstes Ich: Damit wirbt die Wellnesserfahrung «Floating». Ein Abenteuer, das sich zwei prisma-Redaktoren nicht entgehen lassen wollten.

Alles ist schwarz, ich liege in einer seltsamen, leicht öligen Flüssigkeit und im Hintergrund spielt leise Entspannungsmusik. Ohne auch nur einen Muskel zu bewegen, treibe ich auf der Wasseroberfläche und versuche, mich zu entspannen.

Schon zu Beginn als wir beide in das Float Center im zürcherischen Stadtteil Wipkingen eintreten, empfängt uns eine angenehm ruhige Atmosphäre. Gepflegte und stilvoll eingerichtete Räumlichkeiten lassen nur Gutes erahnen. Begrüsst werden wir vom Geschäftsführer Oscar Trott, der uns bittet, die Schuhe gegen Badeschlappen auszutauschen und uns auch gleich gesunde Getränke anbietet. Obwohl mitten im Wohngebiet, fühlt man sich wie im Spa eines Berghotels. Ein Ruheort, der den Kunden aus dem Alltag ziehen und in einen anderen Geisteszustand versetzen soll.

Allerheilmittel und Schwerelosigkeit

Floating ist ein Entspannungsverfahren, das ursprünglich für die Sportmedizin und als Schmerztherapie bei Rheumabeschwerden, Ischiasproblemen und Bandscheibenvorfällen entwickelt wurde. Zum Glück haben wir weder eine lädierte Wirbelsäule noch abgenutzte Gelenke. Wir kommen einfach zum Chillen, denn mittlerweile hat sich das Floating auch im Wellnessbereich als besondere Erfahrung oder als Fluchtmöglichkeit für den gestressten Stadtmenschen etabliert. Dabei legt sich der Floater entweder in ein Becken oder in eine verschliessbare Kapsel, welche beide mit einer medizinischen Salzsole gefüllt sind. Die Lösung ist auf Körpertemperatur aufgeheizt. Durch den hohen Salzanteil treibt die Person wie im Toten Meer auf der Oberfläche – ohne die geringste Anstrengung. Dadurch soll ein schwereloser Zustand simuliert werden, der es einem ermöglicht, vollkommen abzuschalten. Durch starken Reizentzug soll eine physische wie mentale Tiefenentspannung erreicht werden.

Zurück in dem Empfangsraum des Float Centers. Nachdem wir die Badeschlappen angezogen haben, erwartet uns eine kurze Einführung. Wir erfahren, dass der erste Floating-Tank in den 50er-Jahren vor allem von einer Person, einem renommierten Hirnforscher namens John C. Lilly, entwickelt und verbreitet wurde. Er untersuchte, wie das Gehirn auf Reizentzug reagiert und testete dafür Floating über Jahrzehnte hinweg an sich selber aus. Etwas überrascht stellen wir fest, dass er schliesslich als Delphinforscher auf Maui starb. Nach der Einführung werden wir zu den einzelnen Floatingräumen geführt, wo wir per Münzwurf entscheiden, wer seinen Float im Becken und wer in der Kapsel verleben darf. Jeder verschwindet in seinen Raum und schon geht es los.

Floating in der Kapsel

Beim Eintreten steht man vor einem futuristischen, eiförmigen Gebilde. Es erinnert ein wenig an eine Weltraumkapsel; als sich dort ein Deckel öffnet, bestätigt sich der Ersteindruck. Wie der Rest des Centers vermittelt der Raum, in dem die Kapsel aufgestellt ist, eine ruhige Stimmung. Eine grosse Duschnische mit verschiedensten Duschköpfen und Wassereinstellungen steht zur Verfügung. Nach einer kurzen Dusche steigt man ohne Kleidung in den Behälter, der sich sogleich schliesst. Dann liegt man da in der Kapsel. Trotz anfänglichen Versuchen eine angenehme Position zu finden, stellt sich schnell die Erkenntnis ein, dass einem ausser der Rückenlage nicht viel übrig bleibt. Mit verschiedenen Knöpfen lassen sich die Beleuchtung und die Lautstärke der Meditationsmusik im Floatingtank regeln. Ohne Licht und Musik erlöschen fast alle Sinneseindrücke – so muss sich das Nichts des Weltraums anfühlen.

Kurzzeitig fragt man sich, wie viele Leute in dieser Enge schon der Platzangst verfallen sind. Nach einer Eingewöhnungsphase von rund 20 Minuten, macht sich der Reizentzug langsam bemerkbar. Komplett abzuschalten ist nicht einfach, die Gedanken kreisen um die unnötigsten Dinge, man spielt mit dem Licht und der Musik, versucht verschiedene Positionen. Nach 60 Minuten zeigt ein flackerndes Licht schliesslich an, dass die Zeit um ist. Da alle Muskeln sich wie Spaghetti anfühlen, ist es nicht ganz einfach, aufzustehen. Entspannung überkommt einen.

Das grosse Becken

Das Becken ist um einiges geräumiger als die Kapsel. Hier ist es sogar möglich, die Floatingerfahrung mit einem Partner zu geniessen. Gleich beim ersten Schritt in das Becken, macht sich ein Unterschied bemerkbar. Beim Versuch sich hinzusetzen, wollen die Beine partout nicht unter der Wasseroberfläche bleiben. Es braucht schon ein bisschen Überwindung, sich komplett fallen zu lassen. Diese Schwerelosigkeit überfordert den Gleichgewichtssinn. Ist man dann endlich so weit und liegt wie ein Blatt auf der Wasseroberfläche, entspannen sich langsam alle Muskeln und der Kopf wird schwer.

Mit dem Körper beruhigt sich die Wasseroberfläche. Die Gedanken beginnen zu kreisen. Je länger man in diesem dunklen Raum Zeit verbringt, desto mehr treten sie in den Hintergrund. Geübte Floater schaffen es, sich von jedem Gedanken zu befreien und in einen Zustand der Ruhe und der tiefsten Entspannung zu driften. Die räumliche Freiheit des Beckens unterstützt das Loslassen. Hat man es einmal geschafft, sich in der Mitte des Bassins zu positionieren, verliert man jegliches Gefühl für Raum und Zeit.

Übung macht den Meister

Alles in allem war der Selbstversuch ein sehr angenehmes Erlebnis, doch muss angefügt werden, dass Floating sicherlich ein wenig Übung braucht. Der erste Besuch ist schlicht und einfach zu aufregend, um das Gefühl der Entspannung wirklich geniessen zu können.

Auch sollen einen die zahlreichen Erfahrungsberichte im Internet nicht irreführen; Transzendenz darf der Besucher nicht erwarten, vielmehr sollte das Floating als Spiel mit den Sinnen angesehen werden. Es ermöglicht einem, einen Zustand von grosser Entspannung zu erreichen. Für jeden, der sich einmal in der Schwerelosigkeit verlieren möchte, ist Floating definitiv eine ernstzunehmende Option.

Bilder: zvg


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