Was der Zigarrenclub mit der marxistischen Lerngruppe gemein hat

Umfragen der letzten Jahre bestätigen einen schweizweiten Kampf um Vereinsnachwuchs. Doch die HSG scheint sich nicht am nationalen Trend zu orientieren. Dieser Rückenwind reicht manchmal für einen Vereinserfolg trotzdem nicht aus.

Die Universität St. Gallen bietet auch heute noch einen fruchtbaren Boden für Vereinsideen. Mit 125 Vereinen – Tendenz steigend – gibt es für fast jedes Anliegen und jede Ambition eine passende Anlaufstelle. Ein Grund dafür mag die im Vergleich zu anderen Universitäten stärker präsente Rekrutierung sein. Wer schon einmal fremde Universitätsluft geschnuppert hat, dem springt der vergleichsweise hohe Stellenwert der Vereine an der Universität St. Gallen schnell ins Auge. Insbesondere in der Startwoche und der ersten Semesterwoche stehen den Vereinen Möglichkeiten zur Präsentation und Mitgliedsanwerbung zur Verfügung. So etwa stellten sich an der Vereinsinfobörse der ersten Semesterwoche im vergangenen Herbstsemester 80 Vereine vor – im Zeitvergleich vier mehr als im Vorjahr, neunzehn mehr als noch im Jahr 2013. Steht dem Erfolg eines HSG-Vereins also nichts im Wege?

Die Universität St. Gallen umfasst momentan 125 Vereine auf 8300 Studenten (inklusive internationaler Netzwerke, welche teilweise auch an anderen Universitäten vertreten sind). Bei schweizweit um die 500 Vereinen und Organisationen aller Fachhochschulen und Universitäten, macht dies beeindruckende 25% der nationalen Vereinslandschaft aus. Das Umfeld ist vielfältig und überschreitet bei weitem die studienbezogenen Wirtschafts- und Managementthemen. Das Spektrum reicht vom Pokerclub über UniGay bis hin zu Liter of Light. Dennoch – nicht jede Idee oder Vereinsgründung kann einen sicheren Erfolg versprechen. Auch Vereine scheitern. Das ist zwar nicht die Regel, stellt aber auch keinen Einzelfall dar. Welchen Hürden fällt der eine oder andere Verein zum Opfer?

Das Scheitern davor

Eine erste Hürde stellt der Sprung zur Akkreditierung dar. Im letzten Jahrzehnt stolperten und stürzten sieben Vereine noch vor der Akkreditierung. So blieben beispielsweise ein Zigarrenclub oder ein Eastern European Club auf der Strecke. Nach einem Gespräch mit dem Vereinszuständigen der SHSG schrecken einige zukünftige Vorstandsmitglieder vor dem bevorstehenden Zeitaufwand zurück. Auch spricht der Präsident der Studentenschaft nach dem Gespräch eine Empfehlung für den Senatsausschuss aus, der entscheidenden Instanz zur Akkreditierung.

Laut dem Vereinszuständigen der SHSG, Michael Boppart, geht es dabei nicht darum, möglichst viele Vereine an der Universität St. Gallen zu fördern. Vielmehr stellt sich die Frage, welchen Mehrwert die neue Idee der Vereinslandschaft bietet. Qualität steht in dem Sinne vor Quantität. Ein Verein sollte sich auf die drei Säulen Notwendigkeit, Ernsthaftigkeit und Nutzen für die Studenten oder die HSG stützen. Auch gilt: Je neuwertiger die Idee, desto höher stehen die Akkreditierungschancen. Schwierigkeiten haben hier wenig konkretisierte Ideen oder Themen, welche zu nahe an bestehende Vereine grenzen. Auch sind einige Themen rechtlich nicht zulässig, etwa politisch motivierte Vereine.

Im Vergleich zu allen aufgeführten Vereinen der letzten Jahre umfassen diese nicht-akkreditierten Vereine aber einen verschwindend kleinen Anteil von vier Prozent. Jedoch ist es deutlich einfacher einen Verein zu gründen, als ihn langfristig am Leben zu erhalten.

Das Scheitern danach

Ist die Idee genehmigt, die Statuten sauber und ein Verein erfolgreich akkreditiert, so bauen sich neue Hürden vor ihm auf. 36 Vereine (21 Prozent) wurden in den letzten Jahren de-akkreditiert; somit löste sich jeder fünfte Verein nach der Akkreditierung auf. Unter ihnen beispielsweise der Fashionclub, der Diving Club oder die marxistische Lerngruppe.

Über die Gründe, weshalb sie zugrunde gegangen sind, kann nur gemutmasst werden: Etwa an stillosen Studenten, dem fehlenden Meeranschluss oder zu vielen Kapitalisten? Tatsächlich verleiten meist sinkende Mitgliederzahlen, eine mangelhafte Übergabe an den neuen Vorstand oder auch fehlende Motivation der Vorstandsmitglieder zum Scheitern. Insbesondere Vereine, welche von Masterstudenten gegründet wurden, haben es schwerer, ihr Fortbestehen durch Nachwuchs zu sichern.

Auch stehen die Vereine untereinander teils in Finanzierungskonkurrenz. Oft wird in gleichen Kreisen nach Sponsoren gesucht, Gerade bei Vereinen mit Management- und Wirtschaftsthematik. Offiziell stillgelegt werden Vereine, wenn sie nach vermehrter Mahnung das alljährliche Kontaktformular nicht ausfüllen. Bei einer aktiven Auflösung ist eine De-Akkreditierung nicht notwendig.

Die St. Galler Studentenvereine müssen also trotz tatkräftiger Unterstützung am Ende auf eigenen Beinen stehen und auch auf lange Sicht das Gleichgewicht halten können. Nicht jede Idee kann sich durchsetzen. So wären gewisse Vereine und Initiativen an der HSG wohl von vornherein zum Scheitern verurteilt; etwa ein Verein zum Schutz der Fliege oder eine Gemeinschaft zur Abschaffung der Karmapunkte gegen extracurricularen Leistungsdruck.

Die grösseren Schwierigkeiten entstehen jedoch erst längerfristig; eine gute Idee alleine reicht für das Fortbestehen nicht aus. Dennoch besitzen die Vereine an der HSG mit 75 Prozent eine beeindruckende Über- lebensrate. Vielleicht gerade deshalb wurde ein Antrag des SHSG-Vorstandes, die zur Akkreditierung benötigte Unterschriftenzahl zu erhöhen, kürzlich vom Studentenparlament in einer Sitzung abgelehnt.

Illustration Evelyne Schlauri


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