Der Traum einer Karriere als Pilot ist der vieler junger Männer – deutlich seltener zu finden ist er bei Mädchen und vermutlich noch seltener bei einer zukünftigen HSG-Studentin.
Das Fliegen liegt mir gewissermassen bereits im Blut, denn mein Vater war Pilot beim Militär. Eine seiner Lieblingsgeschichten handelt davon, wie er seine Kompaniekameraden ein wenig hänseln wollte und diese im Tiefflug mit einer Einpropellermaschine überflog. Die Geschichte endet damit, dass er vor lauter Schadenfreude beinahe die Felswand direkt vor ihm übersehen hätte. Erfreulicherweise scheint er viel fliegerisches Talent und eine grosse Portion Glück zu besitzen – beides Attribute, die ein erfolgreicher Pilot am besten en masse mitbringen sollte. Und wer möchte nicht auch solch abenteuerliche Fliegergeschichten erzählen können? Ich begann also, mich über die fliegerische Vorschulung, die mein Vater damals absolviert hatte, zu informieren.
Flight preparation
In den letzten 40 Jahren hat sich abgesehen vom Programmnamen überraschend wenig geändert. Neu heisst das Programm Sphair und ist eine obligatorische Vorstufe für zukünftige Militärpiloten. Der Kurs steht aber auch anderen Interessenten offen. Um in den Genuss von zwei Wochen Flugschule zu kommen, muss man erst ein Screening über sich ergehen lassen. Dies findet in Dübendorf statt und besteht aus mehreren Tests, welche die Gebiete der Mathematik, Raumorientierung, Konzentration, Technikverständnis und Gedächtnis sowie Englisch umfassen. Auf diese Tests kann man sich online vorbereiten und somit einschätzen, ob man sich überhaupt zum eigentlichen Screening wagen soll. Zusätzlich muss noch ein Sehtest absolviert werden, bei welchem die Auflagen für militärische Anwärter deutlich strenger sind als für die zivilen. Dies wird jedoch erst in einem späteren Schritt der Ausbildung zum möglichen Ausschlusskriterium. Nach bestandenem Screening ist die Startbahn frei für den zweiwöchigen Flugkurs.
Ready for Take-off
Mit 17 Jahren entschied ich mich, einen Flugkurs bei AeroLocarno, einer Flugschule im Tessin, zu absolvieren. Wir waren sechs Kursteilnehmer mit zwei Instruktoren und hatten zwei Piper Warrior II Flugzeuge zur Verfügung. Untergebracht wurden wir in der Kaserne direkt am Flughafen. Morgens gab es Theorieunterricht, unter anderem in Meteorologie und Aeronautik. Wir mussten viele Checklisten sowie auch das Fliegeralphabet auswendig lernen, damit wir unsere Flugzeuge per Funk beim Tower anmelden können. «Locarno Tower, this is Hotel-Bravo-Papa-Echo-Yankee. Ready for taxi», war der erste Funkspruch, welchen ich lernte, um vom Parkfeld zum Runway rollen zu dürfen. Effizienzhalber wird bei der Kommunikation mit dem Tower auf freundliches Geplänkel verzichtet; es werden pure Fakten runtergerattert.
Dann endlich stehe ich auf dem Runway 26. Ein letzter Check vom Instruktor und dann kommt die Freigabe vom Tower: «Hotel-Bravo-Papa-Echo-Yankee, you’re clear for takeoff.» Und los geht’s: mit Vollgas über die geteerte Bahn bis die Abhebegeschwindigkeit erreicht ist. Mein Flugzeug hebt ab, und in diesem Augenblick ist es vollends um mich geschehen. Dieses Gefühl, als sich meine Piper HB-PEY vom Boden löst und mich die G-Kräfte in den Sitz drücken, ist kaum zu beschrieben. Die Flüge über den Lago Maggiore gaben dem Wort «Freiheit» eine völlig neue Bedeutung.
Touch Down
Nach insgesamt zwölf Flugstunden und 17 Landungen, welche feinsäuberlich im Flug-Logbuch festgehalten wurden, waren die zwei Wochen auch schon wieder vorbei. Mit einem Abschlusszeugnis und einer Empfehlung für die militärische als auch die zivile Pilotenkarriere in der Tasche, ging es zurück an die Schule. Angefressen von der Fliegerei schrieb ich meine Maturaarbeit über die Pilotenausbildung. Diese liess mich erkennen, wie viele kommerzielle Flüge bereits damals vom Autopiloten gesteuert wurden. Und dieser Trend wird sich in Zukunft nur noch verstärken. Da ich aber selbst fliegen wollte, blieb ausser dem Militär und einer Ausbildung zum Helikopterpiloten nicht mehr viel übrig. Das Militär kam jedoch wegen meinen Brillengläsern, die Flaschenböden ähneln, nicht in Frage. In diesem Bereich ist das Militär – vermutlich zurecht – knallhart beim Auswahlverfahren. Als letztes blieb mir noch die Rega. Als ich jedoch herausfand, dass alleine die Basisausbildung auf einem einfachen Helikopter etwa 100 000 Franken kosten würde, entschied ich mich dagegen, denn wie sollte ich das finanzieren? Meinen Eltern wollte ich diese Summe nicht aufbürden.
Post-flight operations
Ich setzte mich folglich wie die meisten meiner Mitschüler mit Studiengängen und Universitäten auseinander. Im Ausschlussverfahren entschied ich mich für das BWL-Studium an der HSG. Die Logik dahinter war, dass ich mir ja nach meiner steilen Businesskarriere einfach mein eigenes Flugzeug leisten kann. Mit Träumen und Plänen ist das ja aber immer so eine Sache. Mittlerweile habe ich fünf Jahre studiert und somit vermutlich auch auf diesem Weg die 100 000 Franken aus den Taschen meiner Eltern gezogen. Hoffentlich öffnet mir der HSG-Abschluss viele Türen – und wer weiss, vielleicht absolviere ich irgendwann doch noch eine Pilotenausbildung.
Bilder: zvg, Lisa Rebmann