CONTRA – Geschlechtsneutrale Sprache

Die_Der Leser_innen dieses Textes sehen sich in Zukunft, wenn sich das Lager meines Mitstudierenden durchsetzt, mit befremdlichen Sonderzeichen konfrontiert. Auch in der Rolle ein*es*er Autor*in stellt dies eine Herausforderung dar.

Da wir beim prisma beim Ausformulieren dieses wunderbaren Heftes jeweils unter Zeitdruck und Platzknappheit leiden, werde ich mir erlauben, auf die geschlechterneutrale Ausdrucksform zu verzichten. Beide der zwei Geschlechter mögen sich aber bitte angesprochen fühlen. Die Problematik ist evident: Wer freiwillig keine «geschlechtergerechte» Sprache anwendet und sich erdreistet, die herkömmliche Variante zu bedienen – wenn man dem Terminus der Reformer folgt, ist dies wohl die «geschlechterungerechte» Sprache – wird schnell als Chauvinist (falls männlich) oder generell verstaubt konservativ abgestempelt. Was kann man nun tun, um nicht von den Befürwortern des «gendering» vor ihrem moralischen Scharfgericht verurteilt zu werden? 

Ja, was denn nun?

Als gebildeter Mann und wissenshungriger, rechercheerprobter Journalist, dem die Gleichberechtigung der Geschlechter übrigens am Herzen liegt, lande ich schnell auf Wikipedia: Schrägstrichschreibweise, Klammerschreibweise, Binnen-I, Gendergap oder -sternchen, Doppelform oder Splitting, aber auch besonders skurrile Varianten wie Binnenmajuskel («einE Beamter!n») oder Binnen-I mit generischem Feminum (einE BeamtIn) werden als Lösungsansätze dieser grassierenden linguistischen Benachteiligung angeboten. Die Frage nach der «korrekten» Alternative kann nicht abschliessend beantwortet werden. Auch 50 Jahre nach der Veröffentlichung der «Richtlinien zur Vermeidung sexistischen Sprachgebrauchs», welche die Diskussion in den deutschen Sprachraum brachten. Einzig eine Kombination der Varianten würde für alle Fälle unserer vielfältigen Sprache konsequent funktionieren. Wollen wir diesen Urwald in unseren Texten? Und wie gehen wir dann mit dem Gesprochenen um? Betrachten wir doch noch folgendes Problem im Partizip Präsens: Gehört man eigentlich zu den biertrinkenden Studierenden, wenn man einfach im Adhoc sitzt, oder muss man dazu beim Trinken des Denkersaftes gleichzeitig K-Karten büffeln? Beides schon gesehen.

Der Gerechtigkeit verpflichtet

Die Anpassung der Sprache nach Vorstellungen der Vordenkerinnen der Feministischen Linguistik folgt einem noblen Ziel, dessen Unterstützer auch in der heutigen Zeit immer zahlreicher werden: Gerechtigkeit. Ebnet man die sprachliche Umgebung unter dem Gesichtspunkt der Geschlechter aus, wird sich dies auch in die faktische Lebensrealität übersetzen. Oder war die Kausalität anders herum? Auch die Befürworter sind sich da nicht ganz einig. «Gendering» gegen Sexismus und Frauenbenachteiligung halt. Logisch. Leider liefert die linguistische Komparatistik  keinerlei belastbare Hinweise darauf. Türkisch und Bulgarisch kennen übrigens gar keine linguistische Unterscheidung der Geschlechter…

Der Kampf um mehr Gerechtigkeit zwischen den beiden Geschlechtern ist zum Tummelplatz jener geworden, die gerne in moralischen Kategorien denken und Fakten deshalb eine untergeordnete Rolle spielen. Die «geschlechtergerechte» Sprache bekräftige die Relevanz von Geschlecht als sozialer Kategorisierung weiter, obwohl die Intention des Gleichstellungsgedankens eigentlich in die gegenteilige Richtung zielt. Durch die fortgesetzte Betonung des eigentlich Selbstverständlichen, der Mehrgeschlechtlichkeit, wird der Unterschied nicht aufgehoben, sondern zementiert.


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