Als mich meine Familie das erste Mal in St. Gallen besuchen kam, wollten sie eine kleine Stadtführung. Doch leider kannte ich die Stadt nach dem ersten Semester nur bei Nacht. Trischli, Ele, Backstage (heute Ivy) und die Bars im Bermudadreieck kannte ich auswendig – sogar mit geschlossenen Augen in der Nacht. Doch bei Tag – natürlich schien die Sonne an diesem Tag nicht – hatte ich keinen blassen Schimmer. Schnell merkte ich, dass es nebst dem Campus auf der Anhöhe auch noch eine liebenswerte Stadt gibt: kleine Geschäfte und viele verschiedene Restaurants. Das ganze Jahr über ist es möglich, täglich in einem anderen Lokal
zu speisen, oder – bei der grossen Anzahl Coiffeurs – sich die Haare frisieren zu lassen. Gut so, die Altstadt kenne ich nun auch bei Tageslicht.
Fährte lesen
Doch der Drang zu Neuem und Mehr bleibt bestehen. Was gibt es sonst in St. Gallen und vor allem in der Umgebung zu entdecken? Finden wir es heraus.
Der Foxtrail schien uns die richtige Lösung zu bieten: Im Team dem schlauen Fuchs nachjagen und als nette Nebenerscheinung ungeahnte Orte in St. Gallen entdecken. Oder ist es umgekehrt?
Das St. Galler Wetter im November soll bekanntlich wie im April sein. Erst schneits, dann scheint die Sonne und am gleichen Tag regnet es auch noch. Aufgrund dieser Kriterien haben wir uns für den kurzen Trail von 2 bis 2.5 Stunden entschieden.
Start am Bahnhof
Mit viel Elan starten wir vom Bahnhof aus. Das kleine Heft mit den Anweisungen und ein vollgeladenes Mobiltelefon sind dabei, man könnte sich ja verlaufen. Start ab Bahnhof in St. Gallen. Der erste Posten befindet sich noch bei den Gleisen. Wir haben Mühe ihn zu lösen. Motivation geht gleich den Bach runter, bis Jan den entscheidenden Hinweis findet. Motivation schiesst wieder in die Höhe. Im Eilmarsch durch den Regen geht es in Richtung des bestimmten Punktes in der Stadt. Schon wieder, im Park suchen wir zwischen Fratzen und komischen Figuren den nächsten Posten. Da es schon bald Nacht ist, erscheinen diese uns sehr eindrücklich. Der Hinweis bringt uns an einer Schule vorbei, auf einen Spielplatz. Die Kinder in den Klassenzimmern schauen gespannt zu, wie da vier Studenten auf ihrem Spielplatz herumturnen. Was sie vielleicht nicht wissen können, ist, dass wir den höchsten Punkt suchen, damit wir die Foxtrailtafel finden. Kaum hat sie Jana entdeckt, stürmen wir wieder los.
Motivationstief
Bevor wir in den Bus einsteigen können, müssen wir entziffern, bis zu welcher Station es geht. Unter Zeitdruck –der Bus ist schon fast da – schaffen wir die Entzifferung der nächsten Station und steigen ein, nur um wenige Stationen später wieder auszusteigen. Nun regnet es und natürlich haben alle vier gegen die St. Galler Regel Nummer eins verstossen: Habe stets einen Schirm dabei. Toll.
Wir suchen den Hinweis zwischen drei verschiedenen Wartehäuschen, aber mit den erschwerenden Umständen haben wir keine Chance, ihn zu finden. Laura, Jana und ich wollen schon die Helpline anrufen, doch Jan verbietet es uns und meint, dass wir uns zuerst stärken sollen, um Energie zu tanken. Kaum gesagt, läuft er in die nächste Bäckerei und holt sich einen Fonduefladen. Leider bringt dies nichts und wir sind gezwungen die Hotline anzurufen. Jan findet, dass dies gegen den Ehrenkodex von richtigen Schatzsuchern verstösst. Doch dieser Ehrenkodex hilft uns auch nicht weiter, denn nur die Hilfe am Telefon gibt uns den richtigen Tipp.
Die Schlucht in der Stadt
Kaum auf der Anhöhe über St. Gallen laufen wir schon wieder Richtung Kloster runter. Wir alle sind total erstaunt, dass es unter St. Georgen, neben der Mühleggbahn eine richtige Schlucht gibt. Jana würde liebend gerne in ein Haus über dem Bach einziehen, damit sie jeden Morgen direkt vom Fenster in den Bach springen könnte.
Die Schlucht hat eine ganz spezielle Atmosphäre. Eine Mischung zwischen modern und antik, denn am Bach entlang befinden sich Handwerksfirmen, welche vor Jahrzehnten noch die Wasserkraft zum Sägen brauchten. Hoch über der Schlucht ragt in leuchtender Neonschrift der Satz: «Artists interpret the world and then we interpret the artists». Wir halten alle inne, lesen den Satz, schauen uns an und erinnern uns gemeinsam an die Deutschstunden, in denen wir aus irgendwelchen Büchern die Ansichten eines Autors herauslesen mussten. Weiter geht es runter, bis wir wieder vor dem Kloster stehen. Mittlerweile alle durchnässt stehen wir vor dem nächsten Rätsel. Der Lift, mit dem man ins Untergeschoss fahren sollte, hat keinen entsprechenden Knopf. Jedoch kann man mit einer anderen Aufgabe das Liftfahren umgehen. Wir probieren und probieren. Sicher zehn Minuten verbringen wird dort, bis auch Jan die Ansicht teilt, die Helphotline anzurufen.
Die Aufgabe war zu einfach. Wie es so ist, haben wir viel zu weit überlegt und so diese eine entscheidende Kleinigkeit übersehen. Mit der Lösung ging es nur noch wenige Minuten bis zum nächsten Posten. Eine Rakete, genauer gesagt deren Booster, haben innovative Menschen anscheinend schon im Mittelalter neben dem Klosterplatz gebaut. Natürlich ist damit der Eingang zum Pfalzkeller gemeint. Aus der Vogelperspektive sieht der spezielle Eingang genauso aus.
Beim Umherirren schauten uns die meisten Passanten recht komisch an. Ein paar wenige kicherten und fragten uns, ob wir den Foxtrail machen. Na klar! Nicht ohne Grund rennen wir von der einen zur anderen Hauswand. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht liefen sie davon – sie wussten genau, an welchem Posten wir wieder Mühe hatten und wie er zu lösen ist.
Bekannte Erker
Mittlerweile kommen wir wieder in uns heimeliges Gebiet. Birreria, Box, Caliente und Trischli. Doch nun war die Aufgabe statt in der Schlange vor dem Trischli zu stehen, die Schlange auf einem Erker zu finden. Weitere Tiere, welche über unseren Köpfen kunstvoll in die Häuserfassaden geschnitzt wurden, folgten. Es ist schade, dass man auf andere Passanten achten muss und nicht hochschauen kann. Denn die Gallus-Stadt ist die Königin der Erker und aus der Nähe erzählt jeder eine kleine Geschichte.
Schlussspurt
Mittlerweile schon stockfinster geworden, müssen wir beim Posten «Filum» mit Nadel und Faden arbeiten, damit wir den finalen Punkt finden. Zum Glück ist dies eine Apotheke. Der ideale nächste Posten, denn wer beim Nähen nicht peinlichst genau auf seine Finger achtet, kann dort gleich Pflaster kaufen. Logischerweise fanden wir natürlich zuerst die falsche Apotheke, die Angestellten konnten uns aber freundlicherweise auf die richtige verweisen.
Im Ziel mussten wir den Barcode einlesen, womit ein Foto ausgelöst wurde. Ein Foto der Enttäuschung, denn der flüchtige Fuchs entwischte uns noch in letzter Sekunde. Doch dafür haben wir sehr viel von der Stadt gesehen und konnten neue Eindrücke gewinnen. Super für ortsunkundige Studenten, wie uns. Der Foxtrail hat also ganze Arbeit geleistet.